Unkündbarkeit
Mit Unkündbarkeit wird landläufig der besondere Kündigungsschutz bezeichnet, den bestimmte Personengruppen im Arbeitsverhältnis genießen. Dazu gehören - bei bestimmten Tarifverträgen - Arbeitnehmer mit langjähriger Betriebszugehörigkeit, betriebliche Beauftragte, Arbeitnehmervertreter wie Betriebsräte, Personalräte, aber in bestimmten Bundesländern auch politische Mandatsträger.
Echte Unkündbarkeit gibt es allerdings nicht, im Grunde genommen handelt es sich dabei um den Ausschluß bestimmter Kündigungsgründe bzw. Erschwernisse der Kündigung durch vorgeschaltete Verfahren wie bei Schwerbehinderten.
Die ausserordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (nach § 626 BGB) ist aber auch bei "Unkündbaren" möglich, aber in der Regel zum Scheitern verurteilt.
Denn die Rechtsprechung sieht für diesen Ausnahmefall hohe Hürden vor. So sagte der Vors. Richter am BAG Dr. Eylert in einem Vortrag an der Hamburger Bucerius Law School: „Der Ausgangspunkt ist ein Vertrag, in dem steht, dass der Arbeitnehmer nicht vor die Tür gesetzt werden darf. Verträge sind grundsätzlich einzuhalten. Damit wir davon eine Ausnahme machen, muss der Arbeitgeber sich sehr bemühen, den Arbeitnehmer woanders unterzubringen.“ Bisher, so Eylert, habe noch kein Arbeitgeber dem BAG hinreichende Versuche dargelegt, den Arbeitgeber auf einer anderen Stelle zu beschäftigen, sodass die Kündigungen stets unzulässig waren.
Bei Betriebsratsmitgliedern oder Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern ist die ausserordentliche Kündigung aber nach § 103 BetrVG nur nach vorheriger Zustimmung des Betriebsrats möglich oder nach - rechtskräftiger - Zustimmungsersetzung durch das Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht oder Bundesarbeitsgericht.
Rechtsanwalt Felser hat mit dem SOS Plan vor der Kündigung allerdings eine Strategie entwickelt, wie Arbeitnehmer ihren Kündigungsschutz verbessern können, wenn sie sich mit dem Thema frühzeitig beschäftigten. Dazu finden Sie Hinweise unter SOS Plan vor der Kündigung.
Unkündbarkeit durch den SOS Plan vor der Kündigung
Viele Kündigungen "kündigen" sich an, durch Personalgespräche, Verhandlungen des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat oder durch Abmahnungen. Diese Signale sind Sendboten, die Arbeitnehmer leider häufig nicht ernst genug nehmen. Wer sich bei den ersten Ankündigungen rechtzeitig beraten lässt, kann einiges für die Verbesserung seines Kündigungsschutzes tun. Wie, das erfahren Sie im SOS Plan vor der Kündigung, der auf Bild.de und im SWR besprochen wurde, zu finden auf felser.de SOS Plan vor der Kündigung
Unkündbarkeit im Urlaub oder während Krankheit?
Ein Mythos bzw. ein verbreiteter Rechtsirrtum ist auch die Unkündbarkeit während des Urlaubs oder einer Arbeitsunfähigkeit (Krankheit). Viele Arbeitnehmer glauben, daß ihnen während des Urlaubs nicht gekündigt werden kann. Tatsächlich gelten im Urlaub keinerlei Besonderheiten, die Kündigung geht sogar bei Urlaubsabwesenheit zu, die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage beginnt mit dem Einwurf in den Briefkasten, auch wenn der Arbeitnehmer sich im Urlaub befindet.
Besondere Schonung vor Kündigung genießen Arbeitnehmer auch nicht während einer Erkrankung, erst recht keine Unkündbarkeit. Obwohl eine Kündigung sicher nicht genesungsförderlich ist, halten die Arbeitsgerichte eine Kündigungsübergabe selbst am Krankenbett für zulässig. Extreme Ausnahmefälle sind denkbar, bei denen eine Kündigung als sittenwidrig anzusehen wäre. Dazu reicht aber auch eine schwere Erkrankung alleine nicht aus.
Unkündbarkeit wegen Alter oder ab 55
Wegen Alter oder ab 55 ist man nicht grundsätzlich unkündbar, aber schwieriger zu kündigen. So hat das Bundesarbeitsgericht sogar eine Kündigung eines älteren Mitarbeiters in einem Kleinbetrieb, in dem das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt, für unwirksam erklärt, weil es in der Kündigung eines Altersdiskriminierung sah. Eine Unkündbarkeit setzt aber neben dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters weitere Merkmale voraus, in der Regel eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit.
Mythos Unkündbarkeit
Unkündbarkeit ist ein Mythos, wenn man darunter einen 100%igen Schutz vor Kündigung versteht. Nach der Rechtsprechung kann eine Kündigung aus wichtigem Grund nicht ausgeschlossen werden.
Beitrag in der BZ zum Thema Mythos Unkündbarkeit [1]
Wann sie "unkündbar" sind, lesen Sie im folgenden Text.
Rechtsgrundlagen einer Unkündbarkeit
Die "Unkündbarkeit" bezieht sich meistens auf eine nur noch durch ausserordentliche Kündigung bestehende Kündbarkeit, teilweise kombiniert mit einem Verfahrensschutz wie beim Betriebsrat. Schwächer sind ein reiner Verfahrensschutz wie bei Schwerbehinderten und noch schwächer sind reine Benachteiligungsverbote wie bei Aufsichtsratsmitgliedern.
Unkündbarkeit nach TVÖD, TV-L, TV-V und anderen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes
§ 55 Abs. 1 und 2 BAT: Die Regelung in § 53 Abs. 3 BAT gewährt Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst der alten Bundesländer, die mindestens eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren bei demselben Arbeitgeber zurückgelegt und mindestens das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen besonderen persönlichen Kündigungsschutz, indem die ordentliche Kündigung ausgeschlossen wird. In § 53 BAT-O gab es keine vergleichbare Vorschrift und damit keine Unkündbarkeit.
§ 34 Abs. 2 TVÖD: Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und für die die Regelungen des Tarifgebietes West Anwendung finden, können nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden.
§ 34 TV-L: Ein besonderer tariflicher Kündigungsschutz ("Unkündbarkeit") besteht ebenso wie im TVÖD im Bereich des öffentlichen Dienst der Länder nur für Beschäftigte im Tarifgebiet West, die mindestens 15 Jahre beim selben Arbeitgeber beschäftigt waren und mindestens 40 Jahre alt sind.
Betriebsratsmitglieder & Co.: Arbeitnehmervertreter im Betriebsverfassungsrecht
§§ 15 KSchG, 103 BetrVG: Betriebsratsratsmitglieder und andere Akteure des Betriebsverfassungsrechts sind gegen ordentliche Kündigung geschützt. Sie können nur aus wichtigem Grund (ausserordentlich) und nach vorheriger Zustimmung des Betriebsrats gekündigt werden. Die Zustimmungsverweigerung kann vom Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitgebers ersetzt werden. Die Kündigung wird aber erst nach rechtskräftigem Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens wirksam, d.h. nach einer Dauer von ca. 18 Monaten (Abschluß zweite Instanz).
Personalratsmitglieder & Co.: Arbeitnehmervertreter im Personalvertretungsrecht
Personalratsmitglieder sind wie Betriebsratsmitglieder gegen ordentliche Kündigung geschützt. Im BPersVG und in den Landespersonalvertretungsgesetzen finden sich entsprechende Regelungen.
Aufsichtsratsmitglied
§ 26 MitbG:
§ 26 Schutz von Aufsichtsratsmitgliedern vor Benachteiligung
Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat eines Unternehmens, dessen Arbeitnehmer sie sind oder als dessen Arbeitnehmer sie nach § 4 oder § 5 gelten, nicht benachteiligt werden. Dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.
Schwerbehindertenvertreter
§ 96 Abs. 3 SGB IX i.V.m. § 15 KSchG: Die Vertrauenspersonen besitzen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates. Das stellvertretende Mitglied besitzt während der Dauer der Vertretung und der Heranziehung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 die gleiche persönliche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson, im Übrigen die gleiche Rechtsstellung wie Ersatzmitglieder der in Satz 1 genannten Vertretungen.
Mitglied einer Mitarbeitervertretung
Katholische Kirche: Nach § 19 MAVO kann einem Mitarbeitervertreter nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. [2] Eine Zustimmung der Mitarbeitervertretung ist nicht erforderlich.
Evangelische Kirche: Nach § 21 MVG kann einem Mitarbeitervertreter nur auch wichtigem Grund gekündigt werden. Anders als in der katholischen Kirche muss die Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegen oder ersetzt werden (wie beim Betriebsrat).
Gleichstellungsbeauftragte
Die ordentliche Kündigung von Gleichstellungsbeauftragten ist während der Amtszeit bis zum Ablauf eines Jahres nach Beendigung unzulässig (§§ 18 Abs. 5 S. 3 BGleiG, 15 Abs. 2 KSchG). Nach landesgesetzlichen Vorschriften kann für Gleichstellungsbeauftragte ein darüber hinausgehender besonderer Kündigungsschutz bestehen.
Betriebsbeauftragte
Arbeitnehmer, die als Betriebsbeauftragte für Abfallentsorgung, Immissionsschutz, Gewässerschutz,betrieblicher Störfallbeauftragter oder Datenschutzbeauftrater beschäftigt sind, können nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Grund hierfür ist die Sicherung der Unabhängigkeit bei der Aufgabenerledigung.
§ 4f Abs. 3 S. 5, 6 BDSG: "Die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz kann in entsprechender Anwendung von § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bei nicht-öffentlichen Stellen auch auf Verlangen der Aufsichtsbehörde, widerrufen werden. Ist nach Absatz 1 ein Beauftragter für den Datenschutz zu bestellen, so ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Nach der Abberufung als Beauftragter für den Datenschutz ist die Kündigung innerhalb eines Jahres nach der Beendigung der Bestellung unzulässig, es sei denn, dass die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist."
§ 58 Abs. 2 S. 1, 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImschG): Wenn der Immissionsschutzbeauftragte Arbeitnehmer des zur Bestellung verpflichteten Betreibers ist, "so ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Betreiber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Nach der Abberufung als Immissionsschutzbeauftragter ist die Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Bestellung an gerechnet, unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Betreiber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen."
§ 21 f Abs. 2 S. 1, 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG): "Ist der Gewässerschutzbeauftragte Arbeitnehmer des zur Bestellung verpflichteten Benutzers, so ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Benutzer zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Nach der Abberufung als Gewässerschutzbeauftragter ist die Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Bestellung an gerechnet, unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Benutzer zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen."
§ 55 Abs. 3 KrW-/AbfG: "Auf das Verhältnis zwischen dem zur Bestellung Verpflichteten und dem Abfallbeauftragten finden die §§ 55 bis 58 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes entsprechende Anwendung."
Störfallbeauftragte
§ 58 d BImSchG
Betriebsärzte
§ 8 Abs. 1 ASiG:
"(1) Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind bei der Anwendung ihrer arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Fachkunde weisungsfrei. Sie dürfen wegen der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden."
Fachkräfte für Arbeitssicherheit
§ 8 Abs. 1 ASiG:
"(1) Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind bei der Anwendung ihrer arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Fachkunde weisungsfrei. Sie dürfen wegen der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden."
Sicherheitsbeauftragte
§ 22 Abs. 3 SGB VII:
"Die Sicherheitsbeauftragten dürfen wegen der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden."
Politische Mandatsträger
Nach § 18 a Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz[3] und § 35 a Hessische Gemeindeordnung können Ratsmitglieder, ehrenamtliche Bürgermeister, Beigeordnete und Ortsvorsteher nicht ordentlich gekündigt werden.
Parlamentarier / Abgeordnete
Art. 48 Abs. 2 GG
(2) Niemand darf gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde ist unzulässig.
Mutterschutz und Schwangerschaft
§§ 18–19 MuSchG: "Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird; das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Die Vorschrift des Satzes 1 gilt für Frauen, die den in Heimarbeit Beschäftigten gleichgestellt sind, nur, wenn sich die Gleichstellung auch auf den Neunten Abschnitt - Kündigung - des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 (BGBl. I S. 191) erstreckt. (...) Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand einer Frau während der Schwangerschaft oder ihrer Lage bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Die Kündigung bedarf der schriftlichen Form und sie muss den zulässigen Kündigungsgrund angeben."
Elternzeit
§§ 9–10 BEEG: "Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit, und während der Elternzeit nicht kündigen. In besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden. Die Zulässigkeitserklärung erfolgt durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle. Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Satzes 2 erlassen."
Schwerbehinderte und Gleichgestellte
§§ 85 bis 92 SGB IX: Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes.
Pflegezeit
5 PflegeZG: "Der Arbeitgeber darf das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 oder der Pflegezeit nach § 3 nicht kündigen. In besonderen Fällen kann eine Kündigung von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ausnahmsweise für zulässig erklärt werden. Die Bundesregierung kann hierzu mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen."
Auszubildende
Auch Auszubildende sind gemäß § 22 II Nr. 1 BBiG nach Ablauf der Probezeit nur noch aus wichtigem Grund kündbar, genießen also den gleichen Kündigungsschutz wie tarifliche "Unkündbare".
Ehrenamtliche Richter
§ 26 ArbGG:
(1) Niemand darf in der Übernahme oder Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter beschränkt oder wegen der Übernahme oder Ausübung des Amtes benachteiligt werden. (2) Wer einen anderen in der Übernahme oder Ausübung seines Amtes als ehrenamtlicher Richter beschränkt oder wegen der Übernahme oder Ausübung des Amtes benachteiligt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 20 SGG:
(1) Der ehrenamtliche Richter darf in der Übernahme oder Ausübung des Amtes nicht beschränkt oder wegen der Übernahme oder Ausübung des Amtes nicht benachteiligt werden. (2) Wer einen anderen in der Übernahme oder Ausübung seines Amtes als ehrenamtlicher Richter beschränkt oder wegen der Übernahme oder Ausübung des Amtes benachteiligt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Wehrdienst
§ 2 ArbPlSchG:
(1) Von der Zustellung des Einberufungsbescheides bis zur Beendigung des Grundwehrdienstes sowie während einer Wehrübung darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. (2) Im Übrigen darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht aus Anlass des Wehrdienstes kündigen. Muss er aus dringenden betrieblichen Erfordernissen (§ 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes) Arbeitnehmer entlassen, so darf er bei der Auswahl der zu Entlassenden den Wehrdienst eines Arbeitnehmers nicht zu dessen Ungunsten berücksichtigen. Ist streitig, ob der Arbeitgeber aus Anlass des Wehrdienstes gekündigt oder bei der Auswahl der zu Entlassenden den Wehrdienst zu Ungunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt hat, so trifft die Beweislast den Arbeitgeber. (3) Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Die Einberufung des Arbeitnehmers zum Wehrdienst ist kein wichtiger Grund zur Kündigung; dies gilt im Falle des Grundwehrdienstes von mehr als sechs Monaten nicht für unverheiratete Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmern ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, wenn dem Arbeitgeber infolge Einstellung einer Ersatzkraft die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Entlassung aus dem Wehrdienst nicht zugemutet werden kann. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Eine nach Satz 2 zweiter Halbsatz zulässige Kündigung darf jedoch nur unter Einhaltung einer Frist von zwei Monaten für den Zeitpunkt der Entlassung aus dem Wehrdienst ausgesprochen werden. (4) Geht dem Arbeitnehmer nach der Zustellung des Einberufungsbescheides oder während des Wehrdienstes eine Kündigung zu, so beginnt die Frist des § 4 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes erst zwei Wochen nach Ende des Wehrdienstes. (5) Der Ausbildende darf die Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht aus Anlass des Wehrdienstes ablehnen. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Der Arbeitgeber darf die Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses oder die Übernahme des Arbeitnehmers in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht aus Anlass des Wehrdienstes ablehnen
Zivilschutzhelfer
Landesrechtliche Regelungen durch Verweis in § 27 ZSKG
Strahlenschutzverantwortliche
§ 32 Abs. 5 StrSchV: "Der Strahlenschutzbeauftragte darf bei der Erfüllung seiner Pflichten nicht behindert und wegen deren Erfüllung nicht benachteiligt werden."
Gefahrgutbeauftragte
§ 9 Abs. 1 GbV: "Der Unternehmer darf den Gefahrgutbeauftragten wegen der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben nicht benachteiligen."
Tierschutzbeauftragte
§ 5 Abs. 6 TierSchG: "Der Tierschutzbeauftragte ist bei der Erfüllung seiner Aufgaben weisungsfrei. Er darf wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht benachteiligt werden. "
Bergmannsversorgungsschein-Inhaber
§§ 10 Abs. 1 S. 1 BVSG NW:
§ 10 Kündigungsschutz bei ordentlicher Kündigung
(1) Dem Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins darf nur mit vorheriger Zustimmung der Zentralstelle gekündigt werden. Die Zustimmung ist schriftlich zu beantragen. Die Zentralstelle soll binnen eines Monats, falls erforderlich auf Grund mündlicher Verhandlung, über den Antrag entscheiden. Sie muß dem Antrag stattgeben, wenn dem Berechtigten ein anderer angemessener Arbeitsplatz gesichert ist, sie soll ihm stattgeben, wenn keine unbillige Härte vorliegt. Bei der Entscheidung hat sie die Untertagezeiten zu berücksichtigen. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens vier Wochen.
(2) Die Zentralstelle hat in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken.
(3) Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn Betriebe oder Dienststellen nicht nur vorübergehend vollständig eingestellt werden und zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem Gehalt oder Lohn weitergezahlt wird, mindestens drei Monate liegen. Unter den gleichen Voraussetzungen soll die Zentralstelle die Zustimmung erteilen, wenn Betriebe oder Dienststellen nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden und weiterhin die Beschäftigungspflicht nach § 5 Abs. 1 erfüllt wird.
(4) Ist der Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins zugleich Mensch mit schwerer Behinderung, so hat die Zentralstelle ihre Entscheidung bis zur Entscheidung im Kündigungszustimmungsverfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch auszusetzen. Wird der Kündigung zugestimmt, so darf die Zentralstelle nur aus gewichtigen Gründen abweichend entscheiden.
§ 11 Erweiterter Kündigungsschutz
(1) Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Inhabers des Bergmannsversorgungsscheins bedarf auch dann der vorherigen Zustimmung der Zentralstelle, wenn sie im Falle des Eintritts der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Zustimmung zur Kündigung gelten entsprechend.
(2) Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins, denen lediglich aus Anlaß eines rechtmäßigen Streiks oder einer Aussperrung fristlos gekündigt worden ist, sind nach Beendigung des Streiks oder der Aussperrung wieder einzustellen. § 12 Ausnahmen vom Kündigungsschutz
§ 12 Ausnahmen vom Kündigungsschutz
(1) Die Zustimmung der Zentralstelle ist nicht erforderlich, wenn der Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins ausdrücklich nur befristet, auf Probe oder für einen vorübergehenden Zweck eingestellt worden ist, es sei denn, daß das Arbeitsverhältnis über sechs Monate hinaus fortbesteht. Dies gilt auch für eine vereinbarte oder nach arbeitsrechtlichen Regelungen vorgesehene Probezeit innerhalb eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses.
(2) Die Zustimmung ist ferner nicht erforderlich bei Entlassungen, die aus Witterungsgründen vorgenommen werden, sofern die Wiedereinstellung bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet ist.
Heranziehung zu Eignungsübungen der Streitkräfte
§ 2 Eignungsübungsgesetz: "Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis während der Eignungsübung nicht kündigen. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus Gründen, die nicht in der Teilnahme des Arbeitnehmers an einer Eignungsübung liegen, bleibt unberührt."
Katastrophenschutz
§ 9 Abs. 2 Katscherwg: " Arbeitnehmern dürfen aus ihrer Verpflichtung zum Dienst im Katastrophenschutz und aus diesem Dienst keine Nachteile im Arbeitsverhältnis und in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung sowie in der betrieblichen Altersversorgung erwachsen."
Heimkehrer
§ 8 HeimkehrerG: aufgehoben.
Politisch Verfolgte
Landesgesetze über den Schutz: aufgehoben.
Kämpfer gegen den Faschismus
§ 58 AGB-DDR: "Der Arbeitgeber darf a)Kämpfern gegen den Faschismus und Verfolgten des Faschismus,b)Schwangeren, stillenden Müttern, Müttern bzw. Vätern mit Kindern bis zu einem Jahr, Müttern bzw. Vätern während der Zeit der Freistellung nach dem Wochenurlaub gemäß § 246, Absätze 1 und 2, sowie alleinerziehenden Arbeitnehmern mit Kindern bis zu 3 Jahren,c) nicht fristgemäß kündigen. Im Falle der Stillegung von Betrieben oder Betriebsteilen ist ausnahmsweise eine fristgemäße Kündigung nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des für den Betrieb oder Betriebsteil zuständigen Arbeitsamtes zulässig. Das Arbeitsamt nimmt bis zur Bestimmung einer anderen Behörde diese Zuständigkeit wahr."
Wichtige Urteile zum Thema Unkündbarkeit
Als "unkündbar" gelten Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag nicht ordentlich gekündigt werden kann. Allerdings kann auch in diesem Fall eine Kündigung wirksam sein, nämlich dann, wenn das Arbeitsverhältnis sinnentleert (als Beispiel der Heizer auf der E-Lok) fortgeführt werden müsste. In Betracht kommt eine ausserordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist, die der bei ordentlicher Kündigung maßgeblichen Kündigungsfrist entsprechen muß.
Allerdings sind die Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts an solche Kündigungen hoch, wie an fünf Fallbeispielen gezeigt wird:
1. betriebsbedingte Kündigung trotz Unkündbarkeit
2. krankheitsbedingte Kündigung trotz Unkündbarkeit
3. verhaltensbedingte Kündigung trotz Unkündbarkeit (Rechtsprechungsänderung!)
4. verhaltensbedingte Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
5. krankheitsbedingte Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
1. Betriebsbedingte Kündigung trotz Unkündbarkeit
Auszug aus BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 379/12 –, BAGE 145, 265-277:
a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 13; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16).
b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO).
aa) Eine infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung zu erwartende, ggf. jahrelange Bindung des Arbeitgebers an ein Arbeitsverhältnis, in welchem er mangels sinnvoller Einsatzmöglichkeit keine werthaltige Gegenleistung mehr erhält, kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Darin liegt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. zuletzt Stein DB 2013, 1299, 1300) keine Kündigung aus „minderwichtigem Grund“ und keine Umgehung des vereinbarten Schutzes vor einer ordentlichen Kündigung. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund kann vielmehr auch durch eine (tarif-)vertragliche Vereinbarung zur ordentlichen Unkündbarkeit nicht beschränkt werden (vgl. BAG 11. Juli 1958 - 1 AZR 366/55 - zu 3 der Gründe, BAGE 6, 109; BGH 21. April 1975 - II ZR 2/73 - zu 2 a der Gründe). Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung begründet keinen absoluten Schutz vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichem Anlass, wenn denn die Voraussetzungen vorliegen, die an einen wichtigen Grund zu stellen sind.
bb) Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber bei einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Kündigung zwingend eine der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14; 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18 mwN). Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung entsteht dadurch nicht. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Auch die analoge Anwendung von §§ 9, 10 KSchG (vgl. dazu Stein DB 2013, 1299, 1301) scheidet aus. Die Bestimmungen sehen lediglich für den Fall der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung vor. Mit der gerichtlichen Auflösung ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund erfolgreicher betriebsbedingter außerordentlicher Kündigung nicht zu vergleichen.
c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher, von äußeren Faktoren nicht „erzwungener“ Maßnahmen ergeben (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 15).
aa) Die einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 16; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21).
bb) Dies gilt einmal in Fällen ordentlicher Kündigungen iSv. § 1 KSchG. Auf eine in Teilen des Schrifttums für erforderlich gehaltene Abwägung der wirtschaftlichen Vorteile, die der Arbeitgeber durch seine Maßnahme erlangt, gegen die Nachteile, die der Arbeitnehmer durch den Arbeitsplatzverlust erleidet (Däubler Die Unternehmerfreiheit im Arbeitsrecht S. 32, 44; Stein AuR 2013, 243, 248), kommt es de lege lata nicht an. Soweit hierfür auf die Ausfüllungsbedürftigkeit des Merkmals der „Dringlichkeit“ iSv. § 1 Abs. 2 KSchG abgestellt wird, wird möglicherweise übersehen, dass nicht die unternehmerisch-wirtschaftlichen Erfordernisse dringend sein müssen, sondern die betrieblichen (ebenso Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 758 mwN). Führt die Umsetzung einer unternehmerischen Organisationsentscheidung auf betrieblicher Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für einen Arbeitnehmer und kann dieser auch nicht anderweit weiterbeschäftigt werden, bestehen „dringende betriebliche Erfordernisse“, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen und die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bedingen können. Für die Bewertung der betrieblichen Erfordernisse als „dringend“ kommt es nicht darauf an, in welchem Ausmaß für das Unternehmen wirtschaftliche Vorteile durch die Maßnahme zu erwarten sind. Die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation ist mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen - wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme ist (BAG 29. März 2007 - 2 AZR 31/06 - Rn. 24; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 31; 24. Oktober 1979 - 2 AZR 940/77 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 32, 150). Darauf, ob die Maßnahme für den Bestand des Unternehmens notwendig, gar zwingend notwendig ist, kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob eine „hohe Zahl von Insolvenzen“ im Nachhinein für Fehleinschätzungen sprechen kann (so aber Stein AuR 2013, 243, 247) oder sich der Arbeitgeber auf einen „Dialog über Alternativen“ eingelassen hat (Stein aaO). Es ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dem Arbeitgeber überlassen, wie er sein Unternehmen führt, ob er es überhaupt weiterführt und ob er seine Betätigungsfelder einschränkt. Er kann grundsätzlich Umstrukturierungen allein zum Zwecke der Ertragssteigerung vornehmen. Es kann unter Geltung von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ohnehin nicht darum gehen, ihm die fragliche organisatorische Maßnahme als solche gerichtlich zu untersagen, sondern nur darum, ob ihre tatsächliche Umsetzung eine Kündigung rechtfertigt (so auch Däubler aaO S. 44). Deren Wirksamkeit wiederum kann nach der Konzeption des Kündigungsschutzgesetzes nicht etwa davon abhängen, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung einer Abfindung anbietet (so aber Däubler aaO).
cc) Dies gilt gleichermaßen in Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist, dessen Arbeitsverhältnis nur außerordentlich nach § 626 BGB gekündigt werden kann (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 17; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - zu B V 3 a der Gründe). Die Gestaltung des Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; HaKo/Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 Rn. 749; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler KSchR 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127). Ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben ist, hängt in diesen Fällen davon ab, ob jedwede Möglichkeit ausgeschlossen ist, den Arbeitnehmer anderweit sinnvoll einzusetzen, und der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für erhebliche Zeiträume an ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis gebunden und aus diesem zur Vergütung verpflichtet wäre. Der in Tarifverträgen an eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit und ein bestimmtes Lebensalter geknüpfte Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist regelmäßig nicht dahin zu verstehen, dass damit die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung generell - auch als außerordentliche - zumindest für die Fälle ausgeschlossen sein soll, in denen der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses auf wirtschaftlich nicht zwingend notwendigen unternehmerischen Organisationsentscheidungen beruht. Dass eine solche mittelbare Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit - unbeschadet ihrer Rechtswirksamkeit - gewollt wäre, lässt sich tariflichen Regelungen, nach denen der besondere Kündigungsschutz allein vom Lebensalter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängt, ohne besondere Anhaltspunkte nicht entnehmen. Etwas anderes kann gelten, wenn der tarifliche oder einzelvertragliche Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen die Gegenleistung des Arbeitgebers für einen Verzicht auf bestimmte Rechtsansprüche durch die Arbeitnehmer darstellt. Auch dann ist der Arbeitgeber zwar rechtlich nicht gehindert, bestimmte, wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für geschützte Arbeitnehmer führen, und ist ein Verzicht des Arbeitgebers auf die Möglichkeit der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung als solcher wegen Verstoßes gegen § 626 Abs. 1 BGB rechtlich ausgeschlossen. Eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer bis zum zeitlich vorgesehenen Ende des - in aller Regel befristeten - Kündigungsausschlusses wird aber in dieser Situation nur im Extremfall anzunehmen sein.
dd) Insofern besteht auch kein Widerspruch zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 2002 (- II ZR 353/00 -), in welcher dieser auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags wegen des auf geschäftspolitischen Gründen beruhenden Beschlusses der Muttergesellschaft, den Betrieb ihrer Tochtergesellschaft einzustellen, erkannt hat (eine Divergenz bejahend aber Stein DB 2013, 1299, 1301). Dort war eine ordentliche Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags nicht dauerhaft, sondern im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung nur noch für gut ein Jahr ausgeschlossen.
ee) Die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Berufswahlfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97 -; 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95 - BVerfGE 96, 171; BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 18; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22).
2. In Anwendung dieser Grundsätze mangelte es im Streitfall nicht bereits deshalb an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB, weil die von der Beklagten getroffene Organisationsentscheidung rechtlich zu beanstanden wäre.
a) Nach den bisherigen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte rechtsmissbräuchlich entschieden hätte, mit den Reinigungsarbeiten ein anderes Unternehmen zu beauftragen. Die Beklagte hat ua. geltend gemacht, die Fremdvergabe ermögliche es ihr, Ausfälle bei Krankheit oder Urlaub leichter zu überbrücken. Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist von Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, der Beklagten eine „bessere“ oder „richtige“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in ihre wirtschaftliche Kalkulation einzugreifen (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 21; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31).
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedurfte es auch angesichts der ordentlichen Unkündbarkeit der Klägerin keiner besonderen Umstände - wie etwa der Notwendigkeit einer Änderung der Produktpalette oder einer angespannten betriebswirtschaftlichen Situation -, die die durchgeführte Umstrukturierung als unumgänglich ausgewiesen hätten. Zwar hat der Senat in den Entscheidungen vom 26. März 2009 (- 2 AZR 879/07 -) und 2. März 2006 (- 2 AZR 64/05 -) - bezogen auf eine Änderungskündigung - angenommen, der Arbeitgeber müsse bereits bei Erstellung seines unternehmerischen Konzepts geltende Kündigungsbeschränkungen berücksichtigen (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 56; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 28), und hat daraus gefolgert, dies wirke sich im Prozess bei der Darlegungslast aus; aus dem Vorbringen des Arbeitgebers müsse erkennbar sein, dass er auch angesichts der bestehenden Kündigungsbeschränkungen alles Zumutbare unternommen habe, um die durch sein Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 57; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 29). Die unternehmerische Entscheidung selbst unterliegt aber nicht deshalb einer weiter reichenden gerichtlichen Kontrolle, weil vom Arbeitsplatzabbau (auch) ordentlich unkündbare Arbeitnehmer betroffen sind. Vom Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen und von den Gerichten zu überprüfen ist hingegen, dass bzw. ob das fragliche unternehmerische Konzept eine (Änderungs-)Kündigung tatsächlich erzwingt.
c) Der Ausschluss der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung erforderte es auch nicht, dass die Beklagte Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin neu schüfe. Es kommt allein darauf an, ob andere Beschäftigungsmöglichkeiten tatsächlich bestanden. Die Beklagte hat detailliert dazu vorzutragen, weshalb dies nicht der Fall gewesen sein soll. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Landesarbeitsgericht ihr Vorbringen bisher nicht gewürdigt.
aa) Anders als in dem Fall, der der vom Landesarbeitsgericht angeführten Entscheidung des Senats vom 26. September 2002 (- 2 AZR 636/01 - BAGE 103, 31) zugrunde lag, bestand hier ein Beschäftigungsbedürfnis nicht etwa deshalb fort, weil in den betrieblichen Abläufen faktisch keine Änderung eingetreten wäre. Die Reinigungsarbeiten sollten an das beauftragte Unternehmen zur selbständigen Erledigung vergeben und nicht durch eine in das Unternehmen der Arbeitgeberin voll eingegliederte Organgesellschaft verrichtet werden. Ein Beschäftigungsbedarf bei der Beklagten bestand gerade nicht fort. Nach deren Vorbringen lag stattdessen ein Betriebsteilübergang vor. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wäre danach gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf das beauftragte Unternehmen übergegangen, hätte diese dem nicht widersprochen.
bb) Ebenso wenig steht bislang fest, dass zum Zeitpunkt der Kündigung Arbeitsplätze frei gewesen wären, die die Beklagte der Klägerin wegen des Vorrangs der Änderungskündigung hätte anbieten müssen (vgl. dazu BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 25 und 27).
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
1. Eine außerordentliche Kündigung schied nach dem festgestellten Sachverhalt nicht schon deshalb aus, weil die Beklagte nur noch für eine nicht erhebliche Zeit an ein ggf. sinnentleertes Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gebunden gewesen wäre. Die Klägerin war bei Ablauf der Auslauffrist am 30. September 2011 46 Jahre alt und damit weit entfernt von einer tariflichen Altersgrenze.
(...)
III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben, soweit es der Kündigungsschutzklage stattgegeben hat. In diesem Umfang ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - wie ausgeführt und aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.
1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 34). Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung - mit notwendiger Auslauffrist - gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer berechtigt ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er in erster Linie von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 35; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 c der Gründe). Aufgrund welcher tarifvertraglichen Vorschriften die Klägerin im Streitfall ordentlich unkündbar war, ist vom Landesarbeitsgericht bisher nicht festgestellt.
2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 41; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 21). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichenbetriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe).
(BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 379/12 –, BAGE 145, 265-277)
2. Krankheitsbedingte Kündigung trotz Unkündbarkeit
Auszug aus BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 2 AZR 582/13 –, juris:
a) Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sein. Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber aber die Einhaltung der Kündigungsfrist zuzumuten, und schon an eine ordentliche Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 14; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65).
b) Die Wirksamkeit einer auf häufige Kurzerkrankungen gestützten ordentlichen Kündigung setzt zunächst eine negative Gesundheitsprognose voraus. Im Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer solchen Beeinträchtigung führen - zweite Stufe. Ist dies der Fall, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen - dritte Stufe (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 18).
c) Bei einer außerordentlichen Kündigung ist dieser Prüfungsmaßstab auf allen drei Stufen erheblich strenger. Er muss den hohen Anforderungen Rechnung tragen, die an eine außerordentliche Kündigung zu stellen sind (BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 b der Gründe). Die prognostizierten Fehlzeiten und die sich aus ihnen ergebende Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen müssen deutlich über das Maß hinausgehen, welches eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermöchte. Es bedarf eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Ein solches ist gegeben, wenn zu erwarten steht, dass der Arbeitgeber bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - ggf. über Jahre hinweg - erhebliche Entgeltzahlungen zu erbringen hätte, ohne dass dem eine nennenswerte Arbeitsleistung gegenüberstände (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 27; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c cc der Gründe). Auch können Häufigkeit und Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten im Einzelfall dazu führen, dass ein Einsatz des Arbeitnehmers nicht mehr sinnvoll und verlässlich geplant werden kann und dieser damit zur Förderung des Betriebszwecks faktisch nicht mehr beiträgt (vgl. BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c bb der Gründe). Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses kann dem Arbeitgeber auch im Falle eines ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers unzumutbar sein (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 27; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c cc der Gründe).
d) Danach ist der Beklagten auch auf der Basis ihres eigenen Vorbringens die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.
aa) Die Beklagte hat vorgetragen, aufgrund der - im Einzelnen bezeichneten - erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten in den vergangenen mehr als zehn Jahren sei auch in Zukunft damit zu rechnen, dass die Klägerin in erheblichem Maße krankheitsbedingt fehlen werde. Die den Fehlzeiten in der Vergangenheit zugrunde liegenden Erkrankungen seien nicht ausgeheilt. Jedenfalls bestehe eine „generelle Anfälligkeit“ der Klägerin für bestimmte Erkrankungen. In den Jahren von 2006 bis 2011 habe sie - die Beklagte - insgesamt mehr als 34.000,00 Euro an Entgeltfortzahlung geleistet. Die Fehlzeiten der Klägerin hätten überdies zu Betriebsablaufstörungen geführt. Aufgrund der Ungewissheit, ob und wie lange die Klägerin krankheitsbedingt ausfallen würde, habe sie keine Vertretungskräfte einstellen können. Die Vertretung habe von den übrigen Kollegen übernommen werden müssen. Diese seien dadurch einer auf Dauer nicht zu bewältigenden Arbeitsbelastung ausgesetzt gewesen. Das habe zu einer Verzögerung der Grabpflegearbeiten und in der Folge zu Kundenbeschwerden geführt.
bb) Die dargelegten Umstände genügen den Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht.
(1) Der von der Beklagten vorgetragene Verlauf der krankheitsbedingten Fehlzeiten rechtfertigt nicht die Prognose, die Klägerin werde künftig im gleichen Maße fehlen wie in den vergangenen mehr als zehn Jahren. In dem - als Grundlage für eine Prognose geeigneten - Zeitraum von drei Jahren vor Zugang der Kündigung sind deren Ausfallzeiten deutlich zurückgegangen (zur Relevanz steigender, gleichbleibender oder fallender Fehlzeiten vgl. BAG 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B II 2 a der Gründe). Sie betrugen 19, 67 und 55 Arbeitstage. Dies entspricht bei einer Vier-Tage-Woche einer durchschnittlichen jährlichen Fehlzeit von 11,75 Wochen. Anhaltspunkte dafür, dass die Ausfallzeiten künftig wieder ansteigen könnten, hat die Beklagte nicht dargelegt. Tatsächlich war die Klägerin nach dem 19. Dezember 2011 bis zum Zugang der Kündigung am 28. März 2012 nicht mehr arbeitsunfähig krank. Die fallende Tendenz der krankheitsbedingten Fehlzeiten wird dadurch bestätigt, dass die Klägerin nach Zugang der Kündigung noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchgehend arbeitsfähig war. Dies ist zwar nicht entscheidend. Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung kommt es auf den Zeitpunkt ihres Zugangs an. Es ist aber - insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt - nicht unzulässig, die spätere Entwicklung in den Blick zu nehmen, soweit sie - wie hier - die Prognose bestätigt (BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu III der Gründe; vgl. für den Fall der betriebsbedingten Kündigung BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).
(2) Die künftig zu erwartenden Fehlzeiten der Klägerin führen auch dann nicht zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der Beklagten, wenn diese für sämtliche Krankheitszeiten das Entgelt fortzahlen müsste. Der Jahreslohnsumme auf Seiten der Beklagten steht nach wie vor eine nennenswerte Arbeitsleistung auf Seiten der Klägerin gegenüber. Das gilt nicht nur mit Blick auf mögliche Fehlzeiten von 11,75 Wochen pro Jahr. Das Arbeitsverhältnis wäre auch dann noch nicht „sinnentleert“, wenn künftig Fehlzeiten in dem von der Beklagten prognostizierten Umfang von jährlich 18,81 Wochen einträten. Auch in diesem Fall wäre die Klägerin noch zu fast zwei Dritteln ihrer Jahresarbeitszeit arbeitsfähig. Der Vortrag der Beklagten lässt zudem nicht erkennen, dass die prognostizierten Fehlzeiten zu nicht mehr hinnehmbaren Betriebsablaufstörungen führen werden. Die Klägerin kann den weitaus größeren Teil des Jahres sinnvoll eingesetzt werden. Der Umstand, dass die möglichen Ausfallzeiten zu Vertretungsbedarf und ggf. zu Verzögerungen im Betriebsablauf führen, ist nicht außergewöhnlich. Dies liegt in der Natur der Sache und macht als solches der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.
(3) Im Übrigen müsste auch eine Interessenabwägung zugunsten der Klägerin ausfallen. Zwar wäre auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigen, dass diese über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten der Klägerin hingenommen hat, ohne eine Kündigung in Erwägung zu ziehen. Sie hat zudem durch zahlreiche Krankengespräche und die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes versucht, zu einer Reduzierung der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin beizutragen. Gleichwohl überwiegen die Belange der Klägerin. Ihrer Betriebszugehörigkeit von mehr als drei Jahrzehnten, ihrem Alter von seinerzeit 52 Jahren und den mit beidem verbundenen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt käme erhebliches Gewicht zu. Wenn ferner berücksichtigt würde, dass die Fehlzeiten der Klägerin in den letzten drei Jahren vor Zugang der Kündigung deutlich zurückgegangen sind, vermöchten die Belange der Beklagten das Interesse der Klägerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht zu überwiegen.
(BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 2 AZR 582/13 –, juris)
3. Verhaltensbedingte Kündigung trotz Unkündbarkeit
Auszug aus BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 2 AZR 343/11 –, juris (ACHTUNG: angekündigte Rechtsprechungsänderung!):
cc) Der vom Landesarbeitsgericht angestellte Vergleich mit Arbeitnehmern, die aus anderen Gründen ordentlich unkündbar sind, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.
(1) Zwar hat es der Senat für möglich gehalten, das Arbeitsverhältnis eines aufgrund tariflicher Regelung ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers auch aus Gründen in seinem Verhalten außerordentlich - mit einer der fiktiven Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist - zu kündigen, obwohl ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht bejaht werden könnte, wäre die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen (vgl. BAG 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - zu II 5 der Gründe, BAGE 99, 331; 13. April 2000 - 2 AZR 259/99 - zu II 3 d cc der Gründe, BAGE 94, 228; 11. März 1999 - 2 AZR 427/98 - zu B II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 150 = EzA BGB § 626 nF Nr. 177). Unabhängig davon, ob hieran festzuhalten ist, können die dem zugrunde liegenden Erwägungen auf den nach § 15 KSchG geschützten Personenkreis nicht übertragen werden.
(2) Gegen die erwähnte Rechtsprechung bestehen Bedenken.
(a) Eine außerordentliche Kündigung gegenüber tariflich nicht ordentlich kündbaren Personen ist zunächst beim Vorliegen betrieblicher Gründe für zulässig erachtet worden, obwohl es dem Arbeitgeber zumutbar gewesen wäre, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten (vgl. BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 48, 220; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 10; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - zu B II 2 der Gründe, AP SchwbG 1986 § 21 Nr. 7 = EzA SchwbG 1986 § 21 Nr. 10). Führt gerade der Ausschluss der ordentlichen Kündigung zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitgebers, weil dieser den Arbeitnehmer zwar nicht mehr beschäftigen kann, aber für lange Zeit zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet bleibt, kann ausnahmsweise auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B III 2 b der Gründe, aaO; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 b und d der Gründe, aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - aaO). In diesem Fall ist zur Vermeidung einer Benachteiligung der durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung gerade besonders geschützten Arbeitnehmer zwingend eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (vgl. BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B IV 1 der Gründe, aaO; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 c der Gründe, aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - aaO).
