Man kann schon den Eindruck gewinnen, als ob die Finanzkrise jetzt von anderen Trittbrettfahrern genutzt wird. Big Business versucht nicht nur, mit den Beschäftigten als Geiseln an Staatsgelder zu kommen, im Schutze von „Wirtschaftskrise“, „Absatzflaute“, „Rezession“ und „Kreditklemme“ lässt sich kommunikationstechnisch leichter kündigen. Kündigungsgrund: suchen Sie sich eines der vier genannten Schlagworte aus. Vor dem Winterurlaub können so unerledigte Aufgaben mit für Öffentlichkeit und Belegschaft nachvollziehbarer Begründung erledigt werden: Massenentlassung und Betriebsstilllegung, Änderungskündigung oder Kündigung lösen in der Öffentlichkeit ein achselzuckendes „Ja, ja, das ist die Wirtschaftskrise“ aus. Dabei wird das geschehen, was immer bei Massenentlassungen geschieht: Es wird „übergekündigt“, also nicht nur im Rahmen des absolut notwendigen, sondern „es darf auch etwas mehr sein“. Low Performer, Kranke und Unbequeme müssen sich jetzt warm anziehen. Allerdings sind Wirtschaftskrise und Absatzflaute gar kein Kündigungsgrund, wie in den letzten Tagen richtig betont wurde. Ausserdem ist das Phänomen offenkundig vorübergehend. Das hilft aber wenig, weil schon der reine Entschluß des Unternehmens, diesen Betrieb zu schliessen oder einen Bereich fremdzuvergeben, ausreicht als Kündigungsgrund. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist sehr großzügig und akzeptiert auch die Schliessung rentabler Betriebe. Man kann einen Unternehmer schliesslich nicht zum Arbeiten oder Weitermachen oder subventionieren einzelner Unternehmensteile zwingen. Nur ganz vereinzelt stemmen sich Arbeitsgerichte gegen betriebsbedingte Kündigungen trotz hoher Gewinne (z.B. das Arbeitsgericht Gelsenkirchen Urteil vom 28.10.1997 – 2 Ca 3762/96). Keine guten Aussichten auch in Unternehmen, die von der Wirtschaftskrise weniger betroffen sind. Die Arbeitsgerichte spüren schon deutlich höhere Eingangszahlen bei den Klagen.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

Kommentierungsfunktion ist momentan abgeschaltet.