Betriebsratsschulung / Betriebsräteseminar
Nach § 37 Abs. 6 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf bezahlte Freistellung bzw. bezahlte Arbeitsbefreiung für die Teilnahme an Schulungen, wenn diese Kenntnisse vermitteln, die für die Betriebsratstätigkeit erforderlich sind. Ausserdem können sich Betriebsratsmitglieder je Amtsperiode nach § 37 Abs. 7 BetrVG für drei Wochen bei "geeigneten" Schulungen anmelden, erstmals gewählte Betriebsräte sogar für vier Wochen.
Die regelmäßige Fortbildung der Betriebsratsmitglieder in Betriebsräteseminaren sind eine Grundvoraussetzung für eine vernünftige Betriebsratsarbeit. Der Betriebsrat kann nicht auf Dauer darauf verwiesen werden, ein Betriebsratsmitglied könne sich die erforderlichen Kenntnisse auf andere Weise, zB durch Selbststudium oder durch Befragung der übrigen, besser informierten Betriebsratsmitglieder verschaffen (BAG 19. September 2001 - 7 ABR 32/00 - BAGE 99, 103 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 142, zu B I 1 der Gründe; 16. Oktober 1986 - 6 ABR 14/84 - aaO, zu II 2 c bb der Gründe) .
Auswahl des Seminaranbieters für das Betriebsräteseminar
Der Betriebsrat muß nicht den billigsten Anbieter wählen:
"Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Betriebsrat zu entscheiden, ob ein Betriebsratsmitglied zu einer Schulungsveranstaltung entsandt werden soll. Dabei hat er unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu prüfen, ob die Teilnahme erforderlich iSv. § 37 Abs. 6 BetrVG ist oder nicht (BAG 8. März 2000 - 7 ABR 11/98 - BAGE 94, 42 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 68 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 90, zu B 2 der Gründe) . Der Betriebsrat hat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums auch zu prüfen, ob die zu erwartenden Schulungskosten mit der Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebs zu vereinbaren sind. Außerdem hat er darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht (BAG 28. Juni 1995 - 7 ABR 55/94 - BAGE 80, 236 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 48 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 74, zu B II 1 der Gründe; 27. September 1974 - 1 ABR 71/73 - BAGE 26, 269 = AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 33, zu III 4 der Gründe) . Der Betriebsrat ist allerdings nicht gehalten, anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen. Seine Auswahlentscheidung kann er bei vergleichbaren Seminarinhalten auch von dem Veranstalter selbst abhängig machen (BAG 28. Juni 1995 - 7 ABR 55/94 - aaO, zu B II 1 der Gründe)."
Teilnahme an Betriebsräteseminar durch einstweilige Verfügung?
Umstritten ist, ob der Betriebsrat eine Teilnahme des Betriebsratsmitglieds durch einstweilige Verfügung sicherstellen kann:
"Ob in derartigen Fällen der Betriebsrat durch Erwirkung einer einstweiligen Verfügung das Teilnahmerecht des Betriebsratsmitglieds absichern kann, wird in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und der arbeitsrechtlichen Literatur nicht einheitlich beantwortet. Einerseits wird vertreten, das Arbeitsgericht dem Betriebsratsmitglied durch einstweilige Verfügung die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung gestatten kann (LAG Hamm, 23.11.1972 – DB 1972, 2489; LAG Hessen, 10.08.2004 – 9 TaBVGa 114/04 –; ArbG Detmold, 30.04.1998 – AiB 1998, 405; ArbG Frankfurt/Oder, 27.01.2000 – LAGE BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; ArbG Bremen, 25.02.2000 – AiB 2000, 288; Wenzel, NZA 1984, 112, 116; Fitting, aaO., § 37 Rn. 252; DKK/Wedde, aaO., § 37 Rn. 132; GK/Weber, aaO., § 37 Rn. 278, 282; ErfK/Eisemann, 8. Aufl., § 37 BetrVG Rn. 28; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl., § 85 Rn. 31; Korinth, aaO., K Rn. 34; ders., ArbRB 2008, 30 m.w.N.).
Demgegenüber wird auch vertreten, dass die Durchführung von Schulungsmaßnahmen für Betriebsratsmitglieder im Wege der einstweiligen Verfügung durch den Betriebsrat regelmäßig nicht erzwungen werden kann, weil es einer Freistellung durch den Arbeitgeber nicht bedarf (LAG Düsseldorf, 06.09.1995 – LAGE BetrVG 1972 § 37 Nr. 44 = NZA-RR 1996, 12; LAG Köln, 22.11.2003 – DB 2004, 551; ArbG Berlin, 12.11.1976 – DB 1976, 2483; Heinze, RdA 1986, 273, 287; Corts, NZA 1998, 357, 358; Schneider/Sittard, ArbRB 2007, 241; Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, 3. Aufl., § 37 Rn. 70; Walker, einstweiliger Rechtsschutz, 1993, Rn. 821 ff., 824; Baur in Dunkl/Moeller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Aufl., Teil B, Rn. 261 m.w.N.)."
LAG Hamm 21.05.2008 Aktenzeichen 10 TaBVGa 7/08
Gesetzliche Vorschriften
§ 37 Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis
(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. (3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.
(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.
Erforderliche Seminare nach § 37 Absatz 6 BetrVG
(...)
Grundschulung zum Betriebsverfassungsrecht
Grundschulungen sind Betriebsratsschulungen [1], die die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht [2] (bei Betriebsratsmitgliedern [3]) im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung zum Ziel haben. Grundschulungen sind abzugrenzen von Spezialschulungen [4], die im Hinblick auf die Erforderlichkeit eine nähere Begründung vom Betriebsrat erfordern.
== Grundschulung und Spezialschulung ==
Für neugewählte Betriebsräte ist es neben der Unterscheidung “geeigneter” und “erforderlicher” Seminare wichtig, die Unterscheidung zwischen Grundlagenschulungen und Spezialschulungen zu kennen.
Bei der Prüfung der Erforderlichkeit von Betriebsräteschulungen (§§ 37 Abs. 6, 40 Abs. 1 BetrVG) ist nämlich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen. Betriebsräteschulungen werden deshalb in zwei Kategorien unterteilt: die Grundschulung (http://www.grundschulung.de), die Grundkenntnisse des BetrVG vermitteln soll und die Spezialschulung (http://www.spezialschulung.de), die vertiefte Kenntnisse auf einem Spezialgebiet vermittelt.
Betriebsratsmitglieder haben nach der erstmaligen Wahl in den Betriebsrat Anspruch auf sog. Grundschulungen bzw. Grundlagenschulungen:
Ca. 2 Wochen Betriebsverfassungsrecht Ca. 2 Wochen Arbeitsrecht Ca. 2 Wochen Arbeitsschutzrecht
Ausserdem dürfte ein mind. 1-wöchiges Betriebsräteseminar zum maßgeblichen Tarifvertrag erforderlich sein im Sinne des § 37 Absatz 6 BetrVG.
Daraus folgt allerdings nicht ohne weiteres die Erforderlichkeit des Besuchs einer Veranstaltung im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit oder Unfallverhütung für jedes Betriebsratsmitglied. Die Vermittlung derartiger Grundkenntnisse ist nur möglich und damit erforderlich iSv. § 37 Abs. 6 BetrVG, wenn das betreffende Betriebsratsmitglied über diese Kenntnisse (noch) nicht verfügt. Die Entsendung zu einer Veranstaltung im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung im Rahmen des § 37 Abs. 6 BetrVG scheidet dann aus, wenn das ausgewählte Betriebsratsmitglied die erforderlichen Kenntnisse bereits besitzt. Dabei muss es sich allerdings um persönliche Kenntnisse des Betriebsratsmitglieds handeln, nicht um Kenntnisse des Gremiums „Betriebsrat“ oder anderer Betriebsratsmitglieder (BAG 16. Oktober 1986 - 6 ABR 14/84 - BAGE 53, 186 = AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 87, zu II 2 c bb der Gründe).