Eine Mandantin von mir legt mir nach 12 Jahren Beschäftigung eine auf den 1.12.2009 datierte Kündigung vor. 1.12. – da ist man als Arbeitsrechtler erst mal ratlos. Was bewegt einen Arbeitgeber, eine Kündigung auf den 1. Tag eines Monats zu datieren und diese an diesem Tage zu übergeben? Vernünftige Gründe lassen sich dafür nicht finden. Entweder hat der Arbeitgeber es nicht geschafft, die Kündigung am Monatsende zugehen zu lassen, dann ist es ein peinliches Eingeständnis. Oder der 1.12. ist ein demonstratives Datum. Man wollte der Mandantin nicht nur den Jahresanfang 2010 vermiesen, sondern auch die Adventszeit und das Weihnachtsfest. Für Psychologen ein reiches Deutungsfeld. Juristen ist das egal: Eine stillose Kündigung ist wirksam, sogar eine geschmacklose Kündigung wäre das wohl. Nicht einmal eine Kündigung zur Unzeit – z.B. in zeitlichem Zusammenhang mit einem Trauerfall im engsten Familienkreis oder an Heiligabend – kann alleine die Kündigung anfechtbar machen. Das Bundesarbeitsgericht begründet dies im ersten Fall damit, das es keinen Sonderkündigungsschutz wegen des Todes eines nahen Angehörigen, eines Ehegatten oder Lebensgefährten gebe. Nach Ansicht des Gerichts könne eine zur Unzeit ausgesprochene Arbeitgeberkündigung, die den Arbeitnehmer gerade wegen des Kündigungszeitpunkts besonders belaste, zwar treuwidrig oder gegebenenfalls sittenwidrig und damit rechtsunwirksam sein. Dazu bedarf es aber zusätzlicher Umstände, also z.B. die Absicht, den Arbeitnehmer damit persönlich zu treffen.
Zur Kündigung an Heiligabend hat das Bundesarbeitsgericht schon entschieden:„In Übereinstimmung mit der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist auch der erkennende Senat der Auffassung, daß der somit anzunehmende Zugang am 24. Dezember 1981 nicht dazu führt, die Kündigung sei ungehörig. Der Senat hat bereits Zweifel, ob die bloße „Ungehörigkeit“ einer Kündigung zu ihrer Unwirksamkeit führen kann; ein Fall des § 138 BGB liegt hier schon deshalb nicht vor, weil der 24. Dezember („Heiliger Abend“) i.S. des staatlichen Feiertagsrechts, des Arbeitsrechts und des Gewerberechts als Werktag gilt (BAG Urteil vom 30. Mai 1984 – 4 AZR 512/81 – zur Veröffentlichung bestimmt). Aber selbst wenn sich aus § 242 BGB die Unwirksamkeit einer nach ihren Begleitumständen, insbesondere ihres Zugangszeitpunkts, ungehörigen Kündigung herleiten ließe, genügt hierfür nicht allein der Zeitpunkt des Zugangs. Hinzukommen muß eine Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Erklärungsempfängers, insbesondere auf Achtung seiner Persönlichkeit. Dies kann der Fall sein, wenn der Erklärende absichtlich oder aufgrund einer auf Mißachtung der persönlichen Belange des Empfängers beruhenden Gedankenlosigkeit einen Zugangszeitpunkt wählt, der den Empfänger besonders beeinträchtigt.
An diesen Voraussetzungen fehlt es, wie das Landesarbeitsgericht erkannt hat, im Entscheidungsfall. Schon eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Klägers ist in einem Zugang am Vormittag des „Heiligen Abends“, an dem ein großer Teil der Arbeitnehmer sogar noch arbeitet, nicht zu sehen.“
Man mag daher eine Kündigung an Heiligabend für unchristlich, stillos und roh halten, rechtswidrig ist eine Kündigung nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts aber nicht.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte