2015 droht wieder ein sehr warmer Sommer. Nicht jeden freut das, z.B. bei einem Arbeitsplatz in Südlage mit großer Fensterfront, jedenfalls nicht während der Arbeitszeit. Ein „Hitzefrei“ am Arbeitsplatz wie früher in der Schule in dem Sinne, dass eine bestimmte Aussentemperatur generell und für alle Arbeitnehmer zur Arbeitsbefreiung führt, gibt es aber leider nicht. Hitzefrei kann es nur für einzelne Arbeitnehmer geben, bei denen die konkrete Arbeitsplatztemperatur zu hoch ist oder der Gesundheitszustand durch die erhöhte Temperaturen gefährdet wird. Das kann z.B. bei Herzkranken oder Schwangeren der Fall sein.Die Aussentemperatur spielt also keine direkte Rolle, nur wenn am Arbeitsplatz selbst (gemessen wird auch nicht im Dönerspieß, sondern im Arbeitsbereich 😉 die Temperatur auf mehr als 30 Grad steigt, muß der Arbeitgeber etwas unternehmen.
Die neuen, seit Juni 2010 geltenden Regeln sehen wie bei einer Ampel drei Stufen vor:
Stufe 1 („gelb“):
Ab 26 Grad – gemessen am individuellen Arbeitsplatz – soll der Arbeitgeber etwas unternehmen. In Betracht kommen verschiedene Maßnahmen, z.B. technische, personelle oder Organisatorische Maßnahmen.Die Auswahl überläßt das Gesetz dem Chef. Es reicht z.B. aus, wenn ein kühleres Büro zugewiesen wird oder die Temperatur durch technische Maßnahmen (Fensterbeschattung, mobiles Klimagerät) gesenkt wird. Entscheidend ist nur, dass die Maßnahme wirksam ist.
Folge für den Arbeitnehmer: Er darf in jedem Fall ab 26 Grad am Arbeitsplatz „meckern“ oder sich beim Betriebsrat beschwerden, es muß auf jeden Fall eine Entscheidung getroffen werden. Das „soll“ bedeutet nämlich nicht, dass Maßnahmen „ins Belieben“ des Chefs gestellt sind. Dann würde dort nämlich stehen, „der Arbeitgeber kann ab 26 Grade Maßnahmen ergreifen“. Die Meldung von Hitze im Büro oder am Arbeitsplatz ist auch aus einem anderen Grunde wichtig: Wer umkippt, ohne eine erhöhte Arbeitsplatztemperatur weitergegeben zu haben, muß sich später den Vorwurf gefallen lassen, gesundheitliche Folgen durch das tapfere Schweigen selbst verschuldet zu haben. Wenn Fehler passieren, weil die Konzentration durch die Hitze nachlässt, kann man sich im Nachhinein auch nicht auf die Hitze im Büro berufen, wenn der Chef davon nichts weiß. Aber: Meckert man zu früh, gilt man als Querulant oder „Weichei“. Man sollte daher nicht beim ersten Sommertag morgens schon mit breitem Lächeln und Riesenthermometer im Büro auftauchen.
Andererseits darf der Arbeitgeber entsprechend begründete Meldungen nicht einfach ignorieren. Unternimmt er nichts, weil er die erhöhte Arbeitsplatztemperatur für kurzfristig („ist doch nur heute“) oder vernachlässigbar („sind doch nur 26,1 Grad“) hält, trägt er alle mit der Entscheidung verbundenen Risiken (Fehlerhäufung durch Konzentrationsmängel, gesundheitliche Folgen).
Tipp: Im Zweifel den Betriebsrat (oder Personalrat) mit ins Boot holen. Die Mitbestimmungsgesetze sehen vor, dass Beschwerden von Arbeitnehmern mit dem Arbeitgeber zu beraten sind und der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen Bescheid seiner Beschwerde. Weisen Sie auf besondere Beschwerden (z.B. Kreislaufprobleme etc.) hin.
