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Einverständniserklärung / betriebliche Einheitsregelung bei Kurzarbeit
In vielen Betrieben und Unternehmen werden Arbeitnehmern derzeit Erklärungen zur Unterschrift vorgelegt, die mit „Zustimmung zur Kurzarbeit„, „betriebliche Einheitsregelung“ oder „Einverständniserklärung“ überschrieben sind. In allen Fällen sollen Arbeitnehmer damit die Einwilligung zur Kurzarbeit geben. Leider sind die meisten Formulare sehr arbeitnehmerunfreundlich, am schlimmsten ist das pauschale Formular der Bundesagentur für Arbeit (Einverständniserklärung zur Einführung von Kurzarbeit) – allerdings dürfte es auch nur zu einer unwirksamen Zustimmung führen.
Der Grund für die Formulare ist: Kurzarbeit kann der Arbeitgeber entgegen eines verbreiteten Rechtsirrtums nicht ohne weiteres aufgrund seines arbeitgeberseitigen Weisungsrechts eigenmächtig anordnen.
Vielmehr gehört eine „Absatzflaute“ zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers und entbindet ihn nicht von der Einhaltung des Arbeitsvertrags, der eine Beschäftigungspflicht vorsieht. Kann er also nicht mehr für die volle Arbeitszeit Arbeit anbieten, muss er trotzdem weiter den vollen Lohn zahlen.
Bei Kurzarbeit kommt es demgegenüber zu einem vorübergehenden Ruhen von Arbeits- und Entgeltzahlungspflicht.
Daher stellt die Einführung von Kurzarbeit einen schwerwiegenden Eingriff in die vertraglichen Ansprüche des Arbeitnehmers auf das Entgelt und die Beschäftigung dar und bedarf einer Rechtsgrundlage.
Der Arbeitgeber kann daher Kurzarbeit mit entsprechender Minderung des Entgelts nur aufgrund
a) Regelung im Arbeitsvertrag
b) kollektiv durch Tarifvertrag oder einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat
c) einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer
d) oder durch eine Änderungskündigung,
nicht aber auf Grund seines Direktionsrechts einführen.
a) Regelung von Kurzarbeit im Arbeitsvertrag
Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, Kurzarbeit zu akzeptieren, kann bereits im Arbeitsvertrag in einer sog. Kurzarbeitsklausel geregelt werden. In der Praxis fehlen aber in den meisten Arbeitsverträgen derartige Klauseln.
Außerdem sind viele Klauseln im Arbeitsvertrag zu Kurzarbeit unwirksam. Die Arbeitsgerichte haben verschiedene Klauseln bereits für unwirksam erklärt. Arbeitnehmer sollten daher den Arbeitsvertrag durch einen Anwalt prüfen lassen, wenn er eine Regelung für Kurzarbeit enthält.
Enthält der Arbeitsvertrag keine Regelung zur Kurzarbeit oder eine unwirksame Klausel, muss der Arbeitnehmer in Kurzarbeit einwilligen, sofern kein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung die Kurzarbeit erlaubt.
b) Kurzarbeit durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung
Tarifverträge sehen in manchen Branchen die Zulässigkeit von Kurzarbeit vor, allerdings unter gewissen Bedingungen (u.a. Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch Arbeitgeberzuschuss und oft auch Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen).
Sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden oder sieht der Srbeitsvertrag einen Verweis auf die entsprechenden Tarifverträge vor, kann Kurzarbeit angeordnet werden (wenn die gesetzlichen und tariflichen Voraussetzungen vorliegen). Besteht ein Betriebsrat, muss dieser aber trotzdem der Einführung von Kurzarbeit zustimmen.
Fehlt eine tarifvertragliche Regelung, kann Kurzarbeit auch durch eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat eingeführt werden. Die meisten Betriebsvereinbarungen sehen ähnliche Regelungen wie die Tarifverträge vor.
c) Kurzarbeit durch Vereinbarung: Einverständniserklärung bzw. betriebliche Einheitsregelung
Die Einwilligung wird in der Praxis oft durch eine sog. betriebliche Einheitsregelung mit den Unterschriften aller (betroffenen Arbeitnehmer) versucht. Das erhöht den Druck auf den Einzelnen weiter. Diese sind auch sehr einseitig an den Interessen des Arbeitgebers orientiert, leider auch das Muster, das die Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung stellt.