(b) Ähnlich ist die Interessenlage bei einer krankheitsbedingten Kündigung. Ist eine ordentliche Kündigung möglich, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig zumutbar; eine außerordentliche Kündigung - mit notwendiger Auslauffrist - kommt in der Regel nur dann in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung einzel- oder tarifvertraglich ausgeschlossen ist (BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65).
(c) Anders liegen die Dinge bei einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung. Für die Reaktion auf Pflichtverstöße des Arbeitnehmers besteht kein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist insoweit nicht etwa grundsätzlich ausgeschlossen. Vielmehr bildet die Schwere der Pflichtverletzung - unter Berücksichtigung aller sonstigen relevanten Einzelfallumstände - den Maßstab für die Prüfung, ob eine ordentliche, eine außerordentliche oder gar keine Kündigung gerechtfertigt ist (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, 37, BAGE 134, 349). Ist die Schwelle zum wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB überschritten, ist eine außerordentliche - fristlose - Kündigung zulässig, ohne dass es darauf ankäme, ob die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist oder nicht. Ist die Schwelle zum wichtigen Grund nicht erreicht, kann eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Gegenüber einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer ist diese aber ausgeschlossen. Pflichtverletzungen, die nicht zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen, sollen eine (ordentliche) Kündigung gerade nicht rechtfertigen können. Es erscheint deshalb zweifelhaft, ob es mit dem Zweck der ordentlichen Unkündbarkeit zu vereinbaren ist, bei weniger schweren Pflichtverletzungen eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zu ermöglichen, die der ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung letztlich gleichkommt.
(3) Im Streitfall kann dies dahinstehen.
(BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 2 AZR 343/11 –, juris)
4. Verhaltensbedingte Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
Auszug aus BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 2 AZR 343/11 –, juris:
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Voraussetzung ist damit das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Dem Arbeitgeber muss die Weiterbeschäftigung auch nur bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sein (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 18, BAGE 125, 267).
b) Eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ist gem. § 15 KSchG gegenüber dem geschützten Personenkreis unzulässig (BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 27 ff., BAGE 125, 267). Kommt eine Vertragspflichtverletzung in Betracht, ist für die Beurteilung, ob Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber iSv. § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund zur Kündigung berechtigen, auf die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen. Ist eine Beschäftigung bis dahin zumutbar, ist die Kündigung unwirksam. Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist ist gegenüber dem durch § 15 KSchG geschützten Personenkreis ausgeschlossen (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 25 ff., BAGE 125, 267). Ebenso ist eine vom Landesarbeitsgericht nach Umdeutung für möglich gehaltene ordentliche Kündigung gegenüber dem nach § 15 KSchG geschützten Personenkreis unzulässig.
aa) Die Zulassung einer auf Gründe im Verhalten gestützten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist und erst recht die Zulassung einer ordentlichen Kündigung gegenüber dem nach § 15 KSchG geschützten Personenkreis kommt nicht in Betracht. Sie würde die kündigungsrechtlichen Grenzen zwischen den kündbaren und den geschützten Arbeitnehmern verwischen. Sie führte in Fällen, in denen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zwar bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist, nicht aber bis zum Auslaufen des Sonderkündigungsschutzes zumutbar ist, zur Zulässigkeit einer Kündigung, die im Ergebnis der - ausgeschlossenen - ordentlichen Kündigung gleichkäme. Sie stellte damit für diese Fallgruppe das unkündbare Mitglied des Betriebsrats mit dem kündbaren Arbeitnehmer gleich. Sinn des Gesetzes ist es dagegen, das Betriebsratsmitglied mit Rücksicht auf seine besondere Stellung - abgesehen von den Fällen des § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG - von der Bedrohung durch eine ordentliche Kündigung auszunehmen. Bei Zulassung einer verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist oder ordentlichen Kündigung würde sich deshalb gerade die Gefahr realisieren, der der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 15 KSchG begegnen wollte (BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 28, BAGE 125, 267; vgl. auch Bröhl Die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist S. 45; im Ergebnis ebenso KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 133; APS/Linck 4. Aufl. § 15 KSchG Rn. 129a; Eylert/Sänger RdA 2010, 24, 28; aA: KR/Etzel 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 22, 23; HWK/Quecke 2. Aufl. § 15 KSchG Rn. 43). Die durch § 15 KSchG bezweckte Sicherung der Unabhängigkeit der Mandatsträger und der Kontinuität der Betriebsratsarbeit erfordert bei verhaltensbedingten Kündigungen den vollen Schutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG (vgl. APS/Linck aaO). § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG verlangt das Vorliegen von Gründen, die zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Dies schließt es aus, bei der Zumutbarkeitsprüfung einen anderen Maßstab anzulegen und statt auf die Dauer der Kündigungsfrist auf die voraussichtlich verbleibende Amtszeit des Betriebsratsmitglieds (nebst Nachwirkungszeitraum) abzustellen (so aber KR/Etzel aaO; HWK/Quecke aaO).
bb) Soweit der Senat die Zulässigkeit einer Änderungskündigung mit Auslauffrist aus betrieblichen Gründen auch gegenüber Betriebsratsmitgliedern bejaht hat (vgl. BAG 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 - BAGE 80, 185), ist diese Konstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Das Gesetz zeigt in § 15 Abs. 4 und Abs. 5 KSchG, dass der Sonderkündigungsschutz im Falle betriebsbedingter Umstände von vornherein eingeschränkt ist. Das beruht darauf, dass das Betriebsratsmitglied von solchen Umständen nicht allein und nur als solches betroffen ist. Dagegen realisiert sich bei verhaltensbedingten Kündigungen nicht das - letztlich alle Betriebsangehörigen gleich treffende - Betriebsrisiko, sondern es verwirklichen sich auf die einzelne Person bezogene Gefährdungen des Vertragsverhältnisses (BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 29, BAGE 125, 267).
cc) Der vom Landesarbeitsgericht angestellte Vergleich mit Arbeitnehmern, die aus anderen Gründen ordentlich unkündbar sind, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.
(1) Zwar hat es der Senat für möglich gehalten, das Arbeitsverhältnis eines aufgrund tariflicher Regelung ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers auch aus Gründen in seinem Verhalten außerordentlich - mit einer der fiktiven Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist - zu kündigen, obwohl ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht bejaht werden könnte, wäre die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen (vgl. BAG 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - zu II 5 der Gründe, BAGE 99, 331; 13. April 2000 - 2 AZR 259/99 - zu II 3 d cc der Gründe, BAGE 94, 228; 11. März 1999 - 2 AZR 427/98 - zu B II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 150 = EzA BGB § 626 nF Nr. 177). Unabhängig davon, ob hieran festzuhalten ist, können die dem zugrunde liegenden Erwägungen auf den nach § 15 KSchG geschützten Personenkreis nicht übertragen werden.
(2) Gegen die erwähnte Rechtsprechung bestehen Bedenken.
(a) Eine außerordentliche Kündigung gegenüber tariflich nicht ordentlich kündbaren Personen ist zunächst beim Vorliegen betrieblicher Gründe für zulässig erachtet worden, obwohl es dem Arbeitgeber zumutbar gewesen wäre, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten (vgl. BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 48, 220; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 10; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - zu B II 2 der Gründe, AP SchwbG 1986 § 21 Nr. 7 = EzA SchwbG 1986 § 21 Nr. 10). Führt gerade der Ausschluss der ordentlichen Kündigung zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitgebers, weil dieser den Arbeitnehmer zwar nicht mehr beschäftigen kann, aber für lange Zeit zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet bleibt, kann ausnahmsweise auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B III 2 b der Gründe, aaO; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 b und d der Gründe, aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - aaO). In diesem Fall ist zur Vermeidung einer Benachteiligung der durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung gerade besonders geschützten Arbeitnehmer zwingend eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (vgl. BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B IV 1 der Gründe, aaO; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 c der Gründe, aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - aaO).
(b) Ähnlich ist die Interessenlage bei einer krankheitsbedingten Kündigung. Ist eine ordentliche Kündigung möglich, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig zumutbar; eine außerordentliche Kündigung - mit notwendiger Auslauffrist - kommt in der Regel nur dann in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung einzel- oder tarifvertraglich ausgeschlossen ist (BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65).
