Gestern hatten wir berichtet, dass das Arbeitsgericht Frankfurt die fristlose Kündigung eines Lagerverwalters, der seinen Chef geohrfeigt hatte, für gerechtfertigt angesehen hat. Offenbar geht es in deutschen Betrieben manchmal deftig zur Sache, denn die Rechtsprechung hatte bereits mehrfach Grund, sich mit Ohrfeigen zu befassen. Dabei ging es nicht nur um eine Ohrfeige für den Chef, sondern auch um Ohrfeigen gegenüber Kollegen und Ohrfeigen gegenüber Patienten. So hielt das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein die fristlose Kündigung eines tariflich nur noch ausserordentlich kündbaren („unkündbaren“) Krankenpflegers für gerechtfertigt, der ihm anvertraute Patienten geohrfeigt hatte (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.07.2000, Aktenzeichen 5 Sa 240/00, Pressemitteilung). Das Hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt (Hessisches LAG, Urteil vom 23.03.2005, Aktenzeichen 8 Sa 1839/04, Volltext) liess eine ordentliche Kündigung eines KFZ-Mechanikers wegen zweier Ohrfeigen eines Kollegen auch nicht daran scheitern, dass er bereits 57 Jahre alt und 31 Jahre im Betrieb beschäftigt war. Die ausserordentliche Kündigung dagegen wies das Gericht mit Rücksicht auf das Lebensalter und die lange Betriebszugehörigkeit zurück. Das Bundesarbeitsgericht schliesslich hielt die fristlose Kündigung – ohne vorherige Abmahnung – eines Bandarbeiters für gerechtfertigt, der seine Arbeitskollegin geohrfeigt hatte (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.10.2005, Aktenzeichen 2 AZR 280/04, Volltext). Das BAG führte ausdrücklich aus, bei Tätlichkeiten gegenüber Arbeitskollegen sei eine vorherige Abmahnung entbehrlich, man wisse als Arbeitnehmer, daß das nicht hingenommen werde. Allerdings kann eine Ohrfeige ausnahmsweise gerechtfertigt sein. So hat das Arbeitsgericht Lübeck (ArbG Lücbeck, Urteil vom 02.11.2000, Aktenzeichen 1 Ca 2479/00, Pressemitteilung) die Kündigung eines Grabschers für rechtmässig erachtet, der von der belästigten Kollegin dafür eine Ohrfeige kassiert hatte.
Urteile zu Ohrfeigen vom Chef sind nicht überliefert. Wenn Sie welche kennen, schreiben Sie uns. Wir bedanken uns mit einem Buch zum Thema für Ihre Mithilfe!
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte