Auch der gut informierte Betriebsrat braucht anwaltliche Rechtsberatung, z.B. um keine Fehler bei der Beschlussfassung zu machen oder wenn gegen sein Mitbestimmungsrecht verstoßen wird. Selbst in großen Konzernen verlangen manche Personalabteilungen, dass der Betriebsrat vor der Beauftragung eines Rechtsanwalts eine Kostenzusage beim Arbeitgeber einholt bzw. beantragt. Das führt, vor allem bei den dann nicht selten folgenden Ablehnungen (welcher Arbeitgeber genehmigt schon gerne den Anwalt der dann Verletzungen von Rechten des Betriebsrats rügt) dazu, dass der Betriebsrat zum Bittsteller wird. Die Rechtslage sieht anders aus: Ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlich, z.B. weil der Betriebsrat seine Rechte aussergerichtlich, notfalls sogar gerichtlich, durchsetzen will, muss der Arbeitgeber die notwendigen Kosten nach § 40 BetrVG tragen. Der Betriebsrat muss vorher nicht die Genehmigung oder Kostenzusage des Arbeitgebers einholen.
Ein verbreiteter Fehler von Betriebsräten ist es allerdings, dass der Betriebsrat nicht beschließt, bestimmte Rechte durch den Anwalt geltend machen zu lassen, notfalls auch vor dem Arbeitsgericht, sondern „eine Rechtsberatung einzuholen, ob dem Betriebsrat ein Recht zusteht“ o.ä.
Betriebsräte tun das in dem guten Glauben, die vertrauensvolle Zusammenarbeit verpflichte sie dazu, erst einmal durch eine Beratung beim Anwalt klären zu lassen, ob dem Betriebsrat ein bestimmtes Recht zusteht – zumal der Arbeitgeber häufig vorher gesagt oder geschrieben hat, dass er kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erkennt.
Der Beschluss des Betriebsrats, „sich beraten zu lassen“, ist fatal: Nach h.M. ist nämlich eine Beratung nur durch Sachverständige nach § 80 Abs. 3 BetrVG (nach vorheriger Vereinbarung mit dem Arbeitgeber) oder nach § 111 BetrVG zulässig.
„Wie ein Rechtsanwalt für den Betriebsrat tätig werden soll, ob bspw. in Vorbereitung eines Beschlussverfahrens, zur Wahrung oder Verteidigung von Rechten des Betriebsrats oder aber allein zur Vermittlung notwendiger Rechtskenntnisse bestimmt sich nach dem Mandat, das der Betriebsrat ihm erteilt. Der Inhalt des Mandates ist wiederum vom Betriebsrat als Gremium vorab in einem Beschluss festzulegen. Nach den hier gefassten jeweiligen Beschlüssen des Betriebsrates soll aber der jetzige Verfahrensbevollmächtigte damit beauftragt werden, den Betriebsrat außerhalb eines Beschlussverfahrens oder eines Verfahrens vor der Einigungsstelle zunächst darüber zu beraten, ob ihm in Bezug auf die beiden Sachverhalte überhaupt Rechte aus dem Betriebsverfassungsrecht zukommen. Auch soll der jetzige Verfahrensbevollmächtigte nicht etwa gegenüber der Arbeitgeberin außergerichtlich ein Mitbestimmungsrecht für den Betriebsrat geltend machen. Er soll vielmehr nach der Beschlusslage erst für den Betriebsrat prüfen, ob ein solches Mitbestimmungsrecht besteht. Für eine etwaige Geltendmachung eines Mitbestimmungsrechts gegenüber der Arbeitgeberin bedarf es eines erneuten Beschlusses des Betriebsrats. Auch wenn als Ergebnis dieser beabsichtigten Informationsbeschaffung und Entscheidung des Betriebsrats am Ende die Einleitung eines Beschlussverfahrens stehen sollte, steht die Beratung des Betriebsrats über mögliche Rechte und Durchsetzungsmöglichkeiten zunächst im Vordergrund.“
so das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem aktuellen Beschluss (vom 29.05.2012 – Aktenzeichen 7 TaBV 576/12) mit dem die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers abgelehnt wurde, der Betriebsrat bzw. sein Anwalt blieb also auf den Kosten sitzen.
Der Betriebsrat muss sich nach dieser Entscheidung durch Schulungen selbst in die Lage versetzen zu erkennen, ob ihm Rechte zustehen. Deshalb sollte der Betriebsrats im Zweifel immer beschießen, „den Anwalt XY zu beauftragen, die Rechte des Betriebsrats bei >hier ist die Angelegenheit näher zu beschreiben < zunächst aussgerichtlich und notfalls gerichtlich durchzusetzen“. Dabei darf er sich auch irren, denn selbst die Gerichte sind sich ja nicht immer einig über das Bestehen und den Umfang von Rechten des Betriebsrats. In der Beratung und Vertretung von Betriebsrat und Personalrat erfahrene Anwälte sorgen für eine sachgerechte Beschlussfassung
Update 24.11.2014:
Das Bundesarbeitsgericht hat es dem Betriebsrat mit einer aktuellen Entscheidung zu Recht etwas einfacher gemacht:
„aa) Nach der Rechtsprechung des Senats stellt § 80 Abs. 3 BetrVG – mit Ausnahme der Fälle des § 111 Satz 2 BetrVG – die alleinige Rechtsgrundlage für die Heranziehung sachkundiger Personen durch den Betriebsrat dar, wenn es nicht um die Vertretung des Betriebsrats in einem Verfahren vor der Einigungsstelle oder vor Gericht geht, sondern um die Beratung des Betriebsrats außerhalb solcher Verfahren (vgl. BAG 26. Februar 1992 – 7 ABR 51/90 – zu B II 2 der Gründe, BAGE 70, 1; 11. November 2009 – 7 ABR 26/08 – Rn. 18 ff., BAGE 132, 232). Die Vorschrift findet dagegen keine Anwendung, wenn es dem Betriebsrat um die Einleitung und die Durchführung von Einigungsstellen- oder arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geht, mit denen der Betriebsrat ein von ihm in Anspruch genommenes Mitbestimmungsrecht ausüben oder durchsetzen will. In einem solchen Fall hat der Betriebsrat vielmehr gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG die Möglichkeit, zur Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte einen Rechtsanwalt zu beauftragen (vgl. BAG 29. Juli 2009 – 7 ABR 95/07 – Rn. 16 ff. mwN). Das gilt auch, wenn ein Rechtsanwalt vom Betriebsrat reklamierte Mitbestimmungsrechte gegenüber dem Arbeitgeber außergerichtlich geltend macht oder im Rahmen eines konkreten Konfliktes erwägt, dies zu tun. Der Senat hat das bereits für die Fallkonstellation entschieden, in der die anwaltliche Tätigkeit darauf gerichtet ist, die beschlossene Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens entbehrlich zu machen (vgl. BAG 15. November 2000 – 7 ABR 24/00 – zu B II 1 b der Gründe). Nichts anderes gilt, wenn die Beauftragung des Rechtsanwalts dazu dient, in einem bereits bestehenden konkreten Konflikt zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber das Bestehen und den Umfang von Mitbestimmungsrechten zu prüfen sowie ggf. für deren Durchsetzung zu sorgen, auch wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass kein gerichtliches oder Einigungsstellenverfahren durchgeführt werden soll. Bei diesem Verständnis wird § 80 Abs. 3 BetrVG nicht etwa jeglicher Anwendungsbereich entzogen. Die Bestimmung kommt vielmehr dann zur Anwendung, wenn es dem Betriebsrat nicht um die Durchsetzung von Rechten, sondern um die Vermittlung zur Interessenwahrnehmung erforderlicher Kenntnisse geht, etwa bei der Ausarbeitung des Entwurfs einer komplexen Betriebsvereinbarung oder eines schwierigen Interessenausgleichs (vgl. BAG 11. November 2009 – 7 ABR 26/08 – Rn. 20, aaO). Zudem hat sie Bedeutung für die Beauftragung nicht juristischer Sachverständiger.“
BAG vom 25.06.2014 Aktenzeichen 7 ABR 70/12
Wichtig bleibt aber, dass der Betriebsrat vor Einschaltung eines Anwalts erst einmal selbst prüfen und dabei zu der Überzeugung kommen muss, dass ihm ein Recht zusteht, das kann ein Schulungsanspruch oder ein Beteiligungsrecht sein. Danach kann der Betriebsrat beschließen, einen Anwalt zur Beratung aufzusuchen, und diesen ggf. mit der Durchsetzung der Rechte zu beauftragen.
Unser umfangreiches Merkblatt „Anwaltskosten für Betriebsräte“ übersenden wir Betriebsräten auf Anforderung gerne per Mail. Beachten Sie auch unseren Fachbeitrag „Beschlussfassung leicht gemacht“ aus der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“ (im Volltext zu finden unter „Bücher/Aufsätze/E-Books“).
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Köln und Brühl
Rechtsanwalt Felser war während des Studiums mehrere Jahre Vorsitzender eines Betriebsrats. Seit 1983 gehört die Schulung und Beratung zahlreicher Betriebsräte und Personalräte zu seinen beruflichen Vorlieben. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zum Betriebsverfassungsrecht und wird regelmäßig in Sendungen der ARD und des WDR zu arbeitsrechtlichen Themen interviewt (2013/2014 und aktuell 2015).