Zuletzt geändert am 23. Juli 2015 um 16:33


Sozialplan

Der Sozialplan dient in einem Betrieb mit Betriebsrat dem Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile von Arbeitnehmern durch eine Betriebsänderung, z.b. eine Betriebsschließung oder auch nur einem reinen Personalabbau. Die Voraussetzungen für einen Sozialplan sind in den §§ 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. Voraussetzung für einen Sozialplan sind danach

a) ein Betrieb mit Betriebsrat b) eine Betriebsänderung c) wirtschaftliche Nachteile

a) Ohne Betriebsrat kein Sozialplan. Dieser wird zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbart. Einigen sich Betriebsrat und Arbeitgeber nicht, entscheidet die Einigungsstelle unter Vorsitz einer Arbeitsrichterin oder eines Arbeitsrichters, auch über die finanzielle Ausstattung des Sozialplans. Ein Sozialplan ist daher oft erzwingbar, auch gegen den Willen des Unternehmens.

In neuerer Zeit werden aber öfter auch durch Gewerkschaften ein sogenannter Tarifsozialplan vereinbart. Diese beruhen auf dem Streikrecht der Gewerkschaften, eine gesetzliche Regelung gibt es ausser Art. 9 Abs. 3 GG nicht.

Seltener gewähren Arbeitgeber freiwillige Sozialpläne in betriebsratslosen Unternehmen, meist, um den Personalabbau sozialverträglich und möglichst ohne Kündigungsschutzklagen zu gestalten.

b)Als Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG gelten

1. Einschränkung und Stillegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen, 2. Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen, 3. Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben, 4. grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen, 5. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

c) In einem Sozialplan werden regelmäßig Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes vereinbart. Wirtschaftliche Nachteile durch eine Betriebsänderung können aber nicht nur durch Verlust den des Arbeitsplatzes, sondern auch bei Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhten Fahrtkosten bei Betriebsverlegung oder Versetzung eintreten.

Feste Regeln für die Höhe der Abfindung sieht das Gesetz nicht vor. Betriebsrat und Arbeitgeber haben einen großen Spielraum, wie die Abfindungsformeln gestaltet werden und ob und welche Zuschläge bei Kindern oder Schwerbehinderung im Sozialplan vorgesehen werden.

Die Abfindung in einem Sozialplan dient allein dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile einer wirksamen Kündigung. Sie dient nicht dazu, den Nachteil einer möglicherweise ungerechtfertigten Kündigung auszugleichen. Daher können betroffene Beschäftigte trotz Sozialplan die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage angreifen, wenn sie glauben, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt.

Neben dem Abfindungssozialplan und dem Tarifsozialplan unterscheidet man u.a. noch Transfersozialplan, Insolvenzsozialplan, Rahmensozialplan, Umzugssozialplan u.a. (siehe unter dem jeweiligen Stichwort).

Abfindungssozialplan

Die in einem Sozialplan vereinbarte Höhe der Abfindung schwankt zwischen 0,3 und in der Spitze 2,5 Gehältern pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Im Sozialplan wird in der Regel eine höhere Abfindung vereinbart als die Arbeitsgerichte seit jeher im Gütetermin nach der sog. Abfindungsformel (Faktor 0,5) anbieten und den seit einigen Jahren auch das Kündigungsschutzgesetz in § 1a KSchG vorsieht.

Umzugssozialplan

Auch bei einem Umzug des Betriebs oder Betriebsteils sind die den Arbeitnehmern entstehenden Nachteile (Mehrkilometer, erhöhte Kosten für ÖPNV, Zeitausgleich für längere Anreisezeiten, ggf. Umzugskosten) auszugleichen. Vorausetzung ist, dass eine Betriebsänderung vorliegt und damit eine entsprechende Zahl von Betroffenen. Einen Ausgleich erhalten nur Beschäftigte, die tatsächlich einen Nachteil haben. Nach der Rechtsprechung ist auch bei einem Umzug von wenigen Kilometern eine ausgleichspflichtige Betriebsänderung vorliegen. Lediglich ein Umzug auf einem Werksgelände oder "über die Straße" sind so unwesentlich, dass eine Betriebsänderung und damit auch ein Sozialplan nicht in Betracht kommt.

Häufig ist streitig, ob eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung bei einem Umzug vorliegt.

Der Betriebsrat kann bei Streit eine Einigungsstelle anrufen. Lehnt der Arbeitgeber dies ab, kann das Arbeitsgericht angerufen werden. Dieses setzt eine Einigungsstelle schon dann ein, wenn diese für einen Umzugssozialplan nicht "offensichtlich unzuständig" ist. Im Zweifel kommt so eine Einigungsstelle zustande, der es oft auch gelingt, den Streit endgültig und einvernehmlich beizulegen.

Muster eines Beschlusses des Arbeitsgerichts zur Einsetzung einer Einigungsstelle

Muster eines Umzugssozialplans

Transfersozialplan

Bei einem Transfersozialplan, der mit Leistungen der Arbeitsagentur gefördert wird, geht es anders als in einem Abfindungssozialplan nicht um Entlassung, sondern die Qualifizierung der Beschäftigten auch über die Kündigungsfrist hinaus.

Näheres finden Sie im Rechtslexikon unter dem Stichwort "Transfersozialplan" [1]

Insolvenzsozialplan - Sozialplan in der Insolvenz

Für den Sozialplan in der Insolvenz eines Unternehmens sieht das Gesetz Einschränkungen im Hinblick auf die mangelhafte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens vor.

