Auch in der Kommunikation zwischen dem aufgeschlossenen Mandanten und dem modernen Anwalt sind E-Mails letzlich nicht mehr wegzudenken. Die Rechtsprechung dämpft hier (nicht ganz überraschend) den Fortschritt, indem es dem Mandanten das Risiko des rechtzeitigen Rechtsmittelauftrags (also bspw. Beauftragung mit einer Berufung oder Revision) aufbürdet.
Mit Beschluss vom 20.04.2006 (Az.: 5 U 456/06) lehnte das OLG Nürnberg die Wiedereinsetzung in eine versäumte Berufungsfrist ab, die damit begründet wurde, dass ein rechtzeitiges E-Mail des Mandanten mit dem Auftrag, Berufung einzulegen, nicht in der Kanzlei angekommen sei. Die Richter werteten die Beauftragung per Mail als risikoreich und sahen darin ein Verschulden des Mandanten. Sie lehnten deswegen die beantragte Wiedereinsetzung ab.
Die Entscheidung steht in Übereinstimmung mit einer anderen OLG-Entscheidung. So hat das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 4. 10. 2002 – 23 U 92/02) war der Meinung, dass selbst bei einer korrekten Adressierung der E-Mail-Nachricht der Mandant nicht wegen der Absendung der E-Mail allein auf deren ordnungsgemäßen Zugang beim Adressaten vertrauen dürfe.
Diese Haltung der Rechtsprechung hat Tradition. So werden E-Mails vom Bundesarbeitsgericht nicht einmal als hinreichende „schriftliche Geltendmachung“ von Ausschlussfristen akzeptiert. Diese Haltung zu Massenkommunikationsmitteln kontrastiert auf eine reizende Art damit, dass demgegenüber sogar Klageerhebungen mit der edlen, und seinerzeit noch sehr exclusiven Kommunikationsform „Telegramm“ zulässig sein sollen. Das gilt selbst dann, wenn das Telegramm fernmündlich aufgegeben ist (Beschluß des Reichsgerichts – RG – vom 28. November 1932 IV B 4/32, RGZ 139, 45; Beschluß des Großen Senats des RG für Zivilsachen vom 15. Mai 1936 GSZ 2/36 V 62/35, RGZ 151, 82). Nach dem Beschluß des Großen Senats des RG handelt es sich um eine Ausnahme, die durch die Eigenart des telegraphischen Verkehrs bedingt sei (!), so wortwörtlich das BFH-Urteil vom 23.6.1987 (IX R 77/83) BStBl. 1987 II S. 717. Ein Schelm wer Arges dabei denkt. Vermutlich war es der Reichskanzler selbst, der seinerzeit eine Klage per Telegramm erhob. Jedenfalls vermag die Rechtsprechung bei modischen Erscheinungen durchaus danach zu differenzieren, ob sie von H&M ist oder von Dior kommt.
Anwälte dürfen sich jetzt verstärkt auf Anrufen von Mandanten freuen, ob das Mail auch angekommen ist. Mandanten sind jedenfalls gut beraten, sich auf diese Rechtsprechung bei fristwahrenden Mails einzustellen. Rechtsmittelaufträge sollte man nach der Rechtsprechung also lieber mit der Post verschicken. Und dabei nicht die Adressierung vergessen oder das Zukleben des Briefumschlags. Aber anders als E-Mailversender passieren Briefeschreibern ja keine Fehler. Und die Briefpost wird ja täglich immer zuverlässiger ;-). Wer Stil besitzt, verwende daher sicherheitshalber wie üblich das Telegramm.
Michael Felser
Rechtsanwalt
Rechtsanwälte Felser