(c) Anders liegen die Dinge bei einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung. Für die Reaktion auf Pflichtverstöße des Arbeitnehmers besteht kein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist insoweit nicht etwa grundsätzlich ausgeschlossen. Vielmehr bildet die Schwere der Pflichtverletzung - unter Berücksichtigung aller sonstigen relevanten Einzelfallumstände - den Maßstab für die Prüfung, ob eine ordentliche, eine außerordentliche oder gar keine Kündigung gerechtfertigt ist (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, 37, BAGE 134, 349). Ist die Schwelle zum wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB überschritten, ist eine außerordentliche - fristlose - Kündigung zulässig, ohne dass es darauf ankäme, ob die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist oder nicht. Ist die Schwelle zum wichtigen Grund nicht erreicht, kann eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Gegenüber einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer ist diese aber ausgeschlossen. Pflichtverletzungen, die nicht zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen, sollen eine (ordentliche) Kündigung gerade nicht rechtfertigen können. Es erscheint deshalb zweifelhaft, ob es mit dem Zweck der ordentlichen Unkündbarkeit zu vereinbaren ist, bei weniger schweren Pflichtverletzungen eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zu ermöglichen, die der ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung letztlich gleichkommt.
(3) Im Streitfall kann dies dahinstehen. Der vom Landesarbeitsgericht angestellte Vergleich der nach § 15 KSchG geschützten Mandatsträger mit einzel- oder tarifvertraglich nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmern lässt den Zweck des Kündigungsschutzes gem. § 15 KSchG außer Acht. Durch den Sonderkündigungsschutz nach dieser Bestimmung soll vermieden werden, dass die geschützten Personen ihr (Betriebsrats-)Mandat nicht sachangemessen wahrnehmen. Zugleich soll die Zusammensetzung des betreffenden Gremiums und damit die Kontinuität der Betriebsratsarbeit gewahrt bleiben. Dies erfordert mit Blick auf Gründe im Verhalten des Mandatsträgers den vollen Schutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG (vgl. APS/Linck 4. Aufl. § 15 KSchG Rn. 129a). Die geschützten Personen sollen mit Rücksicht auf ihre besondere Stellung von der Bedrohung durch eine ordentliche Kündigung - abgesehen von den Fällen des § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG - ausgenommen werden. Das schließt es aus, eine außerordentliche fristlose Kündigung aus Gründen im Verhalten des Mandatsträgers, die als solche unwirksam ist, in eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist oder gar - wie das Landesarbeitsgericht im Streitfall - in eine ordentliche Kündigung umzudeuten.
(BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 2 AZR 343/11 –, juris)
5. Krankheitsbedingte Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
Auszug aus BAG, Urteil vom 18. Februar 1993 – 2 AZR 526/92 –, juris:
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die angegriffene Kündigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG unzulässig.
Nach dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds nur dann gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Ob die Beklagte die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat, kann offenbleiben. Jedenfalls lag kein wichtiger Grund im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG vor.
1. In § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG sind ohne eigenständige Definition die in § 626 Abs. 1 BGB verwandten Formulierungen übernommen worden. Da der Gesetzgeber in § 626 BGB geregelt hat, unter welchen Voraussetzungen eine "Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist" gerechtfertigt ist, sind die in § 626 BGB enthaltenen und daraus abgeleiteten Regeln zur Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung auch im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzuwenden (vgl. u.a. Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz 520; KR-Etzel, 3. Aufl., § 15 KSchG Rz 21; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 15 Rz 86; Kittner/Trittin, Kündigungsschutzrecht, § 103 BetrVG Rz 22; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, Kündigungsrecht, 3. Aufl., 18. Kapitel Rz 29; Rohlfing/Rewolle/Bader, KSchG, Stand Juni 1991, § 15 Erl. 7; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 998; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 143 IV 3).
2. Der in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB verwandte Begriff des wichtigen Grundes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen der § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (ständige Rechtsprechung; vgl. u. a. BAG Urteil vom 6. August 1987 - 2 AZR 226/87 - AP Nr. 97 zu § 626 BGB, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 9. September 1992 - 2 AZR 190/92 - AP Nr. 3 zu § 626 BGB Krankheit, zu II 2 c der Gründe). Auch dieser eingeschränkten Überprüfung hält das angefochtene Urteil nicht stand.
3. Krankheit ist zwar nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB generell ungeeignet. Da aber schon an eine ordentliche Kündigung wegen Erkrankung eines Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen ist, kommt eine außerordentliche Kündigung nur in eng zu begrenzenden Ausnahmefällen in Betracht (BAG Urteil vom 9. September 1992, aaO, zu II 2 b der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 4. Februar 1993 - 2 AZR 469/92 -, n.v., zu II 2 b der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat zwischen ordentlicher und außerordentlicher krankheitsbedingter Kündigung nicht hinreichend unterschieden. Die Prüfung in drei Stufen (negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes; erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen durch die prognostizierten Fehlzeiten; Interessenabwägung) muß den hohen Anforderungen Rechnung tragen, die an eine außerordentliche Kündigung zu stellen sind. Zumindest bei der Interessenabwägung hat das Landesarbeitsgericht nicht den richtigen Maßstab angewandt.
a) Aufgrund der unstreitigen erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit ist das Landesarbeitsgericht zu der Überzeugung gelangt, im Zeitpunkt der Kündigung sei zu erwarten gewesen, daß der Kläger auch künftig in erheblichem Ausmaß fehlen werde. Diese Feststellung einer negativen Prognose ist nach § 561 ZPO für den Senat bindend, weil sie von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden ist.
b) Ob die Prüfung der erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen rechtssystematisch zur Eignung als wichtiger Grund oder zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung gehört, kann ebenso wie in den Urteilen vom 9. September 1992 (aaO, zu II 2 d der Gründe) und vom 4. Februar 1993 (aaO, zu II 2 b der Gründe) offenbleiben. Jedenfalls bei der Interessenabwägung ist zu beachten, daß nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sein muß. Diese Voraussetzung ist nach den tatsächlichen Feststellungen und wertenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht erfüllt.
aa) Entgegen der vom Landesarbeitsgericht nicht näher begründeten Auffassung ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem Betriebsratsmitglied zumutbar oder unzumutbar ist, von der Kündigungsfrist auszugehen, die ohne den besonderen Kündigungsschutz des § 15 KSchG für eine ordentliche Kündigung gelten würde (herrschende Meinung; vgl. u.a. BAG Urteil vom 8. August 1968 - 2 AZR 348/67 - AP Nr. 57 zu § 626 BGB, zu III der Gründe; BAGE 51, 200, 210 f. und 212 = AP Nr. 19 zu § 15 KSchG 1969, zu B II 3 b bb und 4 a der Gründe, mit zustimmender Anmerkung von Schlaeper = AR-Blattei Betriebsverfassung IX Entscheidungen 62 mit zustimmender Anmerkung von Löwisch/Abshagen; BAG Urteil vom 2. April 1987 - 2 AZR 418/86 - AP Nr. 96 zu § 626 BGB, zu A II 4 der Gründe = SAE 1988, 119 ff. mit zustimmender Anmerkung von Coester; BAGE 58, 37, 45 = AP Nr. 99 zu § 626 BGB, zu II 1 der Gründe; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz 521; KR-Etzel, 3. Aufl., § 15 KSchG Rz 23; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 15 Rz 88; Kittner/Trittin, Kündigungsschutzrecht, § 103 BetrVG Rz 24; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, Kündigungsrecht, 3. Aufl., 18. Kapitel, Rz 30; Rohlfing/Rewolle/Bader, KSchG, Stand Juni 1991, § 15 Erl. 7; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 999). Zu einer Änderung der ständigen Rechtsprechung besteht kein Anlaß.
(1) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds grundsätzlich unzulässig und auf Ausnahmefälle beschränkt. Eine ordentliche Kündigung kommt nur bei Stillegung des Betriebs oder einer Betriebsabteilung in Betracht (§ 15 Abs. 4 und 5 KSchG). Die Möglichkeit zur "Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist" ist aufrechterhalten, jedoch nicht erweitert worden. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber ohne den besonderen Kündigungsschutz des Betriebsratsmitglieds zu einer außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB oder lediglich zu einer ordentlichen Kündigung berechtigt wäre. Soweit nur eine ordentliche Kündigung möglich wäre, darf dem Betriebsratsmitglied, abgesehen von den Fällen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG, nicht gekündigt werden. Soweit ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, bleibt das Recht des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung unverändert bestehen. In § 15 Abs. 1 KSchG ist der Maßstab für die Zumutbarkeitsprüfung unverändert geblieben. § 626 Abs. 1 BGB, dessen Tatbestandsmerkmale in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG übernommen worden sind, stellt darauf ab, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet oder nicht zugemutet werden kann. Während des Sonderkündigungsschutzes gelten Befristungsabreden uneingeschränkt fort. Auch die vereinbarten Kündigungsfristen bleiben wirksam, kommen allerdings nur bei Kündigungen nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG zum Zuge.
Hätte der Gesetzgeber im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG einen anderen zeitlichen Bezugspunkt für die Zumutbarkeitsprüfung gewollt, so hätte eine ergänzende oder eigenständige Regelung des wichtigen Grundes nahegelegen, zumal die Wiederwahl eines Betriebsratsmitglieds ungewiß ist und das Ende der Amtszeit nicht die allein denkbare Anknüpfung wäre, wenn der Gesetzgeber auf einen längeren Vergleichszeitraum als den der Frist für eine ordentliche Kündigung hätte abstellen wollen. Für ein gesetzgeberisches Versehen gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber ohne Veränderung des Prüfungsmaßstabes dem Arbeitgeber ausschließlich das ohnehin bestehende Recht zur außerordentlichen Kündigung erhalten wollte.
(2) Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 KSchG. Er besteht zum einen darin, dem geschützten Arbeitnehmer die ungestörte Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben zu ermöglichen, insbesondere ihm die Furcht vor möglichen Repressalien des Arbeitgebers zu nehmen, zum anderen darin, daß der Betriebsrat für die Dauer der Wahlperiode möglichst unverändert bestehen bleibt und damit eine gewisse Stetigkeit in der Aufgabenwahrnehmung gewährleistet ist (vgl. BAGE 35, 17, 24 = AP Nr. 10 zu § 15 KSchG 1969, zu II 2 der Gründe, m.w.N.). Keinesfalls sollen die Betriebsratsmitglieder durch die Erfüllung der Betriebsratsaufgaben Nachteile erleiden, vor allem nicht durch eine Erleichterung der außerordentlichen Kündigung.
(3) Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 KSchG bedeutet zwar, daß den Betriebsratsmitgliedern im Vergleich zu den übrigen Arbeitnehmern eine verbesserte Rechtsstellung eingeräumt worden ist. Dies widerspricht aber nicht § 78 Satz 2 BetrVG, wonach die Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Die Sonderregelung des § 15 KSchG trägt dem Umstand Rechnung, daß sich bei Betriebsratsmitgliedern im Gegensatz zu den übrigen Arbeitnehmern besondere Interessenkonflikte ergeben können und die Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Betriebsratstätigkeit eines erhöhten Arbeitsplatzschutzes bedürfen.
(4) Die vom Landesarbeitsgericht vertretene Auffassung, die Beklagte habe zwar nicht ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, jedoch mit einer sozialen Auslauffrist kündigen können, die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechen müsse, ist mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbaren. § 15 KSchG stellt ausdrücklich darauf ab, ob der Arbeitgeber zur Kündigung "aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist" berechtigt ist. Eine erleichterte außerordentliche Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist ist nicht vorgesehen und käme zudem einer ordentlichen Kündigung sachlich nahe. Das Landesarbeitsgericht hat in § 15 KSchG eine Gesetzeslücke hineininterpretiert, die es durch eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 15 Abs. 4 KSchG schließen möchte, obwohl dem § 15 Abs. 4 KSchG ein nicht vergleichbarer Sachverhalt und eine andere Interessenlage zugrunde liegt.
(5) Die Revisionsbeklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 22. August 1980 (- 7 AZR 589/78 - n.v.), vom 2. April 1981 (- 2 AZR 1025/78 - n.v.), vom 14. November 1984 (- 7 AZR 474/83 - AP Nr. 83 zu § 626 BGB, zu II 1 a der Gründe) und vom 9. September 1992 (- 2 AZR 190/92 - AP Nr. 3 zu § 626 BGB Krankheit, zu II 2 d cc der Gründe) berufen, die sich mit der sozialen Auslauffrist bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines tarifvertraglich unkündbaren Arbeitnehmers befassen. Bei der Auslegung dieser Tarifverträge war zu berücksichtigen, daß einerseits die ordentliche Kündigung auf Dauer ausgeschlossen war und sich andererseits die Unkündbarkeit nicht zum Nachteil älterer Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit auswirken sollte. Demgegenüber schränkt § 15 KSchG zugunsten der genannten betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträger nur für eine bestimmte Zeit die Kündigungsmöglichkeiten ein und hält das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers ohne Veränderung des Prüfungsmaßstabes aufrecht.
bb) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß die maßgebliche Kündigungsfrist nach § 14 Nr. 1 letzter Satz MTV in Verbindung mit § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Monat zum Monatsende betragen hätte. Bei der nach § 626 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG vorzunehmenden Interessenabwägung ist weiterhin von der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB auszugehen. Der Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist nicht wegen der Verfassungswidrigkeit des § 622 Abs. 2 BGB bis zur gesetzlichen Neuregelung der Kündigungsfrist auszusetzen (BAG Urteil vom 2. April 1987 - 2 AZR 418/86 - AP Nr. 96 zu § 626 BGB, zu II 4 a der Gründe, mit eingehender Begründung, an der festgehalten wird).
cc) Tatsachen, aufgrund deren der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der tariflichen Kündigungsfrist, also bis zum 31. Januar 1992 unzumutbar gewesen wäre, lagen nicht vor. Die von der Beklagten geschilderten Betriebsstörungen und wirtschaftlichen Belastungen reichen noch nicht aus. Dies hat auch das Landesarbeitsgericht erkannt und ausdrücklich betont, daß "Tatsachen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist berechtigen, nicht vorliegen". § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG verlangt jedoch gerade "Tatsachen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen". Damit sind nach der insoweit rechtsfehlerfreien Würdigung des Landesarbeitsgerichts die Tatbestandsvoraussetzungen der § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt.
(BAG, Urteil vom 18. Februar 1993 – 2 AZR 526/92 –, juris)
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Bild.de vom 1.3.2013: Richtig kündigen. Das müssen Sie beim Jobwechsel beachten. Beitrag mit Interview und Tipps von Rechtsanwalt Felser für den gelungenen Jobwechsel [13]
Süddeutsche Zeitung vom 26.4.2012: Wirtschaft: Bloss nichts überstürzen. [14]
Verbraucherportal Biallo.de vom 03.11.2011: Kündigungsfrist - Gesetz diskriminiert noch immer jüngere Arbeitnehmer von Rolf Winkel[15]
Handwerk-Magazin 4/2010 Erschwerte Trennung: Ein neues Urteil des EuGH hat die Kündigungsfristen für deutsche Betriebe verlängert. - Ein Beitrag von Harald Klein mit Interviewzitat von Rechtsanwalt Felser [16]
Verbraucherportal Biallo.de vom 08.04.2010: Jobwechsel - Diese Kündigungsfristen gelten für Arbeitnehmer. Beitrag von Rolf Winkel mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Axel Willmann [17]
Rheinische Post vom 25.6.2007: Jobwechsel und Betriebsrente. Beitrag von Rolf Winkel mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Felser [18]
Süddeutsche Zeitung vom 20.5.2005: "Lieber arbeiten als kassieren. Wer nach der Kündigung keine Abfindung akzeptieren will, kann auch auf Weiterbeschäftigung klagen." mit Zitaten von Rechtsanwalt Felser[19]
Bild & T-Online vom 13.4.2005: "Entlassen – und wie geht's jetzt weiter? Ihr SOS-Plan bei Kündigung" mit Zitaten von Rechtsanwalt Felser [20]
Süddeutsche Zeitung vom 14.1.2004: "Find mich ab! Von Kündigungen und Abfindungen: Welche Summe Geschasste erwarten können und wann sich eine Klage lohnt." mit Zitaten von Rechtsanwalt Felser [21]
Autor
Michael W. Felser ist der auf das Kündigungsrecht spezialisierte Rechtsanwalt in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [22] und Betreiber des Portals "Juracity - Recht für Alle!" [23] sowie der Themendomain Kuendigung.de [24]. Gemeinsam mit der Arbeitsrichterin Lore Seidel hat den Ratgeber "Kündigung - was tun?" geschrieben. Er hat mehrere tausend Arbeitnehmer im Rahmen einer Kündigung beraten und vertreten. Betriebsräte berät er im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG und bei Massenentlassungen als Berater und Sachverständiger im Rahmen von Verhandlungen zu Interessenausgleich und Sozialplan. In der Fachzeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb" [25] hat er mehrere Fachbeiträge zum Thema "Anhörung des Betriebsrats bei der Kündigung" veröffentlicht. Auf der Grundlage seiner Erfahrungen hat er den "SOS Plan vor der Kündigung" mit wichtigen Tipps für Arbeitnehmer erarbeitet, die die Aussichten auf Weiterbeschäftigung oder eine hohe Abfindung bei Kündigung deutlich verbessern. Auf KStA.de finden Sie eine Kurzfassung [26].