Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 7. November 2006 – 2 C 11.06 – die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Spermiengewinnung und -konservierung (Kryokonservierung) bejaht, sofern diese Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Heilbehandlung stehen und der Abmilderung oder dem Ausgleich eines Operationsrisikos wie dem Verlust der Zeugungsfähigkeit dienen.
In Bund und Ländern war bislang die Gewährung einer Beihilfe für im Zusammenhang mit einer Spermiengewinnung und -konservierung entstandene Kosten abgelehnt worden, weil es sich dabei um eine Maßnahme handele, die allein der Gesundheitsvorsorge diene. Derartige Maßnahmen sind nach den Beihilfevorschriften der Länder aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen beihilfefähig.
Der Entscheidung des BVerwG lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Dem Sohn eines Landesbeamten war bereits bei einer Operation der rechte Hoden entfernt worden. Als eine weitere Operation zur Entfernung eines Lymphknotens notwendig wurde, ließ der Sohn zwei Tage vor der Operation Spermien entnehmen und einfrieren. Dies geschah vor dem Hintergrund, daß bei dem weiteren Eingriff auch Unfruchbarkeit als Nebenfolge drohte.
Der Beamte beantragte bei seinem Dienstherrn Beihilfeleistungen für die Kosten der Spermienaufbereitung und Konservierung. Dies wurde mit der Begründung, daß es sich bei diesen Kosten nicht um krankheitsbedingte Aufwendungen, sondern um Kosten einer Vorsorgemaßnahme handele, abgelehnt. Da der Beamte aber dann sowohl vor dem zuständigen VG als auch in der Berufung vor dem OVG obsiegte, befaßte sich nun das BVerwG mit der Revision der Beklagten.
Das BVerwG wies die Revision zurück. Der Anspruch auf die begehrte Beihilfe ergebe sich aus§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, § 2 Abs. 2 der Beihilfevorschriften des beklagten Landes. Nach diesen Regelungen können auch Aufwendungen, die im Rahmen der Behandlung von Kindern von Beamten bei Krankheitsfällen oder aber bei Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge anfallen, beihilfefähig sein.
Nach den Beihilfeverordnungen der Länder sind notwendige Aufwendungen in angemessenem Umfange zu erstatten, wenn sie durch Maßnahmen bei Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit, zur Besserung oder Linderung von Leiden oder für die Beseitigung oder zum Ausgleich angeborener oder erworbener körperlicher Beeinträchtigungen entstanden sind. Hierneben kann auch ein Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen für Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge bestehen, soweit es sich bsplw. um Schutzimpfungen o.ä. handelt.
Das BVerwG stellt klar, daß es sich bei den Kosten für die Gewinnung und Konservierung der Spermien nicht um eine bloße Maßnahme der Gesundheitsvorsorge handelt. Diese Maßnahmen stünden vielmehr in direktem Bezug zur Erkrankung, dem therapiebedürftigen Hodenkarzinom. Auch wenn die Spermiengewinnung und – konservierung sich nicht direkt auf die Heilung des eigentlichen Leidens auswirkten, so zählten sie gleichwohl zu den Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minimierung wahrscheinlicher Behandlungsrisiken und Folgeleiden dienten und im Falle des Eintritts operationsbedingter Nebenfolgen diese ganz oder teilweise auszugleichen könnten. Da der Eintritt der Zeugungsunfähigkeit auch bei Anwendung ärztlicher Kunst wahrscheinlich war, komme es nicht darauf an, daß bei der Spermiengewinnung der Verlust der Zeugungsfähigkeit noch nicht feststand. Die Beihilfefähigkeit scheitere ebenso wenig daran, daß die Spermiengewinnung und -konservierung nicht zur Wiederherstellung der eigentlichen Zeugungsfähigkeit geeignet sei. Insoweit komme es auf einen vollständigen oder dauerhaften Erfolg nicht an. Ausreichend sei für die Beihilfefähigkeit, daß die Maßnahme bereits partiell und, auch nur vorübergehend dem Ausgleich erworbener körperlicher Beeinträchtigungen dient.
Schließlich erteilte das BVerwG auch der Argumentation der Beklagten, daß nach der Rechtsprechung des BSG die Kosten des Einfrierens und der Lagerung zuvor gewonnenen und aufbereiteten Spermas nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden müsse und dies hier genauso beurteilt werden müsse, eine Abfuhr. Der Senat verdeutlichte, daß es hier um die Anwendbarkeit von Beihilfevorschriften und nicht um Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung, die einen offensichtlich anderen Wortlaut aufweisen, in einem anderen systematischem Zusammenhang stehen und einen anderen Inhalt haben, ging.
Fundstelle: Urteil des BVerwG vom7. November 2006 – 2 C 11.06 –
Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser