Anfechtung der Betriebsratswahl – Typische Fehler

Nach § 19 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrats angefochten werden. Nach Schätzungen erfahrener Experten sind ca. 80 % aller Betriebsratswahlen anfechtbar, weil der Wahlvorstand bei den komplizierten Wahlregeln fast zwangsläufig Fehler macht. Nach der Erfahrung des Autors dürfte fast jede Betriebsratswahl anfechtbar sein. Die Anfechtung ist aber nur innerhalb einer Frist von 14 Tagen zulässig, nach Ablauf dieser Frist kann nur noch die Nichtigkeit der Betriebsratswahl geltend gemacht werden. Eine Nichtigkeit liegt jedoch nur ausnahmsweise vor, wenn nicht einmal der Anschein einer demokratischen und geheimen Wahl vorliegt. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist ist auch die anfechtbare Betriebsratswahl wirksam, der Betriebsrat auch bei Wahlmängeln ohne wenn und aber im Amt. Wird die Wahl angefochten, bleibt der Betriebsrat auch im Amt, aber nur solange die Wahl nicht rechtskräftig für ungültig erklärt wurde.

Anfechtungsgründe finden clevere Rechtsanwälte immer, im Zweifel durch Einsicht in die Wahlakten im Nachhinein. Weitere Wahlmängel können, wenn die Wahl nur rechtzeitig angefochten wurde, auch noch nach Ablauf der 14-Tagesfrist im Wahlanfechtungsverfahren geltend gemacht werden.

Beliebte Fehlerquellen sind die Verkennung des Betriebsbegriffs, die Aufstellung der Wählerliste, das Wahlausschreiben, die Erreichbarkeit des Wahlvorstands, die schriftliche Stimmabgabe, die Behandlung der Vorschlagslisten und schließlich der Wahlvorgang selbt.

Typische Fehler der Betriebsratswahl

Beliebte Fehler sind

a. die Anerkennung von Führungskräften als leitende Angestellte mit der Folge, dass diese nicht auf der Wählerliste aufgeführt werden und auch nicht mitwählen (dürfen). Da in vielen Großunternehmen Führungskräfte zu Unrecht als „leitende Angestellte“ im Sinne des § 5 BetrVG angesehen werden, wären diese Wahlen oft anfechtbar.

b. die Behandlung von Leiharbeitnehmern oder Fremdarbeitnehmern ist ebenfalls eine häufige Fehlerquelle.

c. das Wahlausschreiben ist häufig fehlerhaft oder wird nicht ausreichend bekanntgemacht bzw. der Aushang nicht täglich überprüft. Ist das Wahlausschreiben nur an einem Tag „verschwunden“, kann dies die Anfechtung rechtfertigen.

d. das Wahlvorstandsbüro ist nicht lange genug geöffnet oder nicht immer besetzt. Auch dadurch kann die Wahl beeinflusst werden, weil z.B. die Frist für die Einreichung von Vorschlagslisten betroffen sein kann.

e. die Regeln wann Briefwahl angeordnet werden darf, werden vom Wahlvorstand oft verkannt.

f. bei der öffentlichen Wahl müssen immer zwei Wahlvorstandsmitglieder anwesend sein und zwar permanent. Der Besuch der Sanitärabteilung für wenige Minuten kann schon die Wahlanfechtung begründen.

g. die Behandlung des Minderheitengeschlechts und das D Hondtsche Wahlverfahren bergen ebenfalls Risiken für einen Anfechtungsgrund.

Risikominimierung durch rechtzeitige Schulung und Beratung

Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch Betriebsratsmitglieder für Fehler bei der ehrenamtlichen Tätigkeit persönlich haften können, trifft dieses Risiko auch den Wahlvorstand. Muss die Wahl neu durchgeführt werden, könnte der Arbeitgeber die angefallenen Kosten von den Wahlvorstandsmitgliedern verlangen, wenn diesen ein Verschulden vorgeworfen werden kann. Der Wahlvorstand sollte daher bei Unsicherheiten im Zweifel zunächste den Arbeitgeber bzw. dessen Justitiar bzw. Legal Department einschalten um diesen in die Verantwortung mit einzubeziehen. Antwortet dieser nicht rechtzeitig oder unbefriedigend, kann der Wahlvorstand einen Anwalt um Rat fragen. Nach § 20 BetrVG trägt der Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratswahl, d.h. auch der Schulung des Wahlvorstands und einer notwendigen Beratung des Wahlvorstands bei Zweifelsfragen. Die Kosten einer Beratung liegen deutlich unter den Kosten einer Neuwahl. Geschickterweise sollte aber der Arbeitgeber mit ins Boot geholt werden, um Haftungsrisiken für die Wahlvorstandsmitglieder zu minimieren. Denn wenn jemand Schadensersatz geltend macht, dann der Arbeitgeber.

Felser_WDR_DuU_15-aMichael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl und Köln

Rechtsanwalt Felser schult regelmäßig Wahlvorstände und beräte zahlreiche Betriebsräte und Wahlvorstände bei Betriebsratswahl und Aufsichtsratswahl. Er hat selbst als Wahlvorstand mehrere Betriebsratswahlen durchgeführt und Interviews zum Thema in „verdi publik“, „AiB“ und „AiB Plus“ gegeben. Er ist der anwaltliche Experte für die Betriebsratswahl auf den Seiten des Bund-Verlags zur Betriebsratswahl 2014. Mehr Informationen im Rechtslexikon zum Stichwort „Betriebsratswahl“.

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