Insolvenzordnung § 123 Umfang des Sozialplans (1) In einem Sozialplan, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wird, kann für den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten (§ 10 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes) der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden.

(2) 1Die Verbindlichkeiten aus einem solchen Sozialplan sind Masseverbindlichkeiten. 2Jedoch darf, wenn nicht ein Insolvenzplan zustande kommt, für die Berichtigung von Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. 3Übersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen diese Grenze, so sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen.

(3) 1Sooft hinreichende Barmittel in der Masse vorhanden sind, soll der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen auf die Sozialplanforderungen leisten. 2Eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung ist unzulässig.

Der Insolvenzverwalter kann auch einen Sozialplan, der in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung der Insolvenz vereinbart wurde, widerrufen.

Insolvenzordnung § 124 Sozialplan vor Verfahrenseröffnung (1) Ein Sozialplan, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedoch nicht früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag aufgestellt worden ist, kann sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Betriebsrat widerrufen werden. (2) Wird der Sozialplan widerrufen, so können die Arbeitnehmer, denen Forderungen aus dem Sozialplan zustanden, bei der Aufstellung eines Sozialplans im Insolvenzverfahren berücksichtigt werden. (3) 1Leistungen, die ein Arbeitnehmer vor der Eröffnung des Verfahrens auf seine Forderung aus dem widerrufenen Sozialplan erhalten hat, können nicht wegen des Widerrufs zurückgefordert werden. 2Bei der Aufstellung eines neuen Sozialplans sind derartige Leistungen an einen von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer bei der Berechnung des Gesamtbetrags der Sozialplanforderungen nach § 123 Abs. 1 bis zur Höhe von zweieinhalb Monatsverdiensten abzusetzen.

Rahmensozialplan

Von einem Rahmensozialplan spricht man, wenn der Sozialplan nicht nur für eine bestimmte Betriebsänderung bzw. einen bestimmten Interessenausgleich gelten soll, sondern darüberhinaus für andere Maßnahmen. Oft hat der Rahmensozialplan eine bestimmte Laufzeit und gilt für alle betriebsbedingten Kündigungen in diesem Zeitraum.

freiwilliger Sozialplan

Ein freiwilliger Sozialplan kann vorbeugend als Rahmensozialplan geschlossen werden oder als Sozialplan für eine bestimmte Maßnahme, die zu Entlassungen führt, aber die gesetzlichen Voraussetzungen für einen erzwingbaren Sozialplan nach § 112a BetrVG nicht erfüllt.

§ 112a Erzwingbarer Sozialplan bei Personalabbau, Neugründungen

(1) Besteht eine geplante Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 allein in der Entlassung von Arbeitnehmern, so findet § 112 Abs. 4 und 5 nur Anwendung, wenn

1. in Betrieben mit in der Regel weniger als 60 Arbeitnehmern 20 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, aber mindestens 6 Arbeitnehmer, 2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 250 Arbeitnehmern 20 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder mindestens 37 Arbeitnehmer, 3. in Betrieben mit in der Regel mindestens 250 und weniger als 500 Arbeitnehmern 15 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder mindestens 60 Arbeitnehmer, 4. in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, aber mindestens 60 Arbeitnehmer

aus betriebsbedingten Gründen entlassen werden sollen. Als Entlassung gilt auch das vom Arbeitgeber aus Gründen der Betriebsänderung veranlasste Ausscheiden von Arbeitnehmern auf Grund von Aufhebungsverträgen.

(2) § 112 Abs. 4 und 5 findet keine Anwendung auf Betriebe eines Unternehmens in den ersten vier Jahren nach seiner Gründung. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung dem Finanzamt mitzuteilen ist.

Liegen die Voraussetzungen des § 112a BetrVG nicht vor, kann ein freiwilliger Sozialplan abgeschlossen werden. Der Betriebsrat ist dann aber auf das reine Wohlwollen des Unternehmens angewiesen.

Sozialplan - gesetzliche Regelung

§ 112 Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1. Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.

2. Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.

2a. Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.

3. Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

§ 112a Erzwingbarer Sozialplan bei Personalabbau, Neugründungen

(1) Besteht eine geplante Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 allein in der Entlassung von Arbeitnehmern, so findet § 112 Abs. 4 und 5 nur Anwendung, wenn

1. in Betrieben mit in der Regel weniger als 60 Arbeitnehmern 20 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, aber mindestens 6 Arbeitnehmer,

2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 250 Arbeitnehmern 20 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder mindestens 37 Arbeitnehmer,

3. in Betrieben mit in der Regel mindestens 250 und weniger als 500 Arbeitnehmern 15 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder mindestens 60 Arbeitnehmer,

4. in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, aber mindestens 60 Arbeitnehmer

aus betriebsbedingten Gründen entlassen werden sollen. Als Entlassung gilt auch das vom Arbeitgeber aus Gründen der Betriebsänderung veranlasste Ausscheiden von Arbeitnehmern auf Grund von Aufhebungsverträgen.

(2) § 112 Abs. 4 und 5 findet keine Anwendung auf Betriebe eines Unternehmens in den ersten vier Jahren nach seiner Gründung. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung dem Finanzamt mitzuteilen ist.

Sozialplanverhandlungen

Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt

Ein Rechtsanwalt kann den Betriebsrat beraten, aussergerichtlich und auch vor Gericht und in der Einigungsstelle vertreten oder als Beisitzer in der Einigungsstelle unterstützen. Die Kosten hat bei Erforderlichkeit der Arbeitgeber nach § 40 BetrVG zu tragen; die Tätigkeit und Vergütung als Beisitzer in der Einigungsstelle ist gesetzlich geregelt (7/10 des Honorars des Vorsitzenden).