Stufe 2 („gelb-rot“):
Ab 30 Grad „muß“ der Arbeitgeber Maßnahmen treffen. Er kann dann nur noch unter den bei Stufe 1 genannten Mitteln die Auswahl treffen, aber er ist durch die Hitzerichtlinie zum Handeln gezwungen. Spätestens ab 30 Grad ist also der Vorwurf, man sei empfindlich, auch bei völlig gesunden Arbeitnehmern nicht mehr haltbar. Ein Arbeitgeber, der trotzdem nichts unternimmt, verstößt nicht nur gegen seine Pfichten aus dem Arbeitsschutzrecht, sondern handelt unverantwortlich. Gesundheitliche Schäden betroffener Arbeitnehmer können dann Schadensersatzansprüche auslösen. Aber auch Fehler von Arbeitnehmern (bspw. unkonzentrierte Busfahrer überfährt Ampel und verschuldet Unfall mit Personenschaden) muß sich ein Arbeitgeber im Sinne von Vorsatz (billigende Inkaufnahme) vorhalten lassen, wenn er Meldungen von Arbeitnehmern ignoriert, deren Arbeitsplatz über 30 Grad heiß ist.
Stufe 3 („rot“:
Ab 35 Grad am Arbeitsplatz darf dieser nicht mehr benutzt werden. Er ist als Arbeitsplatz ungeeignet. Gelingt es dem Arbeitgeber also nicht, die Arbeitsplatztemperatur zu senken, darf das Büro oder der Arbeitsbereich nicht mehr als Arbeitsplatz zugewiesen werden. In Betracht kommen aber immer noch Maßnahmen wie Bürowechsel oder Arbeitszeitverlegung.
Fazit: Hitzefrei wird die letzte Maßnahme sein, die ein Arbeitgeber ergreift, um seinen Pflichten zum Gesundheitsschutz bei Hitze am Arbeitsplatz nachzukommen. Das Gesetz gibt ihm das Recht, zunächst durch andere Maßnahmen zu versuchen, arbeitsverträgliche und gesunde Temperaturen bei der Arbeit zu schaffen. Darauf aber haben Arbeitnehmer einen Anspruch.
Und wann zeigt die Ampel grün? Grün und damit unbedenklich ist ein Arbeitsbereich, in dem 26 Grad nicht überschritten werden. Auch nicht bei strahlendem Sonnenschein.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Der Autor befasst sich seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema „Hitzefrei am Arbeitsplatz“, ein bloggender Kollege wollte ihm schon den „Fachanwalt für Hitzefrei“ verleihen. Mehr Informationen finden Sie in unserem Rechtslexikon unter dem Stichwort „Hitzefrei“, dort sind auch Interviews des Autors zum Thema aufgelistet.
Rechtsanwalt Felser wird regelmäßig auf von ARD/WDR und anderen Medien (Bild.de, Süddeutsche Zeitung uvm) als Rechtsexperte zu arbeitsrechtlichen Themen interviewt. Er ist seit 20 Jahren als Rechtsanwalt tätig und hat vorher eine Rechtsabteilung geleitet.
Interviews zum Thema Hitzefrei finden Sie u.a. hier:
1) SR 3 vom 20.07.2015: Live Interview von RA Felser mit Michael Friemel zur Hitze am Arbeitsplatz – Müssen Arbeitnehmer bei jeder Temperatur arbeiten?
2) SWR 1 vom 04.07.2015: Interview mit Uwe Bettendorf zur aktuellen Hitzeperiode: Hitze am Arbeitsplatz – was muss der Chef tun? Link folgt.
3) Bild.de vom 29.06.2011: Die Hitze-Ampel fürs Büro Bei diesen Temperaturen müssen Sie nicht arbeiten. Von Guido Rosemann mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser
4) SWR 3 vom 21.7.2006: Hitze am Arbeitsplatz. Rechtsanwalt Felser im Interview mit SWR 3 (aus Gründen des Rundfunkrechts leider nur ein Jahr online).
5) Süddeutsche Zeitung vom 18.07.2003: Gibt es Hitzefrei für Arbeitnehmer? Wird’s im Büro zu warm, kann der Betriebsrat einschreiten. Rechtsanwalt Felser im Interview
6) Bild.de: Hitze-Regeln für den Job Kommt die Deo-Pflicht am Arbeitsplatz? Mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Felser