Hier gibt es aber eine Lösung: die modifizierte Einwilligung (siehe die nachstehende Arbeitnehmerfreundliche Einverständniserklärung), die auch sicherstellt, dass die Interessen der Arbeitnehmer – ähnlich wie bei einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit – gewahrt bleiben.
d) Änderungskündigung wegen Kurzarbeit
Eine Änderungskündigung werden einige Arbeitgeber versuchen, sie sind aber aussichtslos. Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung und damit auch Änderungskündigung ist ein dauerhaftes Bedürfnis nach reduzierter Arbeitszeit. Kurzarbeit darf aber nur bei vorübergehendem Arbeitsausfall genehmigt werden. Vorübergehende Schwankungen der Auslastung gehören also zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers.
Bei einer ordentlichen Änderungskündigung müssen zudem die Kündigungsfristen für Beendigungskündigungen eingehalten werden; die Reduzierung der Arbeitszeit und des Entgelts können in diesem Fall frühestens nach Ablauf der Kündigungsfrist in Kraft treten.
Selbst Arbeitgeberkanzleien halten schon eine ordentliche Änderungskündigung mit dem Ziel Kurzarbeit anzuordnen kaum für durchsetzbar. Das gilt erst recht für eine außerordentliche, also fristlose Änderungskündigung.
Allerdings muss hier eine wichtige Einschränkung gemacht werden: Wer in einem sog. Kleinbetrieb arbeitet, hat keinen Kündigungsschutz. Allerdings dürfte eine Kündigung wegen der Weigerung, Kurzarbeit mitzumachen, gegen das Maßregelungsverbot verstoßen. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht deshalb kündigen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt, § 612a BGB. Die Vorschrift ist auch in Kleinbetrieben zu beachten.
Folgen fehlender Rechtsgrundlage
Ordnet der Arbeitgeber rechtswidrig Kurzarbeit an, also ohne dass eine Rechtsgrundlage durch Arbeitsvertrag, Einwilligung, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung besteht, so führt dies grundsätzlich nicht zu einer Verkürzung der Arbeitszeit. Der Arbeitgeber bleibt dann dem vollen Lohnanspruch nach § 615 BGB ausgesetzt. Außerdem können die Arbeitnehmer sogar ihren Beschäftigungsanspruch mit 100 % der Arbeitszeit geltend machen.
Vorsicht vor Einverständniserklärung / Einwilligung / Zustimmung / betriebliche Einheitsregelung
Arbeitgeber versuchen daher mangels Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und arbeitsvertraglicher Regelung zur Zeit intensiv, Arbeitnehmer dazu zu bewegen Kurzarbeit zu akzeptieren. Jeder Arbeitnehmer muss für sich entscheiden, ob Kurzarbeit notwendig und sinnvoll ist, den oder die Arbeitsplätze zu erhalten. Allerdings sind viele Muster die im Internet kursieren (leider auch das Muster einer Einverständniserklärung der Bundesagentur für Arbeit) sehr weitreichend und pauschal. Danach kann nach Unterzeichnung sogar Kurzarbeit Null angeordnet werden. es ist auch keine Ankündigungfrist vorgesehen.
Kurzarbeit: Änderung zum Arbeitsvertrag
Wenn ein Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vorgelegt wird, sollten Arbeitnehmer erst recht nicht unterschreiben. Denn dann geben sie für immer und ewig die Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit.
Kurzarbeit hat aber eine Menge Nachteile, wenn man nicht aufpasst als Arbeitnehmer. So reduziert sich das Entgelt bei Kurzarbeit Null auf das, was man bei Arbeitslosigkeit erhalten würde, wenn es keinen Aufstockungsbetrag gibt. Muss trotzdem gekündigt werden, wird in der Kündigungsfrist auch nur Gehalt in Höhe des Kurzarbeitergeldes gezahlt. Zudem sollten Arbeitnehmer darauf achten, dass sie nicht für immer und ewig die Zustimmung zu Kurzarbeit erteilen.
Wenn Sie das Muster der „arbeitnehmerfreundlichen Einverständniserklärung“ nutzen, wird ein Teil der Nachteile vermieden.