Ob ein Rechtsanwalt als Sachverständiger im Sinne des § 111 BetrVG in Frage kommt, ist - entgegen der betriebsverfassungsrechtlichen Praxis - in der Rechtsprechung nicht unumstritten.

"Sachverständige sind Personen, die dem Betriebsrat die ihm fehlenden fachlichen oder rechtlichen Kenntnisse vermitteln, damit sich die Zusammenarbeit im Rahmen der Betriebsverfassung mit dem Arbeitgeber sachgemäß vollzieht (BAG vom 13.9.1977 – 1 ABR 67/75 – = (demnächst) AP Nr. 1 zu § 42 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt; ebenso Fitting- Auffarth-Kaiser, BetrVG, 12. Aufl., § 80 Anm. 25; Dietz-Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 80, Anm. 44; Brill, DB 1977, 2139 (2141)). (...) Wie jeder andere Sachverständige vermittelt auch der Rechtsanwalt dem Betriebsrat fehlende (fachliche) Kenntnisse."

so das Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.04.1978 Aktenzeichen: 6 ABR 9/75, JURIS

Jedenfalls dann, wenn bei Verhandlungen über einen Interessenausgleich bezüglich der Betriebsänderung rechtlich schwierige Fragen aufwirt, kann auch ein Rechtsanwalt - jedenfalls bei Hinzuziehung nach § 111 BetrVG - gegen den Willen des Arbeitgebers als Sachverständiger hinzugezogen werden.

"Selbst wenn man davon ausgeht, dass wegen der funktionalen Ausrichtung der Beratung im Rahmen des § 111 S. 2 BetrVG auf die geplante Betriebsänderung eine rechtliche Beratung regelmäßig nicht vom Zweck der Norm gedeckt sei sollte, so dass Angehörige der rechtsberatende Berufe zumeist als Berater i. S. d. § 111 BetrVG ausscheiden, weil bei Ihnen Fachkompetenz in personalwirtschaftlicher, arbeitswissenschaftlicher oder technischer Hinsicht eher selten ist, besteht aber jedenfalls dann die Notwendigkeit einer Ausnahme, wenn die geplante Betriebsänderung - auch - schwierige rechtliche Fragestellungen aufwirft. Dies ist mit dem Arbeitsgericht vorliegend zu bejahen. Denn die Verlagerung des Betriebs B-Stadt nach A-Stadt ist mit zahlreichen arbeitsrechtlichen Zweifelsfragen verbunden, die folglich auch die Beteiligung des Betriebsrats erfordern (vgl. §§ 99 ff., 102 ff. BetrVG, § 15 KSchG, § 103 BetrVG). All diese Umstände waren auch bereits bei den Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs zu berücksichtigen. Im übrigen verfügte der Beschwerdegegner nicht über die erforderliche Sachkunde und Rechtskenntnis für die Verhandlung über einen Interessenausgleich für eine derart komplizierte Materie; Rechtsrat war erforderlich."

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.11.2011 Aktenzeichen: 7 TaBV 23/11, JURIS

"Auf die Hinzuziehung bestimmter vom Arbeitgeber benannter Personen, z. B. einen Gewerkschaftsbeauftragten, brauchte sich der Gesamtbetriebrat in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht verweisen zu lassen (Annuß, NZA 2001, 367, 369; Richardi/Annuß, a.a.O., § 111 Rz. 53; GK-BetrVG/Oetker, 9. Aufl. § 111 Rz. 153; Fitting, a.a.O., § 111 Rz. 120 m.w.N.)."

Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluß vom 17.03.2011 Aktenzeichen: 9 TaBV 59/10, JURIS

Bei einer Hinzuziehung eines Anwalts zu Sozialplanverhandlungen ist allerdings die Regelung des § 80 Abs. 3 BetrVG einschlägig. Die Hinzuziehung bedarf einer vorherigen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, die bei Verweigerung durch ein Arbeitsgericht ersetzt werden kann.

Der Anwalt kann dabei nur als Berater, nicht als Verhandlungsführer oder anwaltlicher Vertreter des Betriebsrats tätig werden (was auch im Hinzuziehungsbeschluß richtig ausfornmuliert werden muß):

"Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Betriebsrat als Sachverständiger zur Verhandlung und erst recht zum Abschluß eines Interessenausgleichs bzw. Sozialplans ist rechtlich nicht möglich. Der Sachverständige hat die fehlende Sachkunde des Betriebsrats zu ersetzen, ihn also zu beraten. Eine solche Beratung ist zwar auch noch im Stadium der Sozialplanverhandlungen und des Sozialplanabschlusses möglich. Auch dann aber vollzieht sie sich lediglich in der Weise, daß der Sachverständige gegenüber dem Betriebsrat dessen jeweilige Wissenslücke auffüllt. Gegenüber dem Arbeitgeber tritt er als Sachverständiger des Betriebsrats nicht in Erscheinung; jedenfalls führt er für den Betriebsrat keine Verhandlungen mit dem Arbeitgeber und ist auch am Abschluß des Sozialplans nicht beteiligt. Soweit er dennoch in dieser Weise tätig wird, tut er dies als Vertreter des Betriebsrats und nicht als Sachverständiger. Im Falle des Einverständnisses des Arbeitgebers mit der Hinzuziehung des Sachverständigen mag dies für seine Kostentragungspflicht unerheblich sein, sofern der Arbeitgeber die Überschreitung des Sachverständigenamtes duldet bzw. sich auf Verhandlungen mit ihm einläßt."

Bundesarbeitsgericht, Beschluß vom 13.05.1998 Aktenzeichen: 7 ABR 65/96, JURIS

Nur die Hinzuziehung eines Anwalts als Sachverständiger bei der Betriebsänderung und den Verhandlungen über einen Interessenausgleich ist nach § 111 BetrVG ohne vorherige Zustimmung (Vereinbarung) des Arbeitgebers möglich.

Einem in Sozialplanverhandlungen erfahrenen Anwalt gelingt es aber im Regelfall, mit dem Arbeitgeber zu einer einvernehmlichen Hinzuziehung des Anwalts zu dem gesamten Themenkomplex (Betriebsänderung/Interessenausgleich/Sozialplan) zu kommen. Die Gründe dafür liegen im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, komplexen strategischen Überlegungen ("kleineres Übel") und sind ein Betriebsgeheimnis des mit Sozialplanverhandlungen erfahrenen Anwalts;-)

Hinzuziehung von Sachverständigen

Nach § 111 Satz 2 BetrVG kann der Betriebsrat "in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt."

Es ist kein Kinderspiel, rechtswirksam einen Sachverständigen als Berater des Betriebsrats hinzuziehen.

Zwar "bedarf die Hinzuziehung des Beraters anders als im Rahmen des § 80 Abs. 3 BetrVG gerade keiner vorhergehenden Vereinbarung des Betriebsrats mit dem Arbeitgeber (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, BT-Drucks. 14/5741, S. 52; BAG, Beschluss vom 11. November 2009, AP Nr. 23 zu § 20 BetrVG 1972 Rn. 30; Annuß in Richardi aaO § 111 Rn. 52).", so der Bundesgerichtshof im Urteil vom 25.10.2012 Aktenzeichen: III ZR 266/11.

Das gilt allerdings nur für die Beratung bei der Betriebsänderung (und dem Interessenausgleich), nicht bei Sozialplanverhandlungen:

"die Hinzuziehung von Sachverständigen zu Sozialplanverhandlungen >erfordert< gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber"

so Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 07.11.2011 Aktenzeichen: 7 TaBV 29/11, JURIS.

Deshalb muss der Beschluss des Betriebsrats bei einer ohne Zustimmung des Arbeitgebers möglichen Hinzuziehung auch ausdrücklich die Hinzuziehung als Sachverständigen zur Beratung bei "Betriebsänderung und Interessenausgleich" vorsehen. Will der Betriebsrat den Sachverständigen auch zu den Sozialplanverhandlungen hinzuziehen, erfordert dies eine Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 BetrVG (bei Hinzuziehung eines Anwaltes ist aber die Vergütungshöhe im RVG geregelt).

§ 80 Abs. 3 BetrVG sieht vor:

"Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist."

Ein etwaiger fehlender Sachverstand im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG kann notfall in der Einigungsstelle geklärt werden (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 26.07.2004 - 10 TaBV 64/04 - AuA 2005, 312; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19.04.2005 - 5 Ta 18/05 - ). Die Einigungsstelle kann die Hinzuziehung eines Sachverständigen anordnen, ohne auf eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nach § 80 Abs. 3 BetrVG angewiesen zu sein (Fitting, a.a.O., § 76 Rz. 44; DKK/Berg, a.a.O., § 76 Rz. 68; Richardi, a.a.O., § 76 Rz. 91). Sie entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob die Einholung weiteren Sachverstands erforderlich ist.

Der Betriebsrat kann in dringenden Fällen die fehlende Zustimmung des Arbeitgebers nach § 80 Abs. 3 BetrVG zur Hinzuziehung eines Sachverständigen auch im einstweiligen Verfügungsverfahren ersetzen lassen (vgl. LArbG Köln vom 05.03.1986, 5 TaBV 4/86 sowie LArbG Hamm vom 15.03.1994, 13 TaBV 16/94).

Wird der Sachverständige nach § 111 BetrVG hinzugezogen, gilt:

