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/* Scheinselbständigkeit - unterschiedlich im Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht, Strafrecht */
Eine scheinselbständige Tätigkeit kann nicht nur Folgen im Sozialversicherungsrecht, sondern auch im Arbeitsrecht (Bestehen eines Arbeitsverhältnisses), Steuerrecht (Rückzahlung von Umsatzsteuer bzw. Nacherhebung von abgezogener Vorsteuer aber auch Rückzahlung von Gewerbesteuer) und im Strafrecht (Schwarzarbeit, Vorenthalten von Sozialversicherungsabgaben) nach sich ziehen.
Eine sozialversicherungsrechtlich abhängige Beschäftigung kann aber vom Finanzamt auch als selbständig anerkennt werden und vom Arbeitsgericht als freie Mitarbeit. Alle Gerichtszweige nehmen für sich in Anspruch, die eigenen Definitionen auch unabhängig zu prüfen und den Status festzustellen. ''Der steuerrechtliche Begriff des Arbeitnehmers deckt sich nicht immer mit dem in anderen Rechtsgebieten verwendeten wortgleichen Begriff. Es ergeben sich Abweichungen gegenüber dem Arbeitsrecht und dem Sozialversicherungsrecht. So kann im Einzelfall steuerrechtlich ein Dienstverhältnis, arbeitsrechtlich kein Arbeitsverhältnis vorliegen und umgekehrt (Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl, § 19 EStG, Anm 16 und die dort angeführte Rechtsprechung und Literatur). Dem Steuerrecht ist insbesondere der dem Arbeitsrecht geläufige Begriff des arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses fremd (BFH-Urteil vom 27. April 1961 IV 329/58 U, BFHE 73, 129, BStBl III 1961, 315). Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und Sozialversicherungsrechts ergangene Entscheidungen zu dem Begriff des Arbeitnehmers oder des unselbständig Beschäftigten können daher nicht oder nur mit Einschränkungen übernommen werden. Es bedarf jeweils einer eigenen Beurteilung nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten.'' (so schon BFH, Urteil vom 14. Dezember 1978 – I R 121/76 –, BFHE 126, 311, BStBl II 1979, 188-190) ''Die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH für die steuerrechtliche Beurteilung nicht bindend; sie kann allenfalls als Indiz gewertet werden (vgl. BFH vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, m.w.N.; vgl. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rz. 4).'' (BFH, Beschluss vom 09. November 2004 – VI B 150/03 –, juris) ''In verfahrensrechtlicher Hinsicht besteht allerdings nach herrschender, zutreffender Rechtsauffassung keine Bindung der Träger der Sozialversicherung an die Verwaltungsakte der Steuerbehörden und die Entscheidungen der Finanzgerichte (GE 5529 a.a.O.). Die Versicherungsträger, in Streitfällen die Sozialgerichte, haben vielmehr selbständig zu entscheiden, ob auf Grund der Gesamtumstände des Einzelfalles ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt und ob Versicherungspflicht besteht.'' (BSG, Urteil vom 05. April 1956 – 3 RK 65/55 –, BSGE 3, 30, SozR Nr 18 zu § 164 SGG) ''Nicht ausschlaggebend ist die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tätigkeit als selbständig oder unselbständig (BFH-Urteile in BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303; BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804; BFH/NV 1989, 541; zur Eigenständigkeit des Begriffs "Arbeitnehmer" auf den verschiedenen Rechtsgebieten vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 15. Dezember 1986 StbSt (R) 2/86, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1987, 2751; Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, 356 ff., m.w.N.). Zwar kann es im Rahmen der steuerlichen Beurteilung als Indiz gewertet werden, wenn das Arbeitsrecht bzw. das Sozialversicherungsrecht ein nichtselbständiges Beschäftigungsverhältnis annimmt. Es besteht jedoch in dieser Frage keine Bindung zwischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht einerseits und Steuerrecht andererseits. Daher vermag die neuere zivil- und arbeitsrechtliche Rechtsprechung zur sog. Scheinselbständigkeit die steuerrechtliche Beurteilung nicht vorzuprägen.'' ''aa) § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) verwendet den Begriff des Arbeitnehmers § 5 ArbGG definiert, wer Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG ist. Das sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu einer Berufsausbildung Beschäftigten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gelten als Arbeitnehmer u.a. auch sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.'' ''bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des BGH unterscheidet sich das Arbeitsverhältnis vom Rechtsverhältnis eines freien "Dienstnehmers" oder Werkunternehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung der Werk- oder Dienstleistung. Arbeitnehmer ist, wer weisungsgebunden eine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) ein typisches und verallgemeinerungsfähiges Abgrenzungsmerkmal. Danach ist derjenige selbständig, der im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb "persönlich abhängig" ist derjenige Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist, weil er hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt oder weil der Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung durch die rechtliche Vertragsgestaltung oder die tatsächliche Vertragsdurchführung stark eingeschränkt ist (BAG-Urteil vom 19. November 1997 5 AZR 