Freispruch des „Bäckers von Siegelsbach“ aufgehoben
Mit Urteil vom 22. Mai 2007 hat der Bundesgerichtshof den durch Urteil des Landgericht Heilbronn vom 21. April 2006 erfolgten Freispruch des als „Bäcker von Siegelsbach“ bekanntgewordenen Angeklagten aufgehoben (1 StR 582/06).
Am 7. Oktober 2004 kurz vor 14:00 Uhr war die Sparkassenfiliale in Siegelsbach – einer rund 1.700 Einwohner zählenden Gemeinde im Landkreis Heilbronn – überfallen worden. Der mit einer Pistole bewaffnete Täter hatte bei dem innerhalb weniger Minuten stattfindenden Überfall 33.414 € erbeutet, hierbei zunächst den Sparkassenangestellten mit wuchtigen Schlägen auf den Kopf – mutmaßlich mit der Pistole – lebensgefährlich verletzt und einem kurz darauf die Bank betretenden Mann mit aufgesetzter Pistole in den Nacken geschossen, wobei das Projektil unterhalb des Unterkiefers wieder austrat den Mann lebensgefährlich verletzte. Die Ehefrau des Kunden tötete er durch zwei Schüsse in den Kopf aus nächster Nähe.
Aufgrund der gegenüber den Ersthelfern geäußerten Worte des Kunden „Bäcker… Siegelsbach“, unter Einschränkung „Ich bin mir nicht sicher.“ und Angabe des Sparkassenangestellte, der Täter habe ausgesehen wie der ihnen bekannte Dorfbäcker von Siegelsbach, geriet der Angeklagte in Verdacht. Zudem war der Angeklagte zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts, in finanziellen Schwierigkeiten, hatte jedoch noch am Tattag 10.000 € bar (unter anderem mit 14 500 €-Scheinen, 15 500 €-Scheine waren Teil der Tatbeute) bei seiner Bank eingezahlt und auf dem Grundstück des Angeklagten waren weitere 20.000 € sichergestellt worden. Am Fahrersitz des vom Angeklagten genutzten Fahrzeugs wurde eine Blutspur sichergestellt, die hoher Wahrscheinlichkeit dem Bankangestellten zuzuordnen war. In der Asche eines des in einem Steinbruch am Tattag entzündeten Feuers wurden u. a. Adressaufkleber des Angeklagten gefunden, bei einer Monate später erfolgten Nachuntersuchung der Brandstelle wurden Reste eines seltenen Jägerstiefels gefunden, welche mit Fußabdrücke am Tatort übereinstimmten – der Angeklagte hatte derartige Stiefel mit derselben Schuhgröße besessen.
Das Landgericht hatte jedoch aufgrund der Aussage eines Anwohners, welcher angegeben hatte, den Angeklagte genau um 13:54 Uhr – die Uhrzeit habe er an der Kirchturmuhr abgelesen – in der Nähe der Sparkasse mit seinem Auto ortsauswärts fahren gesehen zu haben, Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten und ihn vom Vorwurf des Mordes und zweifachen Mordversuchs freigesprochen, da der Angeklagte ein Alibi gehabt habe, denn der Täter habe zu diesem Zeitpunkt schon in der Sparkasse gewesen sein müssen. Das auffällige Auto des Angeklagten sei nicht in der Nähe der Bank gesehen worden, die Tatwaffe des Überfalls konnte nicht gefunden werden und Beweise, dass das von dem Angeklagten eingezahlte, bzw. auf seinem Grundstück aufgefundene Geld aus der Bank stammte, bestanden nicht.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei jedoch rechtfehlerhaft, da „auch mehrere, für sich nicht zwingende, aber gleichwohl noch signifikante Belastungsanzeichen in ihrer Gesamtheit den Tatnachweis erbringen können“ und somit das Landgericht die Indizienbeweise falsch gewertet habe, indem der Zweifelssatz (in dubio pro reo) bereits bei Würdigung der einzelnen Beweisanzeichen, nicht jedoch erst bei der abschließenden Würdigung aller Beweise angewendet worden sei. Die entlastende Aussage des Alibizeugen sei vorschnell als zutreffend und die übrigen Beweise ausschließend gewertet worden. Die Sache wurde an das Landgericht Stuttgart zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Frings
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht
SKFH – Schlegelmilch Kremer Frings Hellmig
www.skfh.eu