Nur eine Mode? Immer öfter behaupten Unternehmen bzw. deren Rechtsanwalt in einem Beschlussverfahren mit dem Betriebsrat, der BR habe keinen ordnungsgemäßen Beschluss gefasst. Anhaltspunkte oder Gründe für die Vermutung werden nicht vorgetragen. Das ist grundsätzlich sogar zulässig (und nicht selten erfolgreich, weil Betriebsräte leider viel öfter fehlerhafte Beschlüsse fassen, als sie selbst glauben). Die Anforderungen der Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Beschlussfassung sind so hoch, dass der Betriebsrat sich praktisch anwaltlich beraten lassen muss, und das schon bei der Einladung zur Sitzung.
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgericht ist es das gute Recht eines Arbeitgebers, das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses zu bestreiten, auch wenn das pauschal geschieht. Dagegen hat das Landesarbeitsgericht in Frankfurt Bedenken erhoben, weil das in jedem zweiten oder dritten Beschlußverfahren in Mode gekommen ist.
Das Bundesarbeitsgericht
„hat entschieden, es obliege dem Betriebsrat, die Voraussetzungen für das Zustandekommen eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses vorzutragen, wenn der Arbeitgeber die Wirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses über die Einleitung des Verfahrens und Beauftragung eines Rechtsanwalts in Frage stelle. Erst wenn der Betriebsrat die Einhaltung der Voraussetzungen für einen wirksamen Beschluss des Gremiums über die Einleitung eines Gerichtsverfahrens im Einzelnen und unter Beifügung von Unterlagen darlege, sei ein sich daran anschließendes pauschales Bestreiten des Arbeitgebers mit Nichtwissen unbeachtlich. Der Arbeitgeber müsse dann konkret angeben, welche der zuvor vorgetragenen Tatsachen er bestreiten wolle (BAG Beschluss vom 29. Juli 2009 – 7 ABR 95/07 – EzA § 40 BetrVG 2001 Nr. 15; BAG Beschluss vom 19. Jan. 2005 – 7 ABR 24/04 – Juris; BAG Beschluss vom 9. Dezember 2003 – 1 ABR 44/02 – AP BetrVG 1972 § 33 Nr. 1). Der Betriebsrat müsse, falls der Arbeitgeber die Anhörung bestreite, vom Arbeitsgericht zu einer entsprechenden Darlegung aufgefordert werden. Ob eine – allerdings jederzeit widerlegbare – Vermutung dafür spräche, dass der Vorsitzende des Betriebsrats seine Erklärungen im Rahmen eines entsprechenden Beschlusses des Kollegialorgans treffe, sei zweifelhaft. Ein Bestreiten des Arbeitgebers sei jedenfalls ein genügender Anlass, die gerichtliche Aufklärungspflicht auszulösen.
b) Angesichts der Überfrachtung des Prozessstoffes und in vielen Fällen unnötigen Ausweitung des Verfahrens in den Instanzen ist die wiedergegebene Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O.) abzulehnen. Auch wenn es das gute Recht einer Partei ist, eine Tatsache gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen zu bestreiten, wird jedoch mittlerweile mit dieser Möglichkeit Missbrauch betrieben, indem in jedem zweiten oder dritten Beschlussverfahren das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses mit Nichtwissen bestritten wird. Hätte das Landesarbeitsgericht vorliegend eine entsprechende Auflage gemacht, hätte der Gemeinschaftsbetriebsrat zu ca. 1 ¼ Jahre zurückliegenden Formalien vortragen müssen, insbesondere, welches Betriebsratsmitglied auf welche Weise die Einladung mit der Tagesordnung erhalten hat. Die Aushändigung der Einladung kann per Post, persönlich oder per E-Mail geschehen. Für den Fall der Verhinderung müssen Ersatzmitglieder mit Tagesordnung geladen werden. Der Verhinderungsgrund muss dokumentiert werden. Ersatzmitglieder müssen in der richtigen Reihenfolge geladen werden. Das Protokoll mit der Beschlussfassung muss inhaltlich ausladend gefasst werden, weil der Arbeitgeber in einem späteren Verfahren eine ordnungsgemäße Beschlussfassung mit Nichtwissen bestreiten könnte.“
so das Hessische Landesarbeitsgericht vom 14.07.2011 Aktenzeichen 9 TaBV 192/10, JURIS
Das Bundesarbeitsgericht will zwar stattdessen die Beschlussfassung erleichtern (der 1. Senat und der 7. Senat sind aber unterschiedlicher Ansicht). Unabhängig davon ist aber der Ansatz des Hessischen Landesarbeitsgerichts sicher richtig, kein „Bestreiten ins Blaue“ hinein zuzulassen. Kann der Arbeitgeber nicht begründen, warum er die Beschlussfassung für nicht ordnungsgemäß hält, muss das Gericht Fehlern bei der Beschlussfassung nicht näher nachgehen.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Anwaltskanzleien in Brühl und Köln
Autor des Fachbeitrags
2006 | Michael Felser | Aufsatz | Beschlussfassung leicht gemacht | AiB 2006, 280-283 >>>Fachbeitrag >>>