"Die Entscheidung, ob ein Berater hinzugezogen wird, obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Betriebsrats und erfolgt durch Beschluss. Eine Vereinbarung mit dem Unternehmer ist nicht erforderlich, im Hinblick auf die Kostentragung aber zweckmäßig. Im Rahmen der Ermessensentscheidung muss der Betriebsrat berücksichtigen, ob die Hinzuziehung eines Beraters erforderlich ist. Das hängt zu einen davon ab, ob zu erwarten ist, dass der Berater unter Berücksichtigung der beim Betriebsrat schon vorhandenen Kenntnisse und Qualifikationen dem Betriebsrat zusätzliche Kenntnisse vermitteln kann. Zum anderen ist der Betriebsrat auch verpflichtet, zu prüfen, ob andere, kostengünstigere Möglichkeiten zur Verschaffung der erforderlichen Kenntnisse zur Verfügung stehen. Allerdings kann der Betriebsrat nicht generell darauf verwiesen werden, es stünden im ausreichenden Maße betriebs- oder unternehmensinterne Berater zur Verfügung, denn die Hinzuziehung eines externen Beraters ist der vom Gesetzgeber gewollte Regelfall (Dörner/ Luczak/ Wildschütz, a. a. O., S. 2927). Im maßgeblichen Betriebsratsbeschluss ist der Berater namentliche zu bezeichnen; die Frage der Erforderlichkeit ist vom Zeitpunkt des Beschlusses aus zu beurteilen. Eine rückwirkende Beschlussfassung scheidet deshalb aus. Im Rahmen eines ordnungsgemäßen Beschlusses des Betriebsrats hat der Arbeitgeber die Kosten der Hinzuziehung eines Beraters nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen und den Betriebsrat von der Honorarverpflichtung gegenüber dem Berater freizustellen. Die Erforderlichkeit der Heranziehung des Beraters und einer mit diesem geschlossenen Honorarvereinbarung unterliegen der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Hinzuziehung sowie eine erteilte Honorarzusage unter den konkreten Umständen des Einzelfalles der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben diente und der Betriebsrat neben den Interessen der Belegschaft auch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, insbesondere an der Begrenzung der Kosten (Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der Beratertätigkeit im Verhältnis zur Komplexität der Betriebsänderung) berücksichtigt hat. Bestehen gesetzliche Regelungen für die Vergütung eines Beraters, sind diese maßgebend. Eine Honorarzusage, die zu einer höheren als der der gesetzlichen Gebührenordnung entsprechenden Vergütung führt, insbesondere auch die Vereinbarung eine Zeithonorars, darf der Betriebsrat regelmäßig nicht für erforderlich halten. Ausnahmefälle können allerdings abweichende Vereinbarungen rechtfertigen (vgl. Dörner/ Luczak/ Wildschütz, a. a. O., S. 2928). (...) Unschädlich ist, dass der Betriebsrat keine Regelung zur Vergütungshöhe trifft. Denn die Vergütungshöhe ergibt sich mangels einer gesetzlichen Vergütungsordnung, die vorliegend eingreifen könnte, entweder aus einer Vergütungsvereinbarung oder aus § 612 Abs. 2 BGB bzw. § 632 Abs. 2 BGB. Folglich bedarf es einer Regelung der Vergütungshöhe durch Betriebsratsbeschluss nur noch, wenn diese in dem Vertrag mit dem Berater festgelegt werden sollte. Anhaltspunkte dafür bestehen dafür vorliegend nicht. Ein schriftlicher Beratervertrag des Beschwerdegegners mit der Beraterin wurde nicht vorgelegt.", so Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 07.11.2011 Aktenzeichen: 7 TaBV 29/11, JURIS.

Bei Anwälten ergibt sich auch bei einer Hinzuziehung nach § 111 BetrVG (Betriebsänderung/Interessenausgleich) die Vergütung im Zweifel aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Für den Arbeitgeber ist es wegen der hohen Streitwerte häufig aber sinnvoll und wirtschaftlicher, wenn ein Stundensatz vereinbart wird. Damit kann der Betriebsrat verhandeln, wenn es um die Erstreckung des Mandates auch auf den Sozialplan geht (siehe dazu unter Tipps).

Die Vereinbarung über die Hinzuziehung ist aber "nur insoweit wirksam, als sie Leistungen der Klägerin und eine Vergütungshöhe bestimmt, die dem Aufwand entsprechen, den der Betriebsrat im Interesse des Betriebs und seiner Belegschaft unter Berücksichtigung der Belange des Arbeitgebers im Zeitpunkt seiner Verursachung (ex ante) für erforderlich halten durfte." so der Bundesgerichtshof im Urteil vom 25.10.2012 Aktenzeichen: III ZR 266/11.

Der Bundesgerichtshof hat sogar entschieden, dass eine fehlerhafte Hinzuziehung eine Haftung des Betriebsrats für das erhebliche Beraterhonorar (im Streitfall 86.762,90 Euro) nach sich ziehen kann:

"Betriebsratsmitglieder, die als Vertreter des Betriebsrats mit einem Beratungsunternehmen eine Beratung vereinbaren, die zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats gemäß § 111 BetrVG nicht erforderlich ist, können gegenüber dem Beratungsunternehmen - vorbehaltlich der Bestimmungen in § 179 Abs. 2 und 3 BGB - entsprechend § 179 BGB haften, soweit ein Vertrag zwischen dem Beratungsunternehmen und dem Betriebsrat nicht wirksam zustande gekommen ist."

so BGH Urteil vom 25.10.2012 Aktenzeichen: III ZR 266/11, zitiert nach JURIS

Vorraussetzung für eine wirksame Hinzuziehung ist

a) ein rechtswirksamer Betriebsratsbeschluß (vgl. dazu den Fachaufsatz von Rechtsanwalt Felser in der Zeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb "Beschlußfassung leicht gemacht") und den Blogbeitrag von RA Felser zur Beschlußfassung[2]

b) die Erforderlichkeit der Hinzuziehung; eine häufig sehr schwierig zu beantwortende Frage.

c) die saubere Trennung der Hinzuziehung zu Betriebsänderung/Interessenausgleich einerseits (§ 111 BetrVG ohne Zustimmung des Arbeitgebers) und zu Sozialplanverhandlungen (§ 80 Abs.3 BetrVG nach vorheriger Vereinbarung mit dem Arbeitgeber) oder als Alternative eine einvernehmliche Übereinkunft mit dem Arbeitgeber, die in der Praxis gar nicht so selten vorkommt, selbst wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat ein bisschen wegen der Betriebsänderung streiten.

Ein Betriebsrat ist gerade dann, wenn der Arbeitgeber sich gegen einen Sozialplan und/oder eine Hinzuziehung eines Sachverständigen sträubt, im eigenen Interesse gut beraten, einen mit Sozialplänen erfahrenen Anwalt zur Beratung aufzusuchen. Dieser wird eine verbindliche Regelung seiner Hinzuziehung erreichen und dafür auch einstehen, so dass der Betriebsrat keine Haftung befürchten muss.

