Es ist Mitte Juni, sommerlich warm und kurz vor den Sommerferien? Dann träumt man schon über den bevorstehenden lang ersehnten Sommerurlaub. Damit Träume wahr werden und nicht zu einer rechtlichen Falle, soll mit den gängigen Rechtsirrtümern zum Urlaubsanspruch aufgeräumt werden.
1. Der einmal genehmigte Urlaub darf nicht mehr gestrichen werden
Irrtum. Allerdings darf der genehmigten Urlaub grundsätzlich nicht mehr widerrufen werden, sondern nur in Notfällen.
Der Arbeitnehmer Kurz arbeitet beim örtlichen Krankenhaus des Stadt S als Blutkurrier. Seine Aufgabe ist es Blutkonserven nach Bedarf zu transportieren. In der dritten Juni Woche wird ihm Urlaub für 2 Wochen gewährt. Am Tag vor Urlaubsbeginn ereignet sich eine große Katastrophe in der Stadt S, die es erforderlich macht, dass alle Krankenhauskräfte im Dienst sind.
Nur bei solch dramatischen Situationen wäre der Arbeitgeber berechtigt, den genehmigten Urlaub wieder abzusagen und den Mitarbeiter in den Dienst einzuberufen. Einen Personalengpass ist kein Grund, der zum Widerruf des Urlaubs berechtigt.
Abseits der krassen Katastrophenfälle kann der Urlaun in sonstigen dringenden Fällen nur nach Zustimmung des Arbeitnehmers aufgehoben bzw. verschoben werden. Das soll, muss aber nicht schriftlich erfolgen. Kann der Arbeitgeber allerdings nicht nachweisen, dass der Arbeitnehmer auf der Urlaub verzichtet hat, so drohen dem Arbeitgeber Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers.
Wichtig! Wenn der Arbeitnehmer sich weigert zur Arbeit zu erscheinen, obwohl der Urlaubswiderruf rechtsmäßig ist, muss mit Abmahnung oder sogar fristloser Kündigung wegen Arbeitsverweigerung gerechnet werden.
Die Kosten der Widerrufsfolgen, wie Stornogebühren, sonstige Urlaubsaufwendungen muss der Arbeitgeber tragen. Unstreitig muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Urlaub zu einem späteren Zeitpunkt nachgewähren.
2. Krankheit im Urlaub wird auf die Urlaubstage angerechnet
Irrtum! Als Arbeitnehmer sind Sie verpflichtet, bei Erkrankung im Urlaub diese dem Arbeitgeber und der Krankenkasse anzuzeigen. Die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit soll unverzüglich (sofort) erfolgen und die voraussichtliche Dauer der Erkrankung beinhalten. Wenn die Erkrankung länger andauert, dann müssen dem Arbeitgeber auch weitere Krankmeldungen vorgelegt werden.
Der Urlaubsanspruch wird durch Erkrankung nicht berührt – das heißt die Tage in denen der Arbeitnehmer krank war, zählen nicht als Urlaub – sie werden vom Urlaubsanspruch nicht abgezogen!
Die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit muss auch dann erfolgen, wenn Sie im Ausland krank werden. Dann am besten, den Arbeitgeber per Telefon erreichen, weil die Briefsendung aus dem Ausland vermutlich zu lange dauern wird.
3. Bei Freistellung entfällt der Urlaubsanspruch
Irrtum! Hier muss die genaue Formulierung des Aufhebungsvertrages beachtet werden. Auch tarifliche Normen können hierzu Regelungen enthalten.
Kurz will nicht mehr bei seinem Arbeitgeber Lang arbeiten. Die Arbeit bei Lang unterfordert ihn. Im Personalgespräch einigen sich die Parteien, dass der Arbeitsvertrag nicht länger aufrecht erhalten werden soll. Vielmehr soll Kurz in 3 Wochen zum Monatsende gehen können. Zum Ausgleich der kurzen Trennungszeit wird Kurz bis zum Monatsende unter Entgeltfortzahlung freigestellt. Anfang des nächsten Monats meldet sich Kurz bei Lang und meint, Lang müsse ihm noch den nicht genommenen Urlaub abgelten.
Wenn im Aufhebungsvertrag keine Anrechnungsklausel der Form: ”Der Mitarbeiter wird unter Anrechnung seines Urlaubsanspruchs bis … freigestellt.” enthalten ist, dann muss Lang hier tatsächlich den Urlaub durch Geldzahlung abgelten. Ansonsten wird der Urlaubsanspruch durch Freistellung tatsächlich aufgebraucht.
Allerdings dürfen sie den Urlaub nicht eigenmächtig um die Krankheitstage verlängern. Vielmehr wird der infolge Krankheit nicht verbrauchte Urlaub nach der planmäßigen Rückkehr ihrem Urlaubskonto wieder gutgeschrieben.
4. Ich kann Urlaub schon nach Ende der Probezeit beanspruchen
Irrtum! Die Dauer der Probezeit ist nicht maßgeblich. In § 4 Bundesurlaubsgesetz steht, dass der Urlaubsanspruch nach einer Wartezeit von 6 Monaten entsteht. Das gilt für Arbeiter und Angestellte, sowie Auszubildende. Auch arbeitnehmerähnliche Personen – zum Beispiel Solo Selbstständige, die überwiegend für einen Auftraggeber arbeiten – haben einen Anspruch auf Urlaub.
