Geht, sagt das Bundesarbeitsgericht, stellt aber gewisse Anforderungen an die Abmahnung wegen Minderleistungen. Im vom Bundesarbeitsgericht (BAG vom 27.11.2008 – Aktenzeichen 2 AZR 675/07) entschiedenen Fall scheiterte die Abmahnung eines angeblichen „Low Performers“ zum einen daran, dass der Arbeitgeber in der Abmahnung den Arbeitnehmer aufgefordert hatte, mindestens durchschnittliche Arbeitsergebnisse zu erbringen. Dazu ist er aber nicht verpflichtet, sagt das Bundesarbeitsgericht.  Der Arbeitgeber hatte geschrieben:„Sehr geehrter Herr S,

wir müssen feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben, indem Sie seit geraumer Zeit lediglich weit unterdurchschnittliche Arbeitsergebnisse erzielen. Die Produktion Ihrer Agentur betrug in der Zeit vom 01.04.2005 bis zum 31.03.2006 insgesamt 962 Nettowerteinheiten (NWE).

Der Umfang des von Ihnen vermittelten Neugeschäftes lag damit deutlich unter dem Durchschnitt der anderen in der Vertriebsdirektion S tätigen Partnerverkäufer, der im gleichen Zeitraum 2.474,92 NWE betrug.

Für diese Verletzung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten mahnen wir Sie ab. Wir fordern Sie auf, künftig Ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen in vollem Umfang gerecht zu werden. Insbesondere fordern wir Sie auf, unverzüglich – bezogen auf die in der Vertriebsdirektion S tätigen Partnerverkäufer – mindestens durchschnittliche und bestandsfeste Produktionsergebnisse zu erzielen. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht Folge leisten, müssen Sie mit weiteren Maßnahmen bis hin zu einer Kündigung rechnen.“

Ähnliche Abmahnungen gingen auch anderen Agenturleitern zu, die ebenfalls angeblich unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt hatten.

Nun ist das Vorgehen natürlich ganz schön schlau, denn wenn man alle abmahnt, die unterdurchschnittlich arbeiten, und diese dann mindestens durchschnittlich arbeiten, hebt sich der Durchschnitt an, denn es gibt dann keine unterdurchschnittlichen mehr bzw. jedenfalls nicht mehr auf dem alten Niveau. Und da der Durchschnitt es naturgemäß an sich hat, dass es den Unterdurchschnitt geben muss, kann neben der Personalabteilung eine eigene Abmahnabteiligung eingerichtet werden, denn es ist ja immer ein Teil der Belegschaft unterdurchschnittlich, selbst wenn sich alle anstrengen. Also kann ständig abgemahnt werden, der Durchschnitt schraubt sich nach oben und bald ist das Unternehmen olympiareif … Ja, da scheint die Logik dem Arbeitgeber ein Schnäppchen geschlagen zu haben, das System führt in die Endlosschleife. Und wenn es so einfach wäre, bräuchte man auch keine technische Rationalisiserung mehr. Alle müssten sich einfach nur ein bisschen mehr anstrengen, der Arbeitgeber ein bisschen abmahnen und jedes Jahr ein bisschen mehr leisten und abmahnen …

Das Bundesarbeitsgericht bleibt auf dem Boden des Machbaren, jedenfalls näher an der Logik. Es sagt:

„Der Arbeitnehmer ist nicht zur Erzielung bestimmter Arbeitserfolge verpflichtet. Die Aufforderung in einer Abmahnung kann daher nicht dahingehen, bestimmte Erfolge zu erzielen, sondern die persönliche Leistungsfähigkeit auszuschöpfen. Die Unterdurchschnittlichkeit der bisher erzielten Ergebnisse ist lediglich ein Indiz für die Minderleistung.“

Wir bewegen uns ja im Dienstvertragsrecht, bei dem die Leistung geschuldet wird, und nicht im Werkvertragsrecht, in dem der Erfolg geschuldet wird.

Jeder schuldet nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts also nur das was er persönlich zu leisten vermag, nicht „mindestens den Durchschnitt“. Im Ergebnis würde die Forderung stets mindestens den Durchschnitt zu bringen nicht nur zu einer Endlosspirale führen. Sie würde auch dazu führen, dass die Mitarbeiter, die unterdurchschnittlich arbeiten, wegen Schlechtleistung gekündigt werden könnten. Und ausserdem könnte man die Probezeit abschaffen.

Ausserdem ließ das Bundesarbeitsgericht die Abmahnung nicht gelten, weil der Arbeitgeber seiner Darlegungslast nicht nachgekommen war, das Gericht also nicht davon überzeugt hatte, dass der Agenturleiter unterdurchschnittlich arbeiten würde.

„Jeder Arbeitnehmer, der sich am Durchschnitt messen lassen soll, muss in etwa die gleiche Chance haben, durchschnittliche Erfolge zu erzielen. Dagegen, dass dies hier der Fall war, spricht bereits das außergewöhnlich weite Auseinanderklaffen des Höchstwertes und des niedrigsten Wertes. Im Streitfall beträgt der Höchstwert mit 6.200 NWE das 19-fache des niedrigsten Wertes. Dass der Mittelwert zwischen diesen Größen eine sinnvolle Aussage über das Leistungsverhalten erlaubt, liegt umso ferner, als rund 60 vH der Agenturen den Durchschnittswert unterschritten haben und knapp 40 vH sogar um mehr als ein Drittel. Angesichts des Umstandes, dass die Chance, Versicherungsverträge zu akquirieren vom Standort der Agentur, ihrer personellen Ausstattung, der Finanzkraft der erreichbaren Kundschaft und weiteren Kriterien abzuhängen pflegt, die nichts mit der Leistungsfähigkeit des Agenturleiters zu tun haben, hätte die Beklagte im Einzelnen erläutern müssen, warum das von ihr dargelegte Zahlenwerk dennoch in ihrem Sinn aussagekräftig ist.“

Soweit das Bundesarbeitsgericht. Manchmal kommt es eben nicht darauf an, ob man sich anstrengt, sondern ob die Umstände die gleichen sind. Die Tarifgemeinschaft der Länder hat beim neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) das Leistungsentgelt nicht zuletzt deshalb fallen lassen, weil es viel zu aufwendig ist, entsprechend objektive Parameter für einen Leistungsvergleich zu generieren.

Vertriebler wissen, dass es viel einfacher ist, Umsatz zu machen, indem man das richtige Vertriebsgebiet bekommt als durch Aktionismus.  Vorstände kassieren Boni häufig nur deswegen, weil weltweit der Wirtschaft die Sonne scheint. Bei Belohnungen scheint Ungerechtigkeit leichter verschmerzbar zu sein als bei Bestrafungen.

Ein Scherz unter Juristen besagt: Es gibt zwei Methoden, als Anwalt Erfolg zu haben. Die eine ist, nur Mandate anzunehmen, die man nicht verlieren kann. Die andere ist, sich tüchtig in die Riemen zu legen um auch aussichtslose Fälle zu gewinnen.

Bei dieser Gelegenheit noch der Hinweis, dass ich am 25.4.2009 bei einer Tagung der Technologieberatungsstelle (TBS) in Frankenthal zum Thema „Finanzkrise – Dauerkranke und „Minderleister“ zuerst?“ für Betriebsräte referiere. Anmeldung via TBS.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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