In der mündlichen Verhandlung am 22. November 2006 wird sich das Bundesverfassungsgericht mit einer weiteren Verfassungsbeschwerde des Chefredakteurs des Politmagazins CICERO befassen (Az.: 1 BvR 2045/06 und Az.: 1 BvR 538/06), so verlautete es heute aus Karlsruhe. Diese steht ebenfalls im Zusammenhang mit der Durchsuchung der Redaktionsräume der Zeitschrift. Dabei geht es um die Beschlagnahme der physikalischen Datenkopie der Festplatte des Computers eines ehemaligen Mitarbeiters der CICERO-Redaktion.
Vorwurf: Beihilfe zum Geheimnisverrat
Im April 2005 veröffentlichte CICERO einen Artikel über den mittlerweile ums Leben gekommenen Terroristen Abu Mousab al Zarqawi. In diesem Beitrag wird aus einem internen, als Verschlusssache gekennzeichneten Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA) ausführlich zitiert.
Durch diesen Artikel des Journalisten Bruno Schirra sah die Staatsanwaltschaft Potsdam allerdings wesentliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland erheblich beeinträchtigt. Die Staatsanwälte leiteten ein Ermittlungsverfahren ein und beantragten beim Amtsgericht Potsdam erfolgreich die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Autors sowie der Redaktionsräume der Zeitschrift CICERO in Potsdam.
Begründung: Der Journalist habe ein Geheimnis im Sinne des § 353 b Strafgesetzbuch (StGB) veröffentlicht und hierdurch eine strafbare Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses begangen. Sowohl Schirra als auch dem CICERO-Chefredakteur sei bekannt gewesen, dass der Mitarbeiter des BKA den Bericht mit der Absicht weitergegeben habe, den geheimen Inhalt der Mitteilung in der Presse zu veröffentlichen.
Die Strafverfolger stellten Mitte September 2005 in den Redaktionsräumen schließlich verschiedene Datenträger sicher und kopierten die Festplatte des Computers, mit welchem der seinerzeit für den Artikel zuständige Redaktionsmitarbeiter gearbeitet hatte.
Pressefreiheit verletzt?
Dieser Durchsuchung hätten die Gerichte, das anordnende Amts- sowie das die Beschewerde verwerfende Landgericht, ihren Segen nicht erteilen dürfen, wenn sie die Bedeutung des
Grundrechts der Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG), richtig erkannt hätten.
Die Strafvorschrift des § 353 b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses) müsse im Lichte dieses Grundrechts in dem Sinne ausgelegt werden, dass sich Journalisten, die
ihnen offenbarte Dienstgeheimnisse in der Presse veröffentlichten, nicht wegen Beihilfe zum Verrat von Dienstgeheimnissen strafbar machten.
Darüber hinaus sei von den Gerichten die presseschützende Vorschrift des § 97 Abs. 5 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO), die eine Beschlagnahmebeschränkung zugunsten der Presse enthalte, nicht angewandt worden.
Auch sei es unzulässig, wenn die Durchsuchung der Presseräume sowie die damit einhergehende Beschlagnahme vorwiegend der Ermittlung des Informanten aus dem Bundeskriminalamt (BKA) dienen sollten. Dies lasse sich mit dem Informantenschutz nicht vereinbaren. Schließlich sei die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung angesichts des Umstandes, dass nur gegen den Gehilfen ermittelt wurde, unverhältnismäßig gewesen.
Thomas Hellwege, Journalist