Das Bundeskartellamt in Bonn will den Wettbewerb auf dem Lotteriemarkt durchsetzen. Mit einem sofort vollziehbaren Beschluss vom 23. August (Az.: B 10-92713-Kc-148/05) haben die Wettbewerbshüter verfügt, dass die staatlichen Lottogesellschaften den Markt nicht nur für private Vermittler öffnen, sondern sich auch untereinander Konkurrenz machen müssen. Die Lottospieler dürfen künftig auch in Supermärkten oder an Tankstellen tippen. Der Verbraucher soll die Möglichkeit haben, zwischen den Anbietern, deren Gebühren zum Teil erhebliche Unterschiede aufweisen, zu wählen.
Die Bonner Behörde untersagte es dem Deutschen Lotto- und Totoblock mit sofortiger Wirkung und unter Androhung hoher Geldbußen, die Lottogesellschaften zum Boykott von gewerblichen Vermittlungsstellen aufzurufen, indem sie die Annnahme dort erzielter Spielumsätze verweigern. Auch die Vereinbarung der Lottogesellschaften, Lotterien und Sportwetten nur in dem Bundesland anzubieten, in dem sie ihren Sitz haben, verstößt nach Ansicht der Wettbewerbshüter gegen deutsches und europäisches Kartellrecht.
Bislang geben die Lotto- und Totospieler ihre Tippscheine vor allem in den über 25.000 Annahmestellen ab, die von den staatlichen Lotteriegesellschaften zugelassen sind. Diese werden in Kürze wohl Konkurrenz bekommen. Eine schleswig-holsteinische Vertriebsfirma plant, bis Ende kommenden Jahres in 2000 Supermärkten und Tankstellen Tipp-Automaten aufzustellen.
Mit ihren Versuchen, Konkurrenz auf dem Lotto- und Totomarkt zu unterbinden, hatten sich die staatlichen Lottogesellschaften neben einer entsprechenden Abmahung im Mai diesen Jahres auch schon eine Niederlage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eingehandelt. Verfolgen sie nun das Ziel, stationäre Annahmstellen zu verhindern, wurde ihnen 1999 in Karlsruhe mitgeteilt, dass private Vermittler sehr wohl auf dem Postwege oder über das Internet Lottospieler anwerben dürften. Damals wie heute vermitteln die Privaten wie Faber oder Tipp24 die Spielaufträge der Lottospieler gegen Provision an Lottogesellschaften ihrer Wahl, mit der dann der Verbraucher einen Lotterievertrag schließt.
Im Frühling 2006 hatten einige Lottogesellschaften ihre Verträge mit einem privaten Spielvermittler gekündigt. Dem Bundeskartellamt lag das Protokoll einer Sitzung der sogenannten Lottoblockgesellschaften vor, wonach „die gewerblichen Spielvermittler vom Markt zu verdrängen“ seien.
„Anheizung der Spielsucht?“
Gegen die zu erwartende Beeinträchtigung seiner Marktstellung setzt sich der Deutsche Lotto- und Totoblock nun wiederum gerichtlich zur Wehr und legte Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein. Begründung: „Die geforderte Konkurrenz und Marktöffnung für private Vermittler würde Werbung und Spielsucht anheizen und widerspreche damit klar dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts„, so der Geschäftsführer von Lotto-Brandenburg, Horst Mentrup. Damit mißachte das Kartellamt sowohl den ordnungsrechtlichen Auftrag der Lottogesellschaften wie auch das Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter vom März, die Spielsucht einzudämmen.
Nach Ansicht des Bundeskartellamts lässt der Lotteriestaatsvertrag allerdings die gewerbliche Vermittlung der staatlichen Lotterieangebote durch Private ausdrücklich zu, ohne bestimmte Vermittlungswege vorzuschreiben oder auszuschließen. Durch die Öffnung des Lotto- und Totomarktes für private Vermittler werde zugunsten der Verbraucher der Wettbewerb der Gesellschaften untereinander belebt.
Verbraucher soll wählen können
Bisher habe der Verbraucher keine Möglichkeit, die billigste und die für ihn mit Blick auf seine Spielvorlieben interessanteste Lottogesellschaft zu wählen. Die Beschränkung der Lotto-Gesellschaften auf ihr jeweiliges Bundesland stelle eine „besonders schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkung“ innerhalb der Landesgrenzen sowie zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dar.
„Aus vorrangigem europäischem Recht“ seien die Bundesländer gundsätzlich daran gehindert, den Lottogesellschaften anderer Länder von vornherein die Tätigkeit in ihrem Landesgebiet zu untersagen. Zudem sei es kartellrechtswidrig, die Gewinnmöglichkeiten für Spielvermittler zu begrenzen.
Den Hinweis der Lottogesellschaften auf das Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts lassen die Bonner Wettbewerbshüter nicht gelten: „Ein Ausschluß vom Wettbewerb sei nur aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zulässig, also etwa zur Bekämpfung der Spielsucht.“ Eine entsprechende Gefährdung der Lottospieler wird in dem rund 200 Seiten langen Beschluss unter Hinweis auf die Wissenschaft allerdings verneint. Insbesondere Lotterien werde von der Wissenschaft nur ein als sehr gering bewertetes Suchtpotential zugeschrieben, das durch den Einstieg privater Vertriebsfirmen nicht wesentlich vergrößert werde.“
„Darüber hinaus ist nach den Prüfungen des Bundeskartellamts nicht ersichtlich, daß durch den Wettbewerb zwischen den Lottogesellschaften mit ihrem staatlich verantworteten Glücksspielangebot das Glücksspiel angeheizt und eine Suchtgefährdungslage verstärkt wird“, so das Kartellamt mit Blick auf die Überwachung durch die Ordnungsbehörden der Länder.
Niederlage auch für die Länderfinanzminister
Insgesamt betrug der Jahresumsatz der Lottogesellschaften im vergangenen Jahr rund 8,5 Milliarden Euro. Vor allem für die Bundesländer ist das Spiel mit „6 aus 49“ eine einträgliche Geldquelle. Die „wirtschaftlichen Interessen der Bundesländer“ bestimmen nach Auffassung der Wettbewerbshüter „die Geschäftstätigkeit der Lottogesellschaften, weil sie von ihrem jeweiligen Bundesland maßgeblich beeinflusst werden“.
Und so fügten sie wohl nicht zuletzt mit Blick auf die Länderfinanzminister ihrem Beschluss abschließend hinzu: „Auch wenn nicht davon auszugehen ist, daß die Verantwortlichen der maßgeblich von den Bundesländern kontrollierten Lottogesellschaften die sofort vollziehbaren Verfügungen des Beschlusses mißachten werden, wird darauf hingewiesen, dass jede fahrlässige oder vorsätzliche Zuwiderhandlung“ eine Ordnungswidrigkeit darstelle, die mit Geldbußen von bis zu einer Million Euro geahndet werden könne. Besonders empfindlich treffen würde die chronisch defiztären Landeskassen zudem einen „Strafzahlung“ von bis zu zehn Prozent des vergangenen Jahresumsatzes.
Thomas Hellwege, Journalist