Eine bestimmte Mindest-Körpergröße darf im höheren Dienst der Bundespolizei nicht zur Voraussetzung für eine Einstellung gemacht werden, entschied das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein am 26. März 2015. Die Nichtberücksichtigung „kleinerer“ Bewerber stellt eine unzulässige Diskriminierung von Frauen dar, die nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei.
Die Klägerin hatte sich als Volljuristin mit beiden juristischen Staatsexamina im November 2013 bei der Bundespolizeiakademie auf eine Stellenausschreibung um Einstellung in den Vorbereitungsdienst des höheren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei beworben.
Ihre Bewerbung der wurde mit der Begründung abgelehnt, sie könne nicht berücksichtigt werden, da sie die Mindestanforderungen der Einstellungsvoraussetzung „Körperlänge“ nicht erfülle. Mit 1,58 m Körperlänge werde die Einstellungsvoraussetzung von mindestens 1,63 m nicht erfüllt.
Diese Mindestanforderung wird in den Richtlinien für die Auswahl und Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei wie folgt festgeschrieben:
„… Die Mindestkörperlänge beträgt für Bewerberinnen 1,63 m und für Bewerber 1,65 m. Bei besonders geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern kann diese Grenze um bis zu 2 cm unterschritten werden. Die Körperlänge soll nicht mehr als 1,95 m befragen. Bei besonders geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern kann diese Grenze um bis zu 2 cm überschritten werden…“.
In der Stellenausschreibung war die Mindestkörperlänge zum Gegenstand des Anforderungsprofils gemacht worden.
Zwischen den Beteiligten war unstreitig, dass die Körperlängenanforderungen eine mittelbare Benachteiligung von Frauen gem. § 3 Abs. 2 AGG wegen des Geschlechts (§ 1 Var. 3 AGG) darstellt, weil Frauen im Mittel kleiner sind als Männer. Das Verwaltungsgericht sah dies genauso und sieht sich dabei mit dem ArbG Köln, Urteil vom 28.11.2013 – 15 Ca 3879/13 – juris-Rn. 37 ff. (insoweit bestätigt durch LAG Köln, Urteil vom 25.06.2014 – 5 Sa 75/14 – juris-Rn. 61 ff.; Revision anhängig beim Bundesarbeitsgericht – 8 AZR 638/14) in guter Gesellschaft.
Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 Hs. 2 AGG allerdings gerechtfertigt, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich begründet und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind oder die spezielle Ausnahme nach § 8 Abs. 1 AGG vorliegt. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Die Bundespolizei war der Meinung, dass die Ungleichbehandlung der Klägerin sachlich gerechtfertigt sei.
Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Juristin Klage und machte Entschädigungsansprüche aufgrund von Diskriminierung nach dem AGG geltend. Sie verlangte eine Entschädigung nach § 15 Abs. 1 AGG, die ihr das Verwaltungsgericht auch zusprach, allerdings nur in Höhe eines Monatsentgelts (3.780,31 EUR). begründet hat die Kammer des Verwaltungsgerichts die Reduzierung auf eine Monatsbrutto mit folgender Begründung:
„Die Kammer berücksichtigt maßgeblich, dass vorliegend nur eine mittelbare Benachteiligung in Rede steht, die zudem nicht ohne Weiteres offensichtlich ist. Die Forderung von Mindestkörperlängen seitens der Beklagten ist zudem durch ein wichtiges Gemeinschaftsgut motiviert, vergleichbare Regelungen im Polizeibereich zudem weit verbreitet. Der Klägerin dürfte dies auch vor ihrer Bewerbung bekannt gewesen sein. Sie hat zudem den auf ihren Bewerbungsverfahrensanspruch gestützten primären Rechtsschutz nur bis ins Widerspruchsverfahren verfolgt und nicht z.B. durch Klage oder auch einen Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz zum Ausdruck gebracht, dass ihr der Zugang zum Auswahlverfahren für den Vorbereitungsdienst der Beklagten nachhaltig wichtig ist. Sie trifft deshalb ein anspruchsminderndes Mitverschulden (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 14.08.2013-2 K 2669/11 – juris-Rn. 129). Die Kammer hält deshalb ein Monatsbruttogehalt der Besoldungsgruppe A 13, niedrigste Erfahrungsstufe, nach der im Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung gültigen Tabelle (3.780,31 EUR) für einen angemessenen Entschädigungsbetrag.“
(Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 26. März 2015 – 12 A 120/14 –, Rn. 51, juris)
Das SH-VG erkannte im Fall der Klägerin anders als die Bundespolizei keinen sachlichen Grund für die nachteilige Berücksichtigung der Körpergröße.
Allerdings hat das VG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2007-2 K 2070/07 -, juris-Rn. 43, dies für Beamte im operativen Bereich anders gesehen:
„Grundsätzlich ist die Festsetzung von Mindestkörpergrößen bei Polizeibeamten sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten. Vor dem Erlass vom 9. März 2006 ist es in den verschiedensten Bereichen bei der Polizeiausbildung und im operativen Einsatz zu Problemen bei unterdurchschnittlich kleinen Polizeibeamten beiderlei Geschlechts gekommen. Hierzu hat der Beklagte in der Klageerwiderung vom 20. August 2007 umfangreiche, detaillierte und überzeugende Ausführungen gemacht, auf die Bezug genommen wird. Derartige, größenbedingte Probleme lassen sich durch die Einführung von Mindestgrößen jedenfalls für den Polizeinachwuchs beheben. Dass es sich bei der störungsfreien Aufgabenwahrnehmung durch die Polizei um ein rechtmäßiges Ziel handelt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.“
Das hinderte das VG Schleswig-Holstein nicht, dies für den Bereich der Bundespolizei anders zu sehen und damit dem LAG Köln zu folgen, dass in einer Mindestgröße von Piloten eine Diskriminierung von Frauen sieht.
Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht in der Revision oder das OVG Schleswig-Holstein in der zugelassenen Berufung entscheidet. Das VG Düsseldorf jedenfalls laviert – anders als die beiden anderen Gerichte – in der nicht überzeugenden Entscheidung herum: gibt der Klägerin und Statistiken recht, aber was nicht sein darf, kann auch nicht sein.
Bewerberinnen, die mit Hinweis auf die Körpergröße abgelehnt werden, sollten zur Wahrung ihrer Rechte den ablehnenden Bescheid allerdings angreifen. Wird der Bescheid bestandskräftig, kann die Einstellung nachträglich nicht mehr durchgesetzt werden, auch ein Schadensersatzsanspruch scheitert daran, dass ein Rechtsmittel nicht eingelegt wird.
Beim Entschädigungsanspruch ist zu beachten, dass dieser ebenfalls nach § 15 Abs. 4 AGG nur binnen zwei Monaten nach Kenntnis von der Ablehnung geltend gemacht werden muss:
„Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. 2Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.“,
so § 15 Abs. 4 AGG.
Witzigerweise sind die Anforderungen an die Mindestkörpergröße in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich, scheinbar sind auch die Anforderungen sehr unterschiedlich. Im Bremen wurde die Körpergröße als Mindestanforderung sogar abgeschafft. Gibt es jetzt in Bremen ein Sicherheitsrisiko? Scherz beiseite. Die Österreicher und die Franzosen haben die diskriminierende Körpergröße als Einstellungskriterium auch längst aufgegeben. Nur in Deutschland soll es wohl nur „staatse Kääls“ (kölsch für stattliche Männer) in der Polizei geben. Frauen scheinen im Polizeidienst unerwünscht.
Update 2016: Während der Hessische Verwaltungsgerichthof im Rahmen einer einstweilgen Anordnung die Vorgabe einer bestimmten Körpergröße im Polizeidienst für rechtsmässig hält und dabei auch unterschiedliche Regelungen für Männer und Frauen nicht als Problem ansieht, hat sich mit dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ein weiteres Verwaltungsgericht mit der Vorgabe einer bestimmten Körpergröße befasst und diese wegen mangelhaften statistischer Untermauerung als unrechtmäßige Anforderung zurückgewiesen (Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 14.03.2016 – 1 K 3788/14). Zur Pressemitteilung des VG Gelsenkirchen.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl / Köln / Bonn
Der Autor hat vor seiner Anwaltstätigkeit eine Rechtsabteilung der Gewerkschaft ÖTV geleitet und hat zahlreiche Beamte beraten und aussergerichtlich und gerichtlich vertreten.