In einem Blogbeitrag des – im Übrigen sehr lesenswerten – HUK-Blogs (mit praktischen Erfahrungen mit der Versicherungswirtschaft bei Unfallregulierung ) ist der Beschluss des hiesigen Amtsgerichts Brühl veröffentlicht, bei dem es um eine sehr brisante prozessuale Frage geht.
Die Frage lautet im Kern – darf sich Schädiger oder der Geschädigte eines Verkehrsunfalls in einem Zivilprozess durch seine Haftpflichtversicherung wirksam vertreten lassen?
Bis 01.07.2008 lautete die Antwort fast ausschließlich, na klar. Sie stützte sich auf den bisherigen Wortlaut der Vorschrift § 79 ZPO
Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, können die Parteien den Rechtsstreit selbst oder durch jede prozessfähige Person als Bevollmächtigten führen.
Lediglich in Fällen, in denen ausschließlich Anwälte vor Gericht auftreten dürfen (§ 78 ZPO), war das bis dahin unzulässig.
Das konnte zu einer seltsamen Situation führen, dass der Kläger, der einen kleineren Schaden erlitten hatte, den Fahrer oder Halter des gegnerischen Fahrzeugs verklagte, vor Gericht aber einen Vertreter der Rechtsabteilung der gegnerischen Versicherung antraf.
Das so entstandene, höchst unausgewogene Kräfteverhältnis zwischen einem juristischen Laien und einem erfahrenen Volljuristen der Versicherung versteht sich von selbst.
Eine Gesetzesänderung brachte Abhilfe. Heute können Haftpflichtversicherer anstatt ihrer Versicherungsnehmer selbst nicht mehr wirksam den Prozess führen. Ihnen fehlt die Prozessvertretungsbefugnis. Etwas anderes gilt nur, wenn der Kläger die Versicherung – was üblich ist – mitverklagt, um bessere Chancen bei der Zwangsvollstreckung des erstrittenen Titels zu haben. In diesem Fall ist die Versicherung natürlich selbst Partei und kann neben dem Beklagten auftreten.
Praktische Folge des Ganzen:
Geht es um einen kleineren Schaden und um eine solvente Partei des Schädigers, kann es in einem Verkehrsunfallprozess taktisch klug sein, nur diesen und nicht auch noch seine Versicherung mitzuverklagen. Denn häufig erscheinen Privatleute aus Unerfahrenheit oder Angst erst gar nicht zum Verhandlungstermin und kassieren so ein Versäumnisurteil, aus welchem der Kläger nach zwei Wochen schon die Vollstreckung einleiten kann.
Den Versicherungen ist im Übrigen schon seit 2008 die neue Rechtslage bewusst. Dennoch versuchen sie immer wieder als Prozessvertreter für ihre Versicherungsnehmer aufzutreten. Hier muss man als Kläger sehr wach sein und so wie im zitierten Verfahren aus 2014 vor dem Amtsgericht Brühl, die Prozessführungsbefugnis der Versicherung nach § 79 Abs. 3 ZPO zurückweisen.
Boris Schenker
Rechtsanwalt
Rechtsanwälte und Fachanwälte Felser Brühl
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keine 10 Minuten entfernt von dem Amtsgericht Brühl. Wir sind Vertrauensanwälte des
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