Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Beschluß vom 10.08.2006 – 2 BvR 563/05 – mit der Fragen der erneuten Einberufung in das Beamtenverhältnis nach vorheriger vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit befaßt.
Der Beschwerdeführer war mit 38 Jahren aufgrund einer psychischen Erkrankung für dienstunfähig befunden und in den Ruhestand versetzt worden. Nach einem erfolgreichen Jura-Studium trat er als Beamter auf Widerruf in das juristische Referendariat. Bei einer erneuten ärztlichen Untersuchung wurde volle Dienstfähigkeit im Bürodienst festgestellt. Im November 2002 berief der Dienstherr den Beamten erneut in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit und forderte bei Anordnung der sofortigen Vollziehung zum Dienstantritt auf.
Hiergegen gerichtete Rechtsbehelfe blieben erfolglos.
Da der Beamte gleichwohl den Dienst nicht antrat, wurden ab Februar 2003 keine Versorgungsbezüge mehr an den Beamten gezahlt. Auch die hiergegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos, so daß der Beamte im März 2003 seinen Dienst antrat.
Im April 2003 wurde er im Rahmen eines Disziplinarverfahrens seines Dienstes wiederum enthoben und 30 % der Bezüge einbehalten. Auch hiergegen erhobene Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Der Beamte wehrte sich dann aber mit der Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidungen und rügte die Verletzung von Grundrechten.
Aus beamtenrechtlicher Sicht sind im wesentlichen zwei Erwägungen in den Ausführungen des BVerfG, daß die Beschwerde nicht zur Entscheidung zu ließ, von Interesse:
Die erneute Berufung in das Beamtenverhältnis findet ihre Regelung in § 45 BBG. Hiernach kann ein wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzter Beamter nach Wiedererlangung der Dienstfähigkeit wieder in das Beamtenverhältnis berufen werden, wenn er das dreiundsechzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat. In der bis zum 30. Juni 1997 gültigen Fassung war nach Ablauf von fünf Jahren seit Eintritt in den Ruhestand eine Reaktivierung nur mit Zustimmung des Beamten zulässig. Die neue Fassung der Vorschrift sah ab dem 1. Juli 1997 dies zwar immer noch vor. Als zusätzliche Voraussetzung für das Erfordernis der Zustimmungserfordernis des Beamten sieht das Gesetz aber nun vor, daß dies nur bei Beamten gelten soll, die das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet haben. Im Ergebnis gestattet die Vorschrift es seitdem, jüngere Ruhestandsbeamte auch nach Ablauf der 5-Jahres-Frist ohne deren Zustimmung zu reaktivieren.
Das BVerfG vermochte in der Anwendung der neuen Fassung keinen Verstoß gegen das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze zu erkennen. Dieses Verbot beruhe zwar auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes diene dem Schutz des Vertrauens in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Rechtsordnung und erworbener Rechte. Es müße aber hinsichtlich der Rückwirkung zwischen der sog. „echten“ und „unechten“ unterschieden werde.
Echte und unzulässige Rückwirkung liege vor, wenn gesetzlich im Nachhinein in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ändernd eingegriffen wird.
Unechte Rückwirkung liege dann vor, wenn Regelung auf gegenwärtige und noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsverhältnisse künftig einwirkt und es nachträglich zu einer Entwertung von Rechtspositionen kommt. In Fällen der unechten Rückwirkung könne Unzulässigkeit erst angenommen werden, wenn die angeordnete unechte Rückwirkung nicht dazu geeignet oder nicht erforderlich ist, den erstrebten Gesetzeszwecks zu erreichen, oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen dem Interesse des Gesetzgebers vorgehen.
Das BVerfG verwies darauf, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der verschärften Regelung erst 19 Monate in den Ruhestand versetzt war. Auch bei Anwendung der alten, für den Beamten günstigeren Regelung hätte er seinerzeit immer mit einer Reaktivierung ohne seine Zustimmung rechnen müssen. Von dem Eingriff in eine gesicherte Rechtsposition könne man daher nicht ausgehen.
Das BVerfG berücksichtigte in diesem Zusammenhang auch, daß im für die Ruhestandsversetzung maßgeblichen Gutachten aus 1995 bereits eine Nachuntersuchung in einem Jahr angeregt worden war und somit der Beschwerdeführer auch aus diesem Grund gar kein gesteigertes Vertrauen in die Dauerhaftigkeit seiner Ruhestandsversetzung habe entwickeln können.
Des weiteren vermochte das BVerfG auch keinen Rechtsmissbrauch darin zu erkennen, daß seitens des Dienstherrn Einberufungsverfahren und das Disziplinarverfahren, daß die Dienstenthebung zum Ergebnis hatte, zeitgleich betrieben worden sind. Das Gericht weist in diesem Zuammenhang darauf hin, daß zu Beginn eines Disziplinarverfahrens je gerade nicht feststeht, ob und welche disziplinarische Maßnahme ergriffen wird.
Fundstelle: Beschluß des Bundesverfassungsgericht vom 10.08.2006 – 2 BvR 563/05
Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser