Neue Abmahnwelle breitet sich aus

Aktuell Anfang Dezember erhalten viele Internetnutzer Post der altbekannten Abmahnanwälte U + C Rechtsanwälte aus Hamburg. In dieser Post wird im Namen einer „The Archive AG“ aus der Schweiz eine angebliche Urheberrechtsverletzung geltend gemacht.

Begangen wurden diese Verletzungen in der Regel im Juli bzw. August diesen Jahres. Angeblich sollen die Rechte der Schweizer Firma, die angeblich das ausschließliche Vervielfältigungsrecht der genannten Werke besitzt, durch das Streamen des Werkes über den angegebenen Internetanschluss verletzt worden sein. Bei den kulturell hochwertigen Werken handelt es sich um Filme mit Namen wie „Miriam´s adventures“ oder „Amanda´s secrets“. Diese sind übrigens im Internet nirgendwo auffindbar und scheinen nur auf dieser Stream Seite RedTube.com zu existieren.

Die Anwälte behaupten eine seitens der Schweizer Firma beauftragte Ermittlungsfirma, deren Name wohlweißlich verschwiegen wird, habe die IP Adresse des abgemahnten Internetnutzers herausgefunden. Daher habe man via Auskunftsanspruch durch das LG Köln von dem genutzten Internet- Provider die Adressdaten herausverlangt und auch erhalten. Es wird sogar ein Beschluss Aktenzeichen genannt, welches bisher unsererseits nicht überpüft werden konnte.

In der rechtlichen Erörterung dieses Abmahnschreibens wird behauptet, durch das Streamen des Werkes finde eine technisch notwendige Zwischenspeicherung statt, die eine Vervielfältigung nach § 16 UrhG darstelle und nur dem Rechteinhaber zustehe. Daher sei ein Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz entstanden.

Freundlicherweise wird eine vorformulierte strafbewehrte Unterlassungserklärung mitgeschickt, die der Abgemahnte lediglich unterschreiben muss, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Diese Erklärung soll innerhalb der kurzen Frist von 5 Tagen im Original an die Anwälte geschickt werden und die Schadensersatzkosten gleichzeitig überwiesen sein, um die Angelegenheit zivilrechtlich zu erledigen.

Auch der geforderte Schadensersatz wird gleich berechnet. Durch die unerlaubte Verwertung sei ein Schaden von 15,50 € entstanden nebst der Aufwendungen für die Ermittlungsfirma und die Gerichtskosten kommen noch einmal 65 € dazu. Zusammen mit den Rechtsanwaltsgebühren kommt eine Summe von insgesamt 250 € zustande.

Diese Abmahnungen sind aus mehreren Aspekten mehr als fragwürdig. Die geforderte Summe sollte in keinem Fall direkt gezahlt werden.

Zunächst ist rechtlich mehr als umstritten, ob Streamen an sich als Urheberrechtsverletzung angesehen werden kann. Die behauptete Zwischenspeicherung ist dafür nicht per se notwendig. Auch bleibt fraglich, ob eine Zwischenspeicherung im cashe tatsächlich als eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG angesehen werden kann. Zitiert wird hier ein Urteil des AG Leipzig (vom 21.12.2011 – Az 200 Ls 390 Js 184/11). In diesem Urteil wird allerdings der upload eines Filmwerks auf den Server des Filehosters als Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG bewertet. Die Wiedergabe des Filmwerks durch das Streamen auf dem Rechner des Datenempfängers wird dagegen als Verbreitung durch Inverkehrbringen im Sinne des § 17 UrhG bewertet und gegen den Filehoster gewandt, nicht gegen den Nutzer. Insgesamt geht es in dem zitierten Urteil um die Strafbarkeit des Betreibers eines solchen Internet Portals.

Ein weiterer  nicht unwichtiger Punkt in dieser Sache ist die Frage, wie diese Ermittlerfirma an die entsprechenden IP Adressen gelangt ist. Beim surfen auf Stream Seiten werden die Daten des Nutzers nur der Stream Seite bekannt. Wie wurde es also technisch bewerkstelligt an die IP Adressen zu kommen? In Tauschbörsen können die IP Adressen beim Daten hochladen ermittelt werden, nicht aber bei Stream Seiten. Hat evt. der Betreiber des Internet Portals hier mitgewirkt? Manche sprechen sogar schon von einem honeypot – also einer Seite die nur dazu eingerichtet wurde, um Nektar zu saugen indem man Nutzer sammelt und sie gegen Gebühr abmahnt….

In Frage steht daher durchaus, ob nicht die Daten sogar illegal erworben worden sein könnten. Interessant auch, dass die große Mehrheit der Betroffenen bei der Telekom Kunde war und deren Provider Dienste nutzte. Hier gab es ja bereits  in der Vergangenheit Datenklau, könnte dieser damit etwas zu tun haben?

Wir sind an die erste Abmahnung dieser Art gekommen über Mandanten, die beide im Rentenalter sind und sehr sicher, dass sie diese Pornoseite nicht besucht haben. Dies geht auch anderen Abgemahnten so. Manche lagen zur Tatzeit im Krankenhaus oder im Bett – ohne Rechner. Spielt hier vielleicht auch eine Rolle, dass das Thema Porno und solche Seiten wie YouPorn oder Pornhub im Internet zu besuchen noch immer mit Scham behaftet ist und die Auftraggeber glauben, dass Leute allein aus Scham zahlen? Und ist es Zufall, dass Weihnachten vor der Tür steht und einige Weihnachtsgeld haben, um eine solche „Schuld“ bezahlen zu können?

Was Tun? – Wer reagieren möchte, kann eine eigene modifizierte Erklärung  gegenüber den Anwälten abgeben in der vorsorglich, aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudizierende Wirkung für die Zukunft ausgeschlossen wird, dieses Werk oder Teile davon im Rahmen von Streaming im Internet zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen. Um eine Wiederholungsgefahr auszuschließen und die Ernsthaftigkeit der Erklärung zum Ausdruck zu bringen, kann man sich zu einer Vertragsstrafe verpflichten, wie dies auch in der vorgefertigten Erklärung steht. In keinem Fall sollte ungeprüft die geforderte Summe bezahlt werden. Wer sich unsicher ist, sollte in jedem Falle Rat bei dem Anwalt seines Vertrauens suchen.

 

 

 

 

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