Das Arbeitsgericht Dessau-Rosslau hat in einem Urteil vom 21.03.2012 Aktenzeichen 1 Ca 148/11 deutlich gemacht, daß eine öffentliche Schmähkritik am Arbeitgeber, auch wenn dies nur durch Zustimmung zu einem entsprechenden Beitrag durch Betätigung des „Gefällt mir“ Button geschieht, für Arbeitnehmer die Kündigung nach sich ziehen kann.
Eine seit 25 Jahren bei einer Sparkasse beschäftigte Angestellte erhielt, nachdem sie einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatte, demzufolge sie Ende Juni 2012 gegen Zahlung einer Abfindung ausscheiden sollte, im Dezember 2011 eine Kündigung wegen eines Facebook Beitrags (Post). Folge dieser Kündigung wäre gewesen, daß der Aufhebungsvertrag und damit auch die Abfindung gegenstandslos geworden wären.
Grund der Kündigung war, daß der Ehemann der Klägerin auf seiner Facebookseite einen Betrag gepostet hatte:
„Hab gerade mein Sparkassen Schwein auf (Namen der Vorstände der Beklagten) getauft. Naja, irgendwann stehen alle Schweine vor einem Metzger.“
Der Ehemann veröffentlichte auf Facebook außerdem das Bild eines Fisches, der mit dem Sparkassenlogo verziert war und den Kommentar enthielt „Unser Fisch stinkt vom Kopf“. Die Ehefrau und Mitarbeiterin der Sparkasse hatte das Bild mit dem „Gefällt mir“ Button kommentiert.
Sie behauptete gegenüber dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau, dass ihr Ehemann den „Gefällt mir“ Button betätigt habe. Er habe dazu ihren Zugang benutzt, von selbst keine Kenntnis gehabt.
Das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau wies die Kündigung zurück, weil die Klägerin für die Äußerungen des Ehemannes auf Facebook nicht verantwortlich sei. Zwar würde grundsätzlich eine Loyalitätspflichtverletzung vorliegen, wenn die Klägerin den polemischen Äußerungen ihres Ehemannes öffentlich zugestimmt hätte. Das sei nicht bewiesen, auch der Verdacht bestehe insoweit nicht. Aufgrund der langjährigen Betriebszugehörigkeit wäre aber vor einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen.
Das Urteil ist nicht so überraschend, wie das Medienecho es erscheinen lässt. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte bereits mit Urteil vom 21.10.2011 Aktenzeichen 9 Sa 110/11 deutlich gemacht, daß nicht berechtigte Kritik am Unternehmen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben kann. In dem vom LAG in Mainz entschiedenen Kündigungsschutzverfahren hatte der Kläger seine abweichende Ansicht über eine sachgerechte Jugendarbeit u.a. auf Facebook öffentlich gemacht.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zu einem entsprechenden Facebook Eintrag des Arbeitnehmers:
„Schließlich wird in der Facebook-Veröffentlichung der Beklagten eine „dubiose Kündigungskampagne“ vorgeworfen. Hierdurch wird der Eindruck erweckt, die Beklagte habe unseriös und unrechtmäßig gehandelt, wodurch die Beklagte in der Öffentlichkeit nicht nur unerheblich herabgesetzt wurde. Der Kläger hat mit dieser Facebook- Veröffentlichung gleichzeitig versucht, seine eigenen Vorstellungen über innerdienstliche Angelegenheiten durch eine „außerdienstliche Lobby“ zu verstärken, und sich zu diesem Zweck an die Öffentlichkeit gewandt. Diese Äußerungen des Klägers lassen zugleich erwarten, dass der Kläger berechtigte Anweisungen der Beklagten in Bezug auf die Durchführung der Jugendarbeit auch öffentlich in Frage stellt und seine eigenen Vorstellungen über eine sachgerechte Jugendarbeit mittels öffentlichen Drucks durchzusetzen sucht, statt die Vorgaben seiner Arbeitgeberin umzusetzen. Damit ist eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht zu erwarten. Die hierfür erforderliche Vertrauensgrundlage ist zerstört.“ so das Landesarbeitsgericht.