5. Nach der Wartezeit von 6 Monaten habe ich nur einen Anspruch auf einen Teil des Jahresurlaubs
Irrtum! Das Gesetz ist unzweideutig. Nach Erfüllung der Wartezeit entsteht der volle Urlaubsanspruch. Er beträgt jährlich mindestens 24 Werktage, also vier Wochen. Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag können längeren Urlaubsanspruch vorsehen.
Aber es gibt drei Konstellationen, in denen nur ein Teilanspruch besteht:
a. Wenn der Arbeitnehmer bspw. erst im August eines Kalenderjahres seine Arbeit aufnimmt und deshalb keine 6 Monate zum Jahresende gearbeitet hat. Dann kann er einen Teil von 5/12 des Urlaubsanspruches geltend machen oder auf das nächste Jahr übertragen. Wichtig! Wenn das Arbeitsverhältnis am 01.07 des Jahres beginnt, dann kann die Wartefrist bis zum Jahresende noch gewahrt werden. Es gibt dann einen vollen Urlaubsanspruch.
b. Wenn der Arbeitnehmer vor erfüllter Wartezeit ausscheidet
c. Wenn der Arbeitnehmer zwar 6 Monate schon gearbeitet hat, aber in der ersten Jahreshälfte ausscheidet. Hier kann der Arbeitgeber auch in der Regel nicht das Urlaubsentgelt für bereits gewährten vollen Jahresurlaub zurückfordern, wenn er diesen schon im ersten Halbjahr gewährt hat. Scheidet der Arbeitnehmer aber nach dem 30.06 aus, besteht voller Urlaubsanspruch!
6. Jedem Arbeitnehmer stehen mindestens 4 Wochen Urlaub im Jahr zu
Irrtum! Im Gesetz steht, dass jedem Arbeitnehmer nach Erfüllung der Wartezeit 24 Werktage als Urlaub zustehen. Was Werktage sind, richtet sich nach dem Betrieb und dem Vertrag. Wird in einem Betrieb 6 Tage die Woche gearbeitet, dann sind es tatsächlich 4 Wochen. Bei 5 Arbeitstagen sind es entsprechend etwas mehr. Einzelarbeitsverträge oder Tarifverträge können auch längere Urlaubszeiten beinhalten. Verbreitet sind mehr als 25 Arbeitstage, das heißt mehr als fünf Wochen pro Jahr .
7. Der Urlaubsanspruch verfällt, wenn man ihn nicht bis Jahresende nimmt
Irrtum! Es gibt Fälle, in denen der Urlaub auf das nächste Jahr übertragen wird. Er muss dann bis zum 31.03 gewährt und genommen werden.
Diese Fälle sind:
a. Der Fall wie oben, wenn der Arbeitnehmer erst nach August des Kalenderjahres sein Arbeitsverhältnis beginnt.
b. Wenn eine werdende Mutter vor Beginn des Beschäftigungsverbotes noch keinen Urlaub genommen hat.
c. Wenn werdende Eltern vor Beginn der Elternzeit noch keinen Urlaub genommen haben.
d. Schließlich kann es vorkommen, dass dringende betriebliche Gründe es nicht erlauben, den Arbeitnehmer in den Urlaub zu entlassen oder aber der Arbeitnehmer selbst kann aus Gründen in seiner Person, zum Beispiel längere Erkrankung, keinen Urlaub nehmen.
8. Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Urlaub in Geld abzugelten
Irrtum! Der Erholungsurlaub dient dazu, dem Arbeitnehmer Freizeit zur Erholung zu geben. Er soll gesundheitlich nicht überansprucht werden. Dieser Anspruch wird gesetzlich geschützt.
Der Urlaub muss allerdings durch Geldzahlung abgegolten werden, wenn der Arbeitnehmer ausscheidet, ohne dass er den Urlaub genommen hat.
9. Die Höhe des Urlaubsgeldes beträgt einen Monatsgehalt
Irrtum! Mit Ausnahme der Regelungen im Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag gilt der Grundsatz, dass die Höhe des Urlaubsgeldes nach dem Durchschnittsverdienst in den letzten 13 Wochen zu messen ist. Dabei werden Zulagen, regelmäßige Prämien, Provisionen und Nachzuschläge berücksichtigt, nicht jedoch einmalige Zahlungen und auch nicht Überstunden.
10. Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Sonderurlaub
Irrtum! Das Thema ist komplex. Als Sonderurlaub werden mehrere Arten von Freistellungen bezeichnet. Der echte Sonderurlaub ist der, dass der Arbeitnehmer unbezahlte Freizeit verlangt, etwa, um ein Sabbatical zu machen. Hierauf hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch, sondern muss sich mit dem Arbeitgeber handelseinig werden.
