fristlose Kündigung
Die Ausführungen zur fristlosen Kündigung sind auf dem Rechtsstand April 2015 und werden regelmäßig von Rechtsanwalt Felser aktualisiert.
Eine fristlose Kündigung ist eine Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, also eine Kündigung mit sofortiger Wirkung. Landläufig wird das auch als "Rauswurf" bezeichnet. Das Arbeitsverhältnis wird sofort beendet, der Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung frei, der Arbeitgeber muss keinen Lohn bzw. kein Gehalt mehr zahlen. Im Arbeitsrecht muss dafür ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegen. Eine fristlose Kündigung ist nur innerhalb von 14 Tagen nach Kenntnis des Arbeitgebers vom Kündigungsgrund zulässig. In der Regel ist auch eine vorherige vergebliche Abmahnung erforderlich. Der Betriebsrat kann der fristlosen Kündigung nicht widersprechen, sondern kann dagegen nur Bedenken erheben. Der Betriebsrat hat dazu Gelegenheit binnen drei Tagen nach dem Antrag des Arbeitgebers.
Für den Arbeitnehmer hat eine fristlose Kündigung gravierende Folgen, denn er bekommt von einem Tag auf den anderen kein Geld mehr. Kein Gehalt mehr vom Arbeitgeber, kein Geld von der Arbeitsagentur. Am schlimmsten getroffen werden hier Menschen, die so wenig verdienen, dass sie nichts auf der hohen Kante haben können.
Gegen eine fristlose Kündigung muss innerhalb von drei Wochen Klage erhoben werden, es empfiehlt sich allerdings eine zügige Einschaltung eines versierten Rechtsanwalts. Eine fristlose Kündigung hat vor dem Arbeitsgericht häufig keinen Bestand. Das Verfahren in erster Instanz dauert aber zwischen drei und neun Monaten.
fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber
Die mit Abstand meisten fristlosen Kündigung werden durch Arbeitgeber ausgesprochen, häufig auch ohne vorherige Abmahnung. Vor dem Arbeitsgericht haben die fristlosen Kündigungen nicht oft Bestand, oft einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Vorschlag des Arbeitsgerichts auf eine ordentliche Kündigung. Der Job ist aber meistens nach einer fristlosen Kündigung weg. Lediglich ein kleiner Teil der Klagen gegen fristlose Kündigungen endet mit Urteil.
fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer
Die fristlose Kündigung vom Chef ist in der Praxis viel häufiger als die fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer. Grund hierfür ist, dass die fristlose Kündigung für den Arbeitnehmer viele Risiken aufweist. Zum einen ist meist mit einer Sperrzeit durch die Arbeitsagentur zu rechnen. Zum anderen verlangt die Rechtsprechung auch bei einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitnehmer, dass dieser vorher eine Abmahnung ausspricht, bevor das scharfe Schwert der fristlosen Kündigung gezogen wird.
fristlose Kündigung und ausserordentliche Kündigung
Die Bedeutung der Begriffe "fristlose Kündigung" und "ausserordentliche Kündigung" kann gleich sein, muss es aber nicht. So gibt es zum Beispiel die ausserordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Die ausserordentliche Kündigung kann wie die fristlose Kündigung nur aus wichtigem Grund erfolgen, sie kann aber mit einer Frist versehen sein. Die fristlose Kündigung ist daher immer eine ausserordentliche Kündigung, die ausserordentliche Kündigung aber nicht immer eine fristlose Kündigung.
fristlose Kündigung - Gesetzestext
§ 626 BGB Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
fristlose Kündigung - das prüft das Arbeitsgericht
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 38; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09).
Das Arbeitsgericht prüft die Kündigung - im Groben - wie folgt:
1. Liegt ein wichtiger Grund vor? 2. Was eine Abmahnung erforderlich, ist diese erfolgt, war die Abmahnung gleichartig? 3. Hat der Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis vom Kündigungsgrund gekündigt? 4. Ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der normalerweise geltenden Kündigungsfrist unzumutbar? 5. Wurde der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört?
Daneben prüft das Gericht natürlich noch eine Menge weiterer Gesichtspunkte.
fristlose Kündigung - wichtiger Grund
Für eine fristlose Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen.
Als wichtiger Grund kommen Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer oder schwere Pflichtverletzungen in Betracht. Leichtere Pflichtverstöße können nur dann zu einer fristlosen Kündigung führen, wenn sie hartnäckig wiederholt werden, also bei Arbeitsverweigerung.
Typische Kündigungsgründe sind:
- Arbeitszeitbetrug - Kassenmanipulation - Spesenbetrug - Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit
fristlose Kündigung - Interessenabwägung
Steht fest, dass an sich ein "wichtiger Grund" für die Kündigung vorliegt und auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt wurde, bedeutet das noch nicht, dass ein Arbeitsgericht die fristlose Kündigung billigt. Das Gericht hat nämlich abzuwägen, wessen Interessen letztlich überwiegen, die des Arbeitnehmers an einer weiteren Chance oder die des Arbeitgebers an der sofortigen Trennung:
"In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen anderen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG vom 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 17, BAGE 146, 303)."
(Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Januar 2015 – 1 Sa 407/14)
fristlose Kündigung - betriebsbedingte Kündigung
Eine betriebsbedingte fristlose Kündigung ist in der Praxis nicht denkbar. Zwar gibt es betriebsbedingte ausserordentliche Kündigungen, zB wenn "Unkündbare" bei einer Betriebsstilllegung gekündigt werden müssen:
"Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber in diesem Fall zwingend eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18 mwN)."
(BAG, Urteil vom 22. November 2012 – 2 AZR 673/11)
Diese ausserordentlichen Kündigungen dürfen also nur mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden sozialen Auslauffrist ausgesprochen werden. Auch wenn es dem Unternehmken noch so schlecht geht: Selbst der Insolvenzverwalter muss eine Kündigungsfrist einhalten.
fristlose Kündigung - personenbedingte Kündigung
Eine fristlose Kündigung kann auch aus personenbedingten Gründen erfolgen, zB. wenn der Arbeitnehmer aus in der Person liegenden Gründen seine Arbeit nicht mehr erbringen kann:
"Es ist allgemein anerkannt, dass der Verlust einer Fahrerlaubnis bei einem Kraftfahrer einen personenbedingten Grund zur Kündigung - und sogar einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung - darstellen kann (vgl. insbesondere BAG 30. Mai 1978 - 2 AZR 630/76 - BAGE 30, 309; 25. April 1996 - 2 AZR 74/95 - AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 18 EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 14; 31. Januar 1996 - 2 AZR 68/95 - BAGE 82, 139; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1207; KR-Griebeling 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 293) . Der Verlust des Führerscheins führt zu einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot. Ohne den Führerschein darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Straßenverkehr nicht weiter einsetzen. Der Arbeitnehmer kann seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als Kraftfahrer (bzw. KOM-Fahrer) nicht mehr erbringen. Sie ist ihm auf Grund des Verlustes der Fahrerlaubnis rechtlich unmöglich geworden."
(BAG, Urteil vom 05. Juni 2008 – 2 AZR 984/06)
Das gilt aber nur, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr anders eingesetzt werden kann.
Auch eine Überschuldung kann bei einer Vertrauensstellung in Ausnahmefällen zur fristlosen personenbedingten Kündigung führen:
"Schulden des Arbeitnehmers gehören zur privaten Lebensführung und sind für sich kein Kündigungsgrund. Dies gilt selbst für Arbeitnehmer, denen Vermögenswerte anvertraut sind. Die Überschuldung eines in einer Vertrauensstellung beschäftigten Arbeitnehmers kann unter Umständen aber dessen persönliche Ungeeignetheit begründen und damit eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen (KR-Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 459)."
(Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Mai 2014 – 2 Sa 523/13 –)
fristlose Kündigung - verhaltensbedingte Kündigung
Die meisten fristlosen Kündigungen werden aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen, also wegen angeblichen oder tatsächlichen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers. Voraussetzung für eine fristlose Kündigung ist regelmäßig, aber nicht ausnahmslos eine vorherige Abmahnung. Bei schweren Verstößen gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten oder wenn eine Abmahnung sinnlos wäre, kann auch ohne vorherige Abmahnung fristlos gekündigt werden.
fristlose Kündigung - Verdachtskündigung
Eine Verdachtskündigung
"Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 32 und 33, NZA 2013, 137) ist die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht "ultima ratio". Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen. Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden. Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Erhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln."
(Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. Juli 2014 – 2 Sa 425/13 –)
fristlose Kündigung - Beweislast
Die Beweislast dafür, dass der oder die Kündigungsgründe auch vorliegen, trägt der Arbeitgeber. Er muss auch Rechtfertigungsgründe des Arbeitnehmers widerlegen.
fristlose Kündigung - Begründung der Kündigung auf Verlangen
Normalerweise muss eine Kündigung nicht begründet werden; die Kündigungsgründe müssen erst beim Arbeitsgericht offengelegt werden, wenn das Kündigungsschutzgesetz gilt.
Bei der fristlosen Kündigung muss die Kündigung auf Verlangen des Arbeitnehmers unverzüglich schriftlich begründet werden, § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB.
fristlose Kündigung - Frist
Nach § 626 Abs. 2 BGB ist eine fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen seit Kenntnis vom Kündigungsgrund zulässig.
Die Frist beginnt mit Kenntnis der die Kündigung begründenden Tatsachen zu laufen. Notwendige Ermittlungen müssen zügig durchgeführt werden.
"Die Frist beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen zuverlässige Kenntnis erlangt, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Besitzt er Anhaltspunkte für einen Verdacht, der zur fristlosen Kündigung berechtigen kann, ist er gehalten, Ermittlungen anzustellen und den Betroffenen anzuhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Die Ermittlungen dürfen nicht hinausgezögert werden. Unmaßgeblich ist, ob sie etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben. Im Rahmen dessen, was ein verständig handelnder Arbeitgeber beachtet, kann der Sachverhalt durch erforderlich erscheinende Aufklärungsmaßnahmen vollständig geklärt werden. Sind die Ermittlungen abgeschlossen, beginnt die Ausschlussfrist (BAG 5. Dezember 2002 - 2 AZR 478/01 - AP BGB § 123 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 1, zu B I 3 c bb (1) der Gründe mwN) ."
(BAG, Urteil vom 28. November 2007 – 5 AZR 952/06)
fristlose Kündigung - Abmahnung
Eine fristlose Kündigung erfolgt meistens aus verhaltensbedingten Gründen. Deswegen ist regelmäßig einer vorherige Abmahnung notwendig.
Die Abmahnung ist ein milderes Mittel:
"Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Einer Abmahnung bedarf es auch in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 f.; 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18)."
(BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13 –)
Allerdings muss nicht immer eine Abmahnung erfolgen:
"Eine Abmahnung ist grundsätzlich erforderlich, um den Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv zu beeinflussen. Einer Abmahnung bedarf es allerdings dann nicht, wenn eine Vertragsänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 37 m. umf. w. N., BAGE 134, 349)."
(Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Januar 2015 – 1 Sa 407/14 –, Rn. 41, juris)
"Es hätte, wie auch das Arbeitsgericht bereits meinte, einer erfolglosen Abmahnung bedurft, bevor zum „schärfsten Schwert“ des Arbeitsrechts, der fristlosen Kündigung, gegriffen werden kann (§ 314 Abs. 2 BGB).
Im Bereich der ordentlichen Kündigung beruht die Rechtsgrundlage für das Abmahnungserfordernis im Kern auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; im Bereich der außerordentlichen Kündigung auf dem Gesetzestext selbst (§ 626 Abs. 1 BGB). Die Abmahnung hat gleichsam die Funktion einer „gelben Karte“, die den Arbeitnehmer vor der Erteilung der „roten Karte“ (Kündigung) anhalten soll, künftig wieder vertragsgerechte Leistungen zu erbringen und für den Fall der künftigen nicht vertragsgerechten Erfüllung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag Konsequenzen für Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses androht. Diesen Zweck kann die Abmahnung allerdings nur dann erfüllen, wenn es um ein steuerbares Fehlverhalten des Arbeitnehmers geht, das bisherige vertragswidrige Verhalten noch keine klare Negativprognose für die weitere Vertragsbeziehung zulässt und deswegen von der Möglichkeit einer künftigen vertragskonformen Erfüllung auszugehen ist (BAG vom 04. Juni 1997 – 2 AZR 526/96 -, NJW 1998, 554; KR-Fischermeier, 10. Auflage 2013, § 626 BGB Randziffer 262)."
(Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 18. März 2014 – 13 Sa 1207/13 –, Rn. 33)
Auch bei einer personenbedingten Kündigung kann eine vorherige Abmahnung erforderlich sein, wenn der Arbeitnehmer zB eine Erkrankung (nicht steurbar) durch ein bestimmtes Verhalten (Therapie) beseitigen kann.
"Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass auch bei personenbedingten Kündigungen, wie z. B. aus Krankheitsgründen, eine Abmahnung geboten ist, wenn der Arbeitnehmer den personenbedingten Kündigungsgrund durch steuerbares Verhalten beseitigen kann (BAG vom 04. Juni 1997, a. a. O.; BAG vom 15. August 1984, - 7 AZR 228/82 -, EzA § 1 KSchG Nr. 40; BAG vom 07. Dezember 2000, - 2 AZR 459/99 -, EzA § 1 KSchG personenbedingte Kündigung Nr. 15; KR-Fischermeier, a. a. O. Randziffer 259; KR-Griebeling, a.a.O., § 1 KSchG Randziffern 267 und 270). Dabei mag dahinstehen, ob dann überhaupt noch von einer personenbedingten oder nicht schon von einer verhaltensbedingten Kündigung gesprochen werden muss (so APS, Kündigungsrecht, 4. Auflage 2012, § 1 KSchG Randziffer 131) oder von einem Mischtatbestand (so Fischermeier und Griebeling, a.a.O.)."
(Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 18. März 2014 – 13 Sa 1207/13).
fristlose Kündigung - Betriebsrat
Der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung, d.h. auch vor jeder fristlosen Kündigung angehört werden. Ihm sind die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, er soll den Arbeitnehmer vor seiner Stellungnahme anhören. Für die Stellungnahme hat der Betriebsrat allerdings nur drei Tage Zeit.
§ 102 BetrVG Mitbestimmung bei Kündigungen
(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
(2) (...) Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(...)
(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.
(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.
"Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, das heißt der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich dem Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen (st. Rspr. s. BAG, Urteil vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 474/07 – AP Nr. 47 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2008 – 2 AZR 163/07 – AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste; BAG, Urteil vom 15. November 1995 – 2 AZR 974/94 – AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 1972 jeweils m. w. N.). Der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschung in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam. Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Es müssen dem Betriebsrat also nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die vom Arbeitgeber für die Kündigung als ausschlaggebend angesehenen Umstände mitgeteilt werden. Dagegen führt eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG, Urteil vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 474/07 – a. a. O. m. u. w. N.). Dem Betriebsrat müssen nicht diejenigen Tatsachen mitgeteilt werden, von denen er schon Kenntnis hat."
(Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Januar 2015 – 1 Sa 407/14)
fristlose Kündigung - Personalrat BPersVG
Auch im öffentlichen Dienst des Bundes ist die Arbeitnehmervertretung, der Personalrat, vor der Kündigung anzuhören. Dem Personalrat gegenüber muss die Kündigung begründet werden. Wird der Personalrat nicht oder nicht ordnungsgemäß angehört, ist die Kündigung unwirksam.
§ 79 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG)
(...)
(3) Vor fristlosen Entlassungen und außerordentlichen Kündigungen ist der Personalrat anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienststellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen schriftlich mitzuteilen.
(4) Eine Kündigung ist unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist.
"Nach § 79 Abs. 3 BPersVG ist vor fristlosen Entlassungen und außerordentlichen Kündigungen der Personalrat anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist (§ 79 Abs. 4 BPersVG). Die Unwirksamkeitsfolge tritt auch dann ein, wenn der Arbeitgeber den Personalrat nicht richtig beteiligt hat, insbesondere seiner Unterrichtungspflicht nicht ausführlich genug nachgekommen ist (BAG 16. Januar 2003 - 2 AZR 707/01 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 129 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 2, zu B I 1 der Gründe mwN) . Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Kündigung zu begründen und den für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalt anzugeben. Die Kennzeichnung des Sachverhalts muss so umfassend sein, dass der Personalrat ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt oder lediglich ein Werturteil abgibt, ohne die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen (vgl. BAG 5. Dezember 2002 - 2 AZR 697/01 - BAGE 104, 138, 151 f.)"
(BAG, Urteil vom 28. November 2007 – 5 AZR 952/06 –)
fristlose Kündigung - Personalrat PersVG NRW
Der Personalrat ist in NRW wie ein Betriebsrat vor der fristlosen Kündigng anzuhören:
"Gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 LPVG NW ist der Personalrat bei außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Hierbei sind nach § 74 Abs. 2 Satz 2 LPVG NW die Gründe, auf die sich die beabsichtigte Kündigung stützen soll, vollständig anzugeben. Es gelten die gleichen Anforderungen wie an eine Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46). Nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung ist der Personalrat ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Nach Sinn und Zweck der Anhörung darf der Arbeitgeber dem Personalrat allerdings solche persönlichen Umstände des Arbeitnehmers nicht vorenthalten, die er - der Arbeitgeber - zwar nicht berücksichtigt hat, die sich jedoch im Rahmen der Interessenabwägung entscheidend zugunsten des Arbeitnehmers auswirken könnten (vgl. BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B II 3 a der Gründe; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B II 3 a der Gründe)."
(BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13 –, Rn. 57, juris)