653/96, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 1998, 612; BGH-Beschluß vom 21. Oktober 1998 VIII ZB 54/97, Betriebs-Berater --BB-- 1999, 11 - selbständiger Frachtführer). Mit dem Status des Arbeitnehmers ist es grundsätzlich nicht zu vereinbaren, wenn es dem Mitarbeiter gestattet und nach den tatsächlichen Umständen auch möglich ist, die geschuldete Leistung durch einen Dritten erbringen zu lassen (BGH-Beschluß in BB 1999, 11).'' ''Ohne Erfolg beruft sich der Kläger der Sache nach darauf, er habe keinen solchen mit dem Status eines Arbeitnehmers unvereinbaren Gestaltungsspielraum. Denn anders als im Zivilrecht kommt es im Steuerrecht nicht (lediglich) auf die Art und Weise der persönlichen Leistungsverrichtung --Unterstellung unter ein Weisungsrecht oder fehlender bzw. eingeschränkter "Freiraum"-- an. Das Steuerrecht hebt schwerpunktmäßig ab auf die Nähe des Steuerpflichtigen zum Marktgeschehen, die --wie dargelegt-- anhand der Merkmale "Unternehmerrisiko" und "Unternehmerinitiative" beurteilt wird. Dem Arbeitsrecht liegt der Gedanke der sozialen Schutzbedürftigkeit zugrunde. Ein derartiger Regelungszweck ist dem Steuerrecht hingegen fremd (BFHE in BFHE 170, 48, BStBl II 1993, 303).'' ''cc) Daher ist es auch unerheblich, ob der Kläger eine "arbeitnehmerähnliche Person" ist. Dieser in § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG normierte Begriff ist auf Personen anwendbar, die wegen fehlender Eingliederung in eine betriebliche Organisation und im wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht im gleichen Maße abhängig sind wie Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Unselbständigkeit. Eine solche setzt voraus, daß der Abhängige auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen ist und daß er sich in der Regel an eine einzige Person gebunden hat, so daß ohne deren Aufträge seine wirtschaftliche Existenzgrundlage entfiele. Zudem muß der wirtschaftlich Abhängige seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzwürdig sein (vgl. BAG-Beschlüsse vom 11. April 1997 5 AZB 33/96, NJW 1997, 2404; vom 16. Juli 1997 5 AZB 29/96, NJW 1997, 2973; vom 8. September 1997 5 AZB 3/97, NJW 1998, 701; BGH-Beschlüsse in BB 1999, 11; vom 4. November 1998 VIII ZB 12/98, BB 1999, 73, DStR 1998, 2020 - arbeitnehmerähnlicher Franchisenehmer). Der Begriff "arbeitnehmerähnliche Person" steht damit bereits arbeitsrechtlich im Gegensatz zum "Arbeitnehmer" und hat keine Auswirkung auf die einkommensteuerrechtliche Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und Gewerbetreibendem.'' ''dd) Auch § 14 Abs. 4 Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch i.d.F. des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte (SGB IV) vom 19. Dezember 1998 (BGBl I 1998, 3843, 3846) geht davon aus, daß die sozialversicherungsrechtliche Begriffsbestimmung des "Beschäftigten" als einer Person, die "gegen Arbeitsentgelt beschäftigt ist", von der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung abweichen kann. Diese Vorschrift knüpft in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB IV n.F. "bei einer Beschäftigung, die nach dem Einkommensteuerrecht als selbständige Tätigkeit bewertet wird", die Bestimmung des Arbeitsentgelts an die Regelungen für Selbständige an (BTDrucks 14/45, S. 20). Zu den vier Kriterien, die nach § 7 Abs. 4 SGB IV n.F. die Vermutung einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt begründen, gehört zwar auch, daß eine erwerbsmäßig tätige Person "nicht aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftritt" (Abs. 4 Satz 1 Nr. 4). Dem liegt die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, daß "selbständig" im allgemeinen nur jemand ist, der auch unternehmerische Entscheidungsfreiheit genießt und unternehmerische Chancen wahrnehmen kann. Wer über Einkaufs- und Verkaufspreise, Warenbezug, Einsatz von Kapital und Maschinen weitgehend nicht eigenständig entscheiden kann, ist in der Regel nicht selbständig tätig, sondern abhängig beschäftigt (BTDrucks 14/45, S. 19). Indes kommt das in § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IV n.F. erwähnte Merkmal sozialversicherungsrechtlich nicht zum Tragen, wenn die gesetzliche Vermutung, die aufgrund der weiteren Merkmale (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB IV n.F.) begründet wird, nicht widerlegt werden kann. Demgegenüber ist in steuerrechtlicher Hinsicht das Entgeltrisiko stets ein den Typus "Gewerbetreibender" prägendes Merkmal.'' (BFH, Urteil vom 02. Dezember 1998 – X R 83/96 –, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534) Es kann daher unterschiedliche Statusfeststellungen geben. Finanzämter können sogar die Umsatzsteuer anerkennen, aber den Abzug von Betriebsausgaben ablehnen (arbeitnehmerähnlicher Selbständiger im Steuerrecht). "Im Übrigen ist die Frage der Selbstständigkeit natürlicher Personen zwar grundsätzlich für die Umsatzsteuer, die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer nach denselben Grundsätzen zu beurteilen. Aber auch hier besteht eine Bindung zwischen der ertragsteuerrechtlichen Beurteilung und der im Umsatzsteuerrecht nicht (BFH-Urteil vom 10. März 2005 V R 29/03, BStBl II 2005, 730 m.w.N.), sondern ebenfalls nur eine Indizwirkung." (FG München, Urteil vom 04. Dezember 2012 – 10 K 3854/09 –, juris)
== '''Scheinselbständigkeit - Rechtsprechung (Urteile)''' ==