In anderen Fällen gibt es spezielle Regelungen, etwa das Kinderkrankengeld, wenn eine Mutter oder Vater sich um ein erkranktes Kind kümmern muss und nicht zur Arbeit kann oder auch Freistellung des Betriebsratsmitglieds zur Wahrnehmung der Betriebsratsarbeit (zum Fall der Freistellung bei Schichtdienst haben wir kürzlich berichtet).
Es gibt aber auch einen gesetzlichen Anspruch auf Arbeitsfreistellung in § 616 BGB, wenn es Gründe, die in Person des Arbeitnehmers liegen, ihm die Arbeitsaufnahme nicht erlauben.
Anerkannt sind u.a.:
- 1 Tag bei Niederkunft der Partnerin (Ehefrau, Lebenspartnerin)
- 2 Tage bei Tod der Partnerin oder des Partners, eines Kindes oder eine Elternteils
- 1 Tag bei Umzug an einen anderen Ort
- 1 Tag bei Arbeitsjubiläum von 25 oder 40 Jahren
- erforderliche ärztliche Behandlungen in der Arbeitszeit
Wichtig! Fällt das Ereignis, das zu Sonderurlaub berechtigen würde auf einen Tag, wo der Arbeitnehmer sowieso nicht hätte arbeiten müssen, dann erlischt der Anspruch auf Sonderurlaub.
Weiter wichtig ist, dass die Vorschrift von § 616 BGB nicht gilt, wenn der Urlaubsgrund nicht in Person des Arbeitnehmers liegt: Stau, Streik, Unwetter u.a.. Es gibt eine sehr weit verzweigte Rechtsprechung zu dieser Vorschrift, die viele Einzelfälle beinhaltet, sodass hier keine komplette Auflistung erfolgen kann.
Dieser Anspruch ist schließlich dispositiv. Im Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag können andere Regelungen zu Sonderurlaub getroffen werden.
Boris Schenker
Assessor
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl und Köln
Interviews von Rechtsanwalt Felser zum Thema Urlaub (u.a.):
Bitte beachten Sie, dass die Links auf die Seiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender nach dem Rundfunkstaatsvertrag nur ein Jahr lang gültig sind, danach müssen die Sender die Seiten aus dem Internet entfernen.
WDR 2 vom 21.10.2014
Mehr Urlaub für Ältere: Bundesarbeitsgericht entscheidet zu kürzerem Urlaubsanspruch für jüngere Arbeitnehmer
Rechtsanwalt Felser live im Studio mit Jürgen Mayer und Beantwortung von Hörerfragen
Infoblatt mit Podcast
WDR 2 und WDR 5 Quintessenz vom 12.8.2013
Kann die Bahn den bereits genehmigten Urlaub ihrer Mitarbeiter widerrufen
Interviews mit Rechtsanalt Felser
online wegen Rundfunkstaatsvertrag nicht mehr verfügbar
WDR 2 Westzeit vom 9.7.2013
Fragen rund um dem Urlaub im Arbeitsrecht
Rechtsanwalt Felser wird von Stefan Quoos interviewt
online wegen Rundfunkstaatsvertrag nicht mehr verfügbar
SWR 1 vom 12.1.2013:
Mehr Urlaub für Brückenbauer – den Urlaub rechtzeitig planen und Ärger vermeiden. Informationen zu Rechten der Arbeitnehmer bei Urlaub und Urlaubsplanung nach dem Bundesurlaubsgesetz. Ein Beitrag zum Thema „Brückentage“ von Uwe Bettendorf – Interview mit Rechtsanwalt Felser (Beitrag und Podcast zum Nachhören online)
SWR 1 Arbeitsplatz vom 14.1.2011 – 14.00 Uhr
Zoff um den Urlaub – Welche Spielregeln müssen bei der Urlaubsplanung beachtet werden?
Beitrag von Uwe Bettendorf mit Interview von Rechtsanwalt Michael W. Felser
WDR2 Westzeit vom 09.07.2012:
Ferien und Arbeitnehmerrechte – Was geht im Urlaub?
Rechtsanwalt Felser im Interview mit Stefan Quoos
WDR5 Profit vom 07.07.2012:
Arbeiten trotz Urlaub: Jobben im Urlaub (Arbeitnehmer und Studenten)
Rechtsanwalt Felser im Interview mit Linda Staude
WDR 2 WESTZEIT vom 25.7.2011
Kann mein Chef mich aus dem Urlaub zurückrufen und andere Leserfragen
Redaktion Frank Schenking mit Interview von Gudrun Höpker, Studiogast Michael W. Felser
WDR 2 vom 19.7.2011
Krank im Urlaub: Schniefnase statt Strand (mit Audiodatei)
Beitrag von Ute Schnys mit Radiointerview von Michael W. Felser
Aachener Zeitung vom 17.7.2011
Minijobber haben Anspruch auf Urlaub
Beitrag von Rolf Winkel mit Interviewzitat von Michael W. Felser
SWR 1 Arbeitsplatz vom 14.1.2011 – 14.00 Uhr
Zoff um den Urlaub – Welche Spielregeln müssen bei der Urlaubsplanung beachtet werden?
Beitrag von Uwe Bettendorf mit Interview von Rechtsanwalt Michael W. Felser