Bevor ich es vergesse: "Auf die Hinzuziehung bestimmter vom Arbeitgeber benannter Personen, z. B. einen Gewerkschaftsbeauftragten, brauchte sich der Gesamtbetriebrat in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht verweisen zu lassen (Annuß, NZA 2001, 367, 369; Richardi/Annuß, a.a.O., § 111 Rz. 53; GK-BetrVG/Oetker, 9. Aufl. § 111 Rz. 153; Fitting, a.a.O., § 111 Rz. 120 m.w.N.)."

Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluß vom 17.03.2011 Aktenzeichen: 9 TaBV 59/10, JURIS

Sozialplan - Einigungsstelle

Oft scheitern die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, weil eine Einigung über ein Sozialplanvolumen oder über einzelne Regelungen des Sozialplans nicht erzielt werden kann. Dann können beide Seiten die Einigungsstelle anrufen, die mit dem Ziel tätig wird, eine einvernehmliche Lösung zu finden, aber im Nichteinigungsfall auch selbst über Volumen und Inhalte des Sozialplans entscheiden kann.

Sozialplan - Muster

Sozialplan - Achtung Fristen

Auch Forderungen aus Sozialplänen unterliegen der normalen Verjährungsfrist von drei Jahren (zum 31.12.). Wird eine Sozialplanabfindung zum 30.6.2009 fällig, verjährt der Anspruch zum 31.12.2012. Die Verjährung kann nur durch Klage unterbrochen werden.

Wie gewonnen, so zerronnen: Forderungen aus einem Sozialplan (z.B. die Abfindung) können aber schon wesentlich früher auch durch arbeitsvertragliche Ausschlussfristen oder tarifliche Fristen verfallen. Diese sehen häufig eine sechsmonatige, manchman sogar eine nur dreimonatige Frist zur Geltendmachung vor. Danach verfällt der Anspruch.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist bei einem Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan unter Umständen sogar eine einmonatige tarifliche Ausschlussfrist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beachten (BAG vom 22.09.2009 Aktenzeichen 1 AZR 635/08).

Wird der Anspruch gegenüber dem falschen Unternehmen geltend gemacht (was bei Konzernen schnell passieren kann), verfällt der Anspruch gegen den richtigen Abfindungsschulnder (LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 13.09.2012 Aktenzeichen: 10 Sa 190/12).

Sozialplan - Streitwert

Zu unterscheiden sind die Streitwerte wegen "Betriebsänderung/Interessenausgleich" bei Hinzuziehung nach § 111 BetrVG und wegen "Sozialplan" nach Hinzuziehung im Wege des § 80 Abs. 3 BetrVG (nach vorheriger näherer Vereinbarung).

Wird der Anwalt nach § 111 BetrVG zur Beratung wegen "Betriebsänderung und Interessenausgleich" hinzugezogen, steht ihm ein gesetzliches Honorar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zu:

"Die Honorarhöhe richtet sich nach den gesetzlichen Gebührenregelungen. Die Geschäftsgebühr nach VV RVG beträgt 1,6. Die Hinzuziehungsbefugnis bezieht sich nur auf die Beratung der Betriebsänderung nach § 111 Satz 1 BetrVG. Sie erstreckt sich nicht auf die Sozialplanverhandlungen. Aufgrund des Ziels der Beratung – Erfassung der Betriebsänderung und Entwicklung beschäftigungssichernder Alternativen – ist das Recht auf Hinzuziehung eines Beraters auf den Interessenausgleich im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG beschränkt (Fitting BetrVG 24. Aufl. § 111 Rz. 119; GK-BetrVG/Oetker, 8. Aufl., § 111 Rz. 162; Richardi-Annuß BetrVG 11. Aufl., § 111 Rz. 52; a.A. DKK/Däubler, 11. Aufl., § 111 Rz. 135 g). Der Beteiligte zu 1) kann nach VV RVG 2300 eine Gebühr von mehr als 1,3 fordern, weil die Tätigkeit umfangreich und schwierig war. Die Höhe der Gebühr bestimmt sich gemäß § 14 RVG u.a. nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der Bedeutung der Angelegenheit. Eine Tätigkeit ist in der Regel als umfangreich und schwierig anzusehen, wenn sie über kurze Mitteilungen und die bloße Informationsbeschaffung hinausgeht und insbesondere bei Besprechungen mit der Gegenseite, bei denen es zum Austausch widerstreitender Interessen kommt (Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 18. Aufl., 2300, 2301 VV Rz. 28). Hier hat der Beteiligte zu 1) rund 10 Stunden beratend an zwei Verhandlungen mit Vorbesprechungen teilgenommen und den Schriftverkehr geführt. Verhandlungen mit der Gegenseite über fünf und über acht Stunden gehen deutlich über die Voraussetzungen der Kappungsgrenze von 1,3 hinaus."

Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluß vom 18.11.2009 Aktenzeichen: 9 TaBV 39/09, JURIS

Zum Streitwert hat sich das Hessische Landesarbeitsgericht ebenfalls geäussert:

" Die Geschäftsgebühr berechnet sich aus einem Gegenstandswert von EUR 52.000. Für die Auseinandersetzung um die Beteiligungsrechte ist je zwanzig betroffene Arbeitnehmer einmal der Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG festzusetzen (an die betroffene Arbeitnehmerzahl anknüpfend ebenso Hess. LAG, Beschlüsse vom 11. Febr. 2004 – 5 Ta 510/03 –, vom 20. Nov. 2003 – 5 Ta 399/03 – und vom 20. Nov. 2000 – 5 Ta 392/00 -). Bei dem Streit um die Beteiligungsrechte der §§ 111, 112 BetrVG handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit gemäß § 23 RVG, da der Betriebsrat insoweit keinen prozessualen Anspruch verfolgt, der auf Geld oder geldwerte Gegenstände gerichtet ist. Für solche Gegenstände ist gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der Wert auf EUR 4.000, nach Lage des Falles auch niedriger oder höher festzusetzen. Dies wird durch die Bedeutung, den Umfang und den Schwierigkeitsgrad der Sache bestimmt. Bei dem Streit um die Beteiligungsrechte nach § 87 BetrVG kennzeichnen die mittelbaren wirtschaftlichen Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Bedeutung der streitigen Angelegenheit. Die Zahl der von der Regelung betroffenen Arbeitnehmer beläuft sich auf etwa 250. Diese waren durch den verhandelten Interessenausgleich nicht im Sinne von Einzelfallregelungen individuell betroffen. Der Interessenausgleich galt für alle Arbeitnehmer völlig gleichförmig. Die Feststellung der Betriebsänderung ist hinsichtlich der einzelnen betroffenen Arbeitnehmer nicht so intensiv, dass je Arbeitnehmer einmal der Wert von EUR 4.000 festzusetzen ist, eine Festsetzung auf 1/20 dieses Wertes für jeden durch die Betriebsvereinbarung betroffenen Arbeitnehmer erscheint der Bedeutung der Angelegenheit jedoch gerecht zu werden.

Eine 1,6 Gebühr aus einem Wert von EUR 52.000,- beträgt EUR 1.796,80. Hinzu kommen die Auslagenpauschale gemäß VV RVG 7200 in Höhe von EUR 20,- und 19 % Mehrwertsteuer in Höhe von EUR 345,19, insgesamt mithin EUR 2161,99."

Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluß vom 18.11.2009 Aktenzeichen: 9 TaBV 39/09, JURIS

Wird der Rechtsanwalt - grundsätzlich nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, die unter engen Umständen auch "konkludent" zustandekommen kann - auch als Berater des Betriebsrats bei den Sozialplanverhandlungen tätig, kann diese Tätigkeit separat nach dem RVG abgerechnet werden oder nach Stundensatz, wenn dies mit dem Arbeitgeber vereinbart wurde (was für das Unternehmen meistens günstiger ist).

"Grundlage des Vergütungsanspruchs für die Beratungsleistungen (bei einem Sozialplan, der Verfasser) kann nur eine Vereinbarung zwischen Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG sein. Ein Rechtsanwalt, der vom Betriebsrat zur Beratung hinzugezogen wird, wird als Sachverständiger im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG tätig. Die dabei entstehenden Kosten sind nur unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 BetrVG erstattungsfähig (BAG Beschluss vom 11. Nov. 2009 – 7 ABR 26/08 – EzA § 89 BetrVG 2001 Nr. 11; Hess. LAG Beschluss vom 17. Juni 2004 – 9/4/2 TaBV 4/04 – FA 2004, 305 = Juris; Richardi-Thüsing BetrVG 12. Aufl. jeweils mit weiteren Nachw.). Verweigert der Arbeitgeber eine solche Vereinbarung, kann der Betriebsrat die fehlende Zustimmung des Arbeitgebers durch eine arbeitsgerichtliche Entscheidung ersetzen lassen, die auch im Eilverfahren ergehen kann.

Eine Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 BetrVG ist weder ausdrücklich noch konkludent zustande gekommen. Eine konkludente Vereinbarung ist zwar möglich, insbesondere, wenn der Rechtsanwalt über zehn Sitzungen an den Verhandlungen teilnimmt, ohne dass der Arbeitgeber dies beanstandet."

FUNDSTELLE

Eine Vergleichsgebühr für erfolgreiche "Verhandlungen" kann nicht verlangt werden, weil dies ein unzulässiges Erfolgshonorar darstellen würde (BGH, Urteil vom 23.04.2009 Aktenzeichen: IX ZR 167/07). Unabhängig davon stellt der Abschluß eines Sozialplans keinen Vergleich im Sinne des § 779 BGB und des RVG dar (BAG vom 13.05.1998 Aktenzeichen 7 ABR 65/96).

Wird der Anwalt vor der Einigungsstelle als Verfahrensbevollmächtigter (nicht: als Beisitzer) für den Betriebsrat tätig, erhält er ein Honorar nach § 65 BRAGO bzw. der Nachfolgevorschrift im RVG (Streitwert ist die Differenz der Forderungen beim Sozialplanvolumen):

"Die Höhe des anwaltlichen Honorars ist aus § 65 BRAGO zu ermitteln (BAGE 36, 315, 323 = AP Nr. 9 zu § 76 BetrVG 1972, zu II 5 a der Gründe). Danach erhält der Anwalt eine volle Gebühr in Verfahren vor sonstigen gesetzlichen Einigungsstellen, die sich bei einer Einigung der Parteien um eine weitere Gebühr erhöht (§ 65 Abs. 1 Nr. 4, § 65 Abs. 2 BRAGO). Die Ermittlung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit im Einigungsstellenverfahren erfolgt nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO. Ist zwischen den Betriebsparteien das Volumen eines Sozialplans umstritten und verhandeln die Betriebsparteien ausschließlich hierüber, errechnet sich der Gegenstandswert nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO aus der Differenz des jeweils vorgeschlagenen Sozialplanvolumens."

