Wie bereits berichtet und zu erwarten war, hat der EuGH die deutschen Kündigungsfristen gekippt. In § 622 BGB und vielen darauf Bezug nehmenden oder sich anlehnenden Tarifverträgen werden die Arbeitsjahre bis zum 25. Lebensjahr bei der Betriebszugehörigkeit und damit auch bei der Dauer der Kündigungsfristen nicht berücksichtigt. Das diskriminiert junge Menschen wegen des Alters. Die EU-Richter gingen in ihrem Urteil entschlossener an diskriminierende Gesetzesvorschriften ran als wir das von unseren nationalen Gerichten gewöhnt sind. Während das Bundesverfassungsgericht z.B. beider Diskriminierung von Arbeitern bei den Kündigungsfristen vor einer Nichtigkeitserklärung des Gesetzes zurückschreckte und den Gesetzgeber erst mahnte, dann eine lange Übergangsfrist einräumte, fackelten die Richter des EuGH in Brüssel nicht lange: Sie wiesen die deutschen Gerichte an, ab sofort die unzulässige Diskriminierung zu beenden und die Jahre vor dem vollendeten 25. Lebensjahr bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit anders als in § 622 BGB vorgesehen zu berücksichtigten.

„Es obliegt dem nationalen Gericht, in einem Rechtsstreit zwischen Privaten die Beachtung des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78 sicherzustellen, indem es erforderlichenfalls entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts unangewendet lässt, unabhängig davon, ob es von seiner Befugnis Gebrauch macht, in den Fällen des Art. 267 Abs. 2 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung um Auslegung dieses Verbots zu ersuchen.“

Ein bisschen Diskriminierung gibt es eben genausowenig wie eine übergangsweise hinzunehmende Diskriminierung. Ich finde die Haltung des EuGH konsequent. Wir bilden uns in Deutschland nämlich nur ein, ein fortschrittliches Arbeitsrecht zu haben.

EuGH vom 19.1.2010 Rechtssache C-555/07 (Urteil im Volltext)

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Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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