Allerdings ist eine Kündigung wegen öffentlicher Kritik am Arbeitgeber auf Facebook kein überraschendes Thema. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte hatte bereits häufiger mit öffentlicher Kritik im Internet, z.B. in Foren oder auf StudiVz befasst.
So kassierte das Arbeitsgericht Cottbus (Arbeitsgericht Cottbus (u.a. ArbG Cottbus vom 05.06.2008 – 8 Ca 325/08) Kündigungen von Auszubildenden und Angestellten eines Hotels, die auf StudiVz ihren Arbeitgeber kritisiert hatten. Die Beschäftigten des Hotels „Zur Bleiche“ in Burg/Spreewald waren Teilnehmer eines StudiVZ-Forums mit dem Namen „Der Storch muss hängen“. Der Storch ist das Logo des Hotels. Im Forum kritisierten die Mitarbeiter unter anderem die Arbeitsbedingungen, die schlechte Bezahlung, ließen sich aber auch negativ über die Gehbehinderung des Chefs des Hotels aus. Juracity berichtet bereits über den „StudiVz Fall“.
Ein Unternehmen der Autobranche aus Baden-Württemberg scheiterte mit einer Kündigung eines Mitarbeiters, der seinem Chef in einem Schreiben „verschärfte Ausbeutung“ und „menschenverachtende Jagd auf Kranke“ vorgeworfen hatte. Der Arbeitgeber versuchte daraufhin erfolglos, vor Gericht eine Kündigung wegen der Äußerungen durchzusetzen. Auch der Antrag auf Auflösung nach § 9 KSchG wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen (Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 10.02.2010 Aktenzeichen 2 Sa 59/09).
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich bereits 2004 (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.06.2004 Aktenzeichen 2 AZR 63/03) mit dem Verhältnis von Meinungsfreiheit, Kündigungsschutz und Unternehmensinteressen befasst.
Ein Mitarbeiter hatte in einem von der IG Metall Bezirk Küste im Internet betriebenen Netzwerk unter der Rubrik “IG Metall Dialog” einen Beitrag eingestellt, in dem er ua. ausführte:
“Aber der größte Skandal ist, dass dieses Projekt auch noch von einem leitenden Angestellten in den “D. -Nachrichten” (ein von der Geschäftsleitung gesteuertes angebliches Mitarbeiterblatt) vorgestellt wurde. Darunter der Punkt: Hohe Fehlzeiten der türkischen Mitarbeiter, mögliche Ursache: die Landeskultur. Pikanter Weise in der gleichen Ausgabe, in der unsere Betriebsratsvorsitzende mit einem leitenden Angestellten deren gemeinsamen Artikel über eine Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitkonten vorstellten, die auch unter den Kolleginnen und Kollegen sehr unterschiedlich aufgenommen wurde. Tage später wurde dieser Artikel über türkische Mitarbeiter mit einem Aushang entschuldigt. Auch durch starke Proteste unseres VKL Vorsitzenden. Leider war da schon der braune Mob aktiviert und sie wagten sich, gestärkt durch einen leitenden Angestellten, aus ihren Verstecken. Was mich daran besonders wütend macht, ist die Tatsache, dass einige von Euch gerade zu dem Zeitpunkt in einem verstärkten Kampf gegen den rechten Sumpf waren.”
Das Bundesarbeitsgericht sah in dem Beitrag keine Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht und der grundrechtlich geschützten Interessen des Arbeitgebers, wenn die Äußerungen des Arbeitnehmers weder nach ihrer Form noch nach ihrem Inhalt ein strafrechtlich relevantes Verhalten darstellen. Dies gelte um so mehr, wenn der Arbeitnehmer seine Meinung nicht selbst in die Betriebsöffentlichkeit getragen hat und zudem seine Äußerungen auch im Kontext mit sonstigen Begleitumständen wie der Beschädigung seines Fahrzeugs und anonyme Anrufe bei seinen Kollegen zu sehen sind. Die Beeinträchtigung des Betriebsfriedens alleine stelle keinen Kündigungsgrund dar. Anders als die Vorinstanz wie das Bundesarbeitsgericht die Kündigung zurück.
„Die Äußerung des Klägers im Intranet der IG Metall Bezirk Küste stellt sich weder nach ihrer Form noch nach ihrem Inhalt als ein strafrechtlich relevantes Verhalten dar. Sie beinhaltet auch keinen Angriff auf die Menschenwürde des leitenden Angestellten P. oder von Mitgliedern des Betriebsrats. Sie verletzt ferner nicht die persönliche Ehre der Beklagten, des leitenden Angestellten P. oder von Beschäftigten und Mitgliedern des Betriebsrats. Sie beleidigt nicht die vorgenannten Personen und Personengruppen. Denn es fehlt schon an einem direkten Personenbezug. Dies gilt umso mehr als der Kläger zum einen seine Meinung nicht selbst in die Betriebsöffentlichkeit getragen hat und zum anderen seine Äußerungen auch im Kontext mit den sonstigen Begleitumständen, u.a. der Beschädigung seines Fahrzeugs und den anonymen Anrufen bei seinem Kollegen, zu sehen sind.
Somit sind die Äußerungen des Klägers auch unter Beachtung der grundrechtlich geschützten Interessen der Beklagten nicht als Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht zu werten.
Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund folgt noch nicht allein aus einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Betriebsfriedens, wie das Landesarbeitsgericht offensichtlich meint. Eine alleinige Beeinträchtigung des Betriebsfriedens ohne konkrete Feststellung einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung reicht zur Annahme eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes nicht aus. Einer kündigungsrelevanten Betriebsfriedensstörung muss ein dem Arbeitnehmer vorwerfbares Verhalten bzw. eine ihm vorwerfbare Pflichtverletzung vorausgehen (BAG 3. Februar 1993 – 5 AZR 200/92 -; Senat 11. März 1999 – 2 AZR 427/98 – AP BGB § 626 Nr. 150 = EzA BGB § 626 Nr. 177). Daran fehlt es jedoch hier. Das Landesarbeitsgericht hat keine konkrete Vertragspflichtverletzung des Klägers festgestellt.“
so das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil, das auf Beiträge und Kommentare auf Facebook übertragbar ist.
Berechtigte Kritik stellt, wenn sie verhältnismäßig ist, also keinen Kündigungsgrund oder Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses dar. Hier gilt, was der Europäische Gerichtehof für Menschenrecht im Fall „Heinisch“ deutlich gemacht hat: Die Meinungsfreiheit endet auch vor dem Werkstor oder dem Empfang in der Verwaltung nicht. Und natürlich auch auf Facebook nicht.
Vorsicht sollten Arbeitnehmer allerdings vor allem dann an den Tag legen, wenn durch die öffentliche Kritik der Betriebsfrieden erheblich gestört wird oder dem Unternehmen ein Schaden droht. In jedem Fall ist dazu zu raten, zunächst innerbetrieblich auf die Missstände hinzuweisen, dabei kann der Betriebsrat oder Personalrat eingeschaltet werden.
Verboten sind allerdings auch im Arbeitsverhältnis unwahre Behauptungen oder Beleidigungen. Strafbar und in jedem Fall ein Kündigungsgrund ist auch, wenn ein Mitarbeiter versucht, mit der Drohung einer Veröffentlichung oder Anzeige versucht persönliche Vorteile wie eine höhere Abfindung durchzusetzen (so in einem vom LAG Schleswig-Holstein entschiedenen Fall – Urteil vom 17.08.2011 Aktenzeichen 3 Sa 196/11). Ein strafbares Verhalten wird auch durch die Rechtsprechung zum „Whistleblowing“ nicht geschützt.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte (Köln/Brühl)