Muster einer Einwilligungsvereinbarung Kurzarbeit wegen Folgen der Covid19 Pandemie
Vereinbarung zur Kurzarbeit
Sehr geehrte/r Frau/Herr.,
aufgrund der mit der Coronavirus Pandemie verbundenen Maßnahmen muss für verschiedene Abteilungen unseres Betriebes befürchtet werden, dass es vorübergehend erhebliche Rückgänge der anfallenden Arbeiten geben wird.
Daher beabsichtigen wir, zwischen dem xx.xx.xxxx und dem xx.xx.xxxx Kurzarbeit mit rechtzeitiger Anzeige bei der Agentur für Arbeit (§§ 95ff. SGB III) einzuführen.
Es
kann bislang nicht abgesehen werden, welchen Umfang und welche Dauer die
Kurzarbeit haben wird. Es kann daher durchaus dazu kommen, dass eine Arbeit im
Betrieb nicht möglich ist und daher die Arbeit vollständig ausfällt (Kurzarbeit
Null).
Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die vereinbarte Vergütung im Verhältnis
der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit.
Die Kurzarbeit kann jederzeit wieder aufgehoben werden.
Gegenüber den betroffenen Mitarbeitern werden wir eine Ankündigungsfrist von (1/3/5/7) Tagen einhalten.
Um durch Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld die wirtschaftliche Existenz des Betriebs sicherzustellen und um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, benötigen wir Ihre Unterstützung.
Durch
Unterzeichnung dieses Schreibens erklären Sie sich mit der Durchführung und dem
Umfang der Kurzarbeit einverstanden.
Mit freundlichen Grüßen
[Ort, Datum, Unterschrift Arbeitgeber]
Arbeitnehmerfreundliche Einverständniserklärung
Ich bin bis auf weiteres damit einverstanden, in Kurzarbeit zu gehen, sofern eine Ankündigungsfrist von __ Tagen eingehalten wird und eine betriebsbedingte Kündigung ausgeschlossen wird, solange im Betrieb Kurzarbeit besteht.
Meine Zustimmung zur Kurzarbeit steht zudem unter dem Vorbehalt, dass Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur gezahlt wird und eine Aufstockung auf __ % meines Nettogehaltes durch das Unternehmen erfolgt.
Meine Zustimmung steht ausserdem unter dem Vorbehalt, dass während der Kurzarbeit bei den folgenden Tatbeständen der jeweilige Anspruch so berechnet wird, als würde nicht kurz gearbeitet:
1. Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld
2. Entgelt für gesetzliche Feiertage
3.Vermögenswirksame Leistungen
4. Weihnachtsgeld
5. Sonstige Sonderzahlungen
6. Beiträge zur betrieblichen und tariflichen Altersvorsorge
7. Geldzahlungen für Freischichten
8. Tarifliche Jahresleistungen
Soweit nach Beendigung der Kurzarbeit die Höhe der Leistungen (z.B. Urlaubsentgelt, Entgeltfortzahlung, Kündigungsfrist) von Zeiträumen abhängt, in denen Kurzarbeit geleistet wurde, müssen die Leistungen so berechnet werden, als ob keine Kurzarbeit eingeführt worden wäre.
Das Kurzarbeitergeld wird jeweils zum Monatsende gezahlt, unabhängig davon, wann die Erstattung durch die Agentur für Arbeit erfolgt. Außerdem behalte ich mir vor, die Zustimmung zur Kurzarbeit jederzeit zu widerrufen, insbesondere wenn sich Nachteile für mich ergeben sollten (zB beim Elterngeld).
Wird – aus welchen Gründen auch immer – kein Kurzarbeitergeld durch die Arbeitsagentur gezahlt, verpflichtet sich das Unternehmen, mir das volle arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt zu zahlen, insbesondere falls eine Kündigung erfolgt, auch während der Kündigungsfrist. Diese Regelung gilt auch für einen nachträglichen Widerruf des Kurzarbeitergeldes.
Meine Zustimmung ist befristet auf die aktuelle Beantragung von Kurzarbeit aufgrund der Coronapandemie und gilt nicht für zukünftige Fälle von Kurzarbeit.“
______________________________________
Ort/Datum/Unterschrift Arbeitnehmer
Einverstanden:
______________________________________
Ort/Datum/Unterschrift Arbeitgeber
Autor
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl (Köln/Bonn)
bundesweite Beratung per Telefon, Skype, Zoom und Facetime
bekannt durch zahlreiche Interviews zum Thema in ARD, WDR, SWR, Bild.de u.a. Medien