Das VG Hannover hat in seinem Beschluss vom 23.11.2006 – 18 B 7877/06 – dem Ansinnen eines Dienstherrn, wegen eines bestimmten Sachverhalts ein erneutes Disziplinarverfahren bei gleichzeitiger Dienstenthebung unter Bezügekürzung durchzuführen, eine Abfuhr erteilt.

Im Disziplinarverfahren gegen Beamte ist ein umfangreicher Katalog an Maßnahmen denkbar: Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienst- oder Anwärterbezüge, Zurückstufung, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Kürzung des Ruhegehalts und die Aberkennung des Ruhegehalts. Nicht selten erfolgen disziplinarische Ermittlungen parallel zu strafrechtlichen. Allerdings kann ein Disziplinarverfahren unter bestimmten Voraussetzungen für die Dauer des strafrechtlichen Verfahrens z. B. nach § 23 NDiszG oder auch § 22 LDG NRW ausgesetzt werden.

Immer stellt sich aber bei einem im Raum stehenden, gravierenderen Fehlverhalten die Frage, ob der Beamte bis zum Abschluß der Ermittlungen im Dienst verbleiben soll. Die Disziplinargesetze der Länder und des Bundes sehen die Möglichkeit vor, den Beamten schon vor Abschluß der Ermittlungen vorläufig unter teilweiser Einbehaltung der Bezüge des Dienstes zu entheben, vgl. § 38 NDiszG, § 38 LDG NRW und § 38 BDG. Da diese Maßnahme für den Beamten einschneidende Folgen hat, ist sie nur gerechtfertigt, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich ohnehin auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird oder durch ein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt werden könnten und die vorläufige Dienstenthebung im Verhältnis zur Schwere des Vorwurfs und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

Der betroffene Beamte kann sich gegen die vorläufige Enthebung wehren, indem er einen Antrag auf Aussetzung der Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen stellt.

Das VG Hannover gab in der angesprochenen Entscheidung einem Antrag auf Aussetzung der Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen statt. Es verwies darauf, daß wegen der selben Vorwürfe (vorgetäuschte Dienstunfähigkeit, Verstoß gegen Dienstzeiterfassung) bereits schon einmal ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller eingeleitet worden war, das seinerzeit durch den Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin wegen eines Verfahrensfehlers eingestellt worden war. Da das erneute Verfahren wiederum vom Bürgermeister eingeleitet worden war, erkannte das Gericht auf einen Verstoß gegen § 35 NDiszG, da nach dieser Bestimmung nur die höhere oder die oberste Disziplinarbehörde eine vorherige Einstellungsverfügung innerhalb von 2 Monaten aufheben und wegen oder unter Einbeziehung desselben Sachverhalts eine Disziplinarverfügung erlassen oder Disziplinarklage erheben kann. Da dieser Zeitraum verstrichen war, war nicht mehr ersichtlich, wie es noch zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme überhaupt hätte kommen können.

Das VG nahm aber auch inhaltlich zur Güte der gegen den Beamten erhobenen Vorwürfe deutlich Stellung:

Allein der Umstand, daß ein dienstunfähig geschriebener Beamter ein Konzert besucht, begründe keinen disziplinarischen Vorwurf, wenn sich aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen keine Bettlägerigkeit sondern u.U. sogar die heilungsfördernde Wirkung einer solchen Aktivität ergebe. Es sei nicht Sache des Dienstherrn, während einer Dienstunfähigkeit über den Besuch einer derartigen Veranstaltung zu entscheiden. Im Hinblick auf den Vorwurf des Nicht-Erfassens von Arbeitszeitunterbrechungen in der elektronischen Arbeitszeiterfassung merkte das Gericht an, daß es sich dabei nicht um einen Vorwurf nach den Kriterien des § 38 Abs. 1 NDiszG handele und berücksichtigte außerdem, daß eine Wiederholungsgefahr nicht bestand, weil der Beamte dieses Verhalten offen eingeräumt und dadurch überhaupt die Aufdeckung ermöglicht hatte.

Fundstelle: Beschluss des VG Hannover vom 23.11.2006 – 18 B 7877/06 –

Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser

http://www.beamtenrecht.de

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