Arbeitgeber und Betriebsrat sind grundsätzlich befugt, eine Videoüberwachung im Betrieb einzuführen. Die Zulässigkeit des damit verbundenen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer richtet sich allerdings nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 26.08.2008 – 1 ABR 6/07) handhabt diesen Grundsatz allerdings nach wie vor zu Recht streng und kassierte teilweise einen Spruch einer Einigungsstelle:

„Anders als in den Einigungsstellensprüchen, die den Entscheidungen des Senats vom 29. Juni 2004 ( – 1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173) und vom 14. Dezember 2004 (- 1 ABR 34/03 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 42 = EzA BetrVG 2001 § 87 Überwachung Nr. 1) zugrunde lagen, lässt § 6 Abs. 3 BV die Videoüberwachung im Innenbereich nur bei Vorliegen eines auf konkrete Personen bezogenen Verdachts einer strafbaren Handlung zu. Eine verdachtsunabhängige, rein präventive Inbetriebnahme der Überwachungsanlage ist nach § 6 Abs. 3 BV im Innenbereich nicht möglich. Voraussetzung für Überwachungsmaßnahmen ist vielmehr, dass die Arbeitgeberin Feststellungen getroffen hat, die den konkreten Verdacht einer strafbaren Handlung gegenüber bestimmten Personen begründen.“

„b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind die Regelungen in § 6 Abs. 7 Satz 1 und 2 BV unwirksam. Die darin vorgesehene Ausweitung der Videoüberwachung hält einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand.

aa) Dabei kann zugunsten der Arbeitgeberin unterstellt werden, dass die Erstreckung der Überwachung auf weitere Bereiche oder gar das gesamte Briefzentrum auf die Dauer von vier Wochen oder – wie in § 6 Abs. 7 Satz 2 BV vorgesehen – sogar noch darüber hinaus zur Überführung von Straftätern sowohl geeignet als auch erforderlich ist. Allerdings erscheint die Erforderlichkeit der Fortführung der Überwachung in dem Bereich, in dem sie sich als erfolglos erwiesen hat, durchaus zweifelhaft. Dies kann jedoch dahinstehen.

bb) Die in § 6 Abs. 7 Satz 1 und 2 BV vorgesehene Ausdehnung der Überwachung ist nicht angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinn).“

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist eine verdachtsunabhängige Videoüberwachung kaum vorstellbar. Auch räumlich sind dabei Grenzen einzuhalten, auch von einer Einigungsstelle. Je mehr „unschuldige Arbeitnehmer“ von einer Videoüberwachung betroffen werden, umso weniger wahrscheinlich ist die Zulässigkeit. Die Videoüberwachung im Aussenbereich hält das Bundesarbeitsgericht allerdings für zulässig.

Die Entscheidung ist nicht zuletzt vor den Überwachungsskandalen bei Lidl, REWE, Telekom u.a. sehr aktuell. Das Thema „Arbeitnehmerüberwachung“ wird die Gerichte sicher in den nächsten Jahren vermehrt beschäftigen.

Volltext: BAG vom 26.08.2008 – 1 ABR 6/07

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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