Messehostessen können scheinselbständig oder Leiharbeitnehmerinnen sein, so das Hessische Landessozialgericht (Urteil vom 20.10.2005 – L 8/14 KR 334/04).
Anders als noch die Vorinstanz hält das Landessozialgericht Messehostessen grundsätzlich für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Die Agentur, die Messen, Tagungen, Kongresse und andere Veranstaltungen organisiert und das hierfür erforderliche Personal (Hosts und Hostessen) bereitstellt, hatte mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (typischerweise Studentinnen und Studenten) jeweils einen Rahmenvertrag geschlossen, in dem diese als Selbständige bezeichnet wurden. Das Personal erhielt einen Stundenlohn und konnte Aufträge ablehnen. Für die Tätigkeit gab es detaillierte inhaltliche Vorgaben, bis hin zu standardisierten Antworten bei Fragen von Messebesuchern.
Das Landessozialgericht begründete die Entscheidung nach einer zutreffenden Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei Fotomodellen, Mannequins und Dressmen damit, dass bei der einfachen Tätigkeit von Hostessen eine Weisungsfreiheit schlechterdings unvorstellbar sei. Insbesondere die engen Vorgaben sah das Gericht als Indiz für eine „Scheinselbständigkeit“. Das überzeugt jedoch nicht. Ein Blick in das Spülküchenurteil des Bundesarbeitsgerichts hätte genügt, um zu erkennen, dass gerade detaillierte Vorgaben für selbständige Vertragsformen wie den echten Dienstvertrag und Werkvertrag sprechen („Leistungsverzeichnis“). Das sogenannte projektorientierte Weisungsrecht ist dabei von dem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht zu unterscheiden. Das Bundesarbeitsgericht hat dies ausdrücklich auch für einfache Tätigkeiten wie in einer Spülküche bejaht. Da das Urteil des LSG für die Agentur existenzbedrohend sein dürfte, hätte schon des Rechtsfriedens willen nahe gelegen, der Agentur die Ausschöpfung des Rechtsweges zu ermöglichen, zumal die erste Instanz mit nicht von der Hand zu weisenden Gründen noch zu einem anderen Ergebnis gekommen war (was zeigt, dass der Gewinn in erster Instanz nicht selten ein Phyrrussieg ist …). Die Zulassung der Revision hätte auch deswegen nahegelegen, weil zur Zeit viele Messeagenturen geprüft werden oder jedenfalls im Fokus der Betriebsprüfer stehen. Eine Entscheidung des Bundessozialgerichts hätte daher auch für Rechtssicherheit für eine ganze Branche gesorgt. Wie oft in nicht eindeutigen Fällen wollte die zweite Instanz indes Recht behalten. Schade für die Betroffenen. Denn letztlich wird das Bundessozialgericht einen vergleichbaren Fall wegen der Bedeutung für die Agenturen wohl doch entscheiden. Tragisch möglicherweise für die hessische Agentur, wenn das Bundessozialgericht eine andere Ansicht als das Landessozialgericht einnähme.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Rechtsanwälte Felser
Scheinselbständigkeit.de