BAG, Beschluß vom 14.02.1996 Aktenzeichen 7 ABR 25/95, JURIS

Der Betriebsrat kann dem als Verfahrensbevollmächtigten vor der Einigungsstelle auftretenden Anwalt aber auch alternativ ein Honorar in der Höhe des Honorars der externen Beisitzer zusagen:

"Eine Ermittlung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit bereitet in Einigungsstellenverfahren, bei denen es nicht um bestimmte finanzielle Forderungen (wie z. B. bei einem Sozialplan) geht, in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten. Der in § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO enthaltene Regelstreitwert in der hier maßgeblichen Höhe von 4.000,-- DM wird in der Regel nicht dem Arbeitsaufwand gerecht, den ein Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigter des Betriebsrats vor der Einigungsstelle erbringen muß. Maßstäbe zur wertmäßigen Konkretisierung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit vor einer Einigungsstelle sind in der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte nicht enthalten. Dies führt in der gerichtlichen Praxis oft zu unterschiedlichen Wertfestsetzungen. Sowohl für den Rechtsanwalt als auch für den Betriebsrat ist daher in den Fällen der vorliegenden Art nicht abzusehen, wie hoch letztlich ein Gericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit bemessen wird. Bei einem nicht bezifferbaren Gegenstandswert ist daher der Betriebsrat berechtigt, unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Arbeitsaufwands sowie des Schwierigkeitsgrads der anstehenden Regelungsmaterie im Rahmen billigen Ermessens eine Streitwertvereinbarung mit seinem Verfahrensbevollmächtigten vor der Einigungsstelle zu treffen. Stattdessen kann er auch mit seinem Verfahrensbevollmächtigten die Zahlung eines Honorars in Höhe der einem betriebsfremden Beisitzer zu zahlenden Vergütung vereinbaren. Ein Honorar in dieser Höhe wird in der Regel angemessen sein, da die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigter des Betriebsrats vor der Einigungsstelle zumindest einen vergleichbaren, oft einen größeren Arbeitsaufwand erfordert."

BAG, Beschluß vom 21.06.1989 Aktenzeichen: 7 ABR 78/87

Sozialplan - Urteile

Sozialplan - Checkliste

Noch in Arbeit ... Work in Progress ...

(1) Arbeiten Sie in einem Betrieb mit Betriebsrat? Ja, dann weiterlesen. Nein, dann gibt es keinen Sozialplan.

(2) Entstehen ihnen durch die unternehmerischen Pläne möglicherweise wirtschaftliche Nachteile?

Ja, dann weiterlesen. Nein, dann gibt es keinen Sozialplan.

(3) Betriebsänderung?

Ja, dann weiterlesen. Nein, dann gibt es keinen Sozialplan.

Sozialplan-Check

Umfangreicher und individueller SozialplanCheck durch die Fachanwälte von Rechtsanwälte Felser via Juracity – Recht für Alle! [mehr hier …]

Sozialplan- Literatur

Leseprobe aus dem Kapitel „Interessenausgleich und Sozialplan“ des Handbuchs „Beteiligungsrechte des Betriebsrats und ihre Durchsetzung“ von Rechtsanwalt Michael Felser (Brühl/Köln) und Rechtsanwalt Dr. Bernd Roos (Siegen) [mehr hier …]

Abfindung - Literatur

Aufsatz von Rechtsanwalt Felser in der Fachzeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb" Juni 2006: Der goldene Handschlag: Neues und Altbekanntes zur Abfindung. Volltext auf felser.de: [3]

Abfindungsrechner

Mit unserem Abfindungsrechner können Sie berechnen, ob die ahgebotene Abfindungshöhe "üblich" ist.[4]

Mit dem Abfindungsrechner der Süddeutschen Zeitung können Sie die Steuerbelastung berechnen.[5]

Weblinks

(1) Sozialplan.de: Webseite von Rechtsanwalt Felser rund um das Thema "Sozialplan" [6]

(2) Soliserv.de: Webseite von Georg Dresel, die in den Anfangszeiten des Internets gestartet wurde ("Neuland") mit viele Informationen für Betriebsräte nicht nur zum Thema Sozialplan [7]

(3) Rechtslexikon "Abfindung": Informationen zum Thema Abfindung von Rechtsanwalt Felser.[8]

Interviews zum Thema Sozialplan und Abfindung

Wirtschaftswoche vom 13.03.2012: Transfergesellschaften: Mitarbeiter bequem loswerden. Sie sind ebenso nützlich wie umstritten: Transfergesellschaften sollen in der Schlecker-Pleite den Angestellten die Arbeitslosigkeit ersparen.Ein Beitrag von von Harald Schumacher und Henryk Hielscher mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser [9]

Focus Money vom 10.06.2009: Arbeitsrecht: Eine Frage der Einstellung. Fatale Irrtümer von Abfindung bis Zeugnis (Redakteurin Martina Simon) Mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser [10]

Karriere.de vom 1.11.2006: Abfindung - Der Kampf gegen die Kündigung.[11](Redakteurin Melanie Rübartsch) - Mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser

Autor und Anwalt

Michael W. Felser ist der auf das Thema "Sozialplan" spezialisierte Rechtsanwalt in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [12] und Betreiber des Portals "Sozialplan.de" [13] sowie der Themendomain "Kuendigung.de" [14].

Seine Erfahrungen als Berater und Sachverständiger für Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat, Personalrat und Mitarbeitervertretungen finden Sie hier [15]

Im Jahr 2013 hat er Sozialpläne bei DPAG, DHL, Renault Trucks Deutschland als Berater der Betriebsräte bzw. Gesamtbetriebsräte zum Teil bis in die Einigungsstelle durchgesetzt. Er hat zahlreiche Arbeitnehmer sachkundig wegen Sozialplanregelungen, insbesondere der Sozialplanabfindung beraten und vertreten.