Eine Klage kann bei Kündigung trotz Sozialplan mit Abfindungsanspruch Sinn machen.
In Großunternehmen wird im Falle einer Betriebsänderung bei Entlassungen meist ein Sozialplan vereinbart, sofern ein Betriebsrat existiert. In diesem Sozialplan werden teilweise deutlich über der von den Arbeitsgerichten angewendeten Abfindungsformel liegende Abfindungen für den Fall der Kündigung oder Ausscheiden per Aufhebungsvertrag geregelt. Viele Arbeitnehmer glauben, eine Kündigungsschutzklage mache in diesem Fall keinen Sinn.
In der Praxis führt eine Klage gegen die Kündigung auch bei einem Anspruch auf eine Abfindung aus einem Sozialplan in der Regel dazu, dass die Abfindung erhöht wird. Wie kann das sein, wenn doch die Abfindung bereits im Sozialplan festgeschrieben ist?
Dazu muss man wissen, dass der Sozialplan nach dem Betriebsverfassungsgesetz die sozialen und wirtschaftlichen Nachteile einer Kündigung ausgleichen oder mildern soll. Der Gesetzgeber meint dabei natürlich die berechtigte, also sozial gerechtfertigte Kündigung. Die Abfindung aus dem Sozialplan wird also gezahlt, obwohl die Kündigung gerechtfertigt ist.
Oft sind Kündigungen, die auf der Basis eines mit dem Betriebsrat gefundenen Interessenausgleich und vereinbarten Sozialplans ausgesprochen werden, aber nicht sozial gerechtfertigt. Die Gründe sind vielfältig und oft „politischer“ Natur. Eine ungerechtfertigte Kündigung wird aber durch die Sozialplanabfindung nicht angemessen ausgeglichen. Was ist schon eine (auch noch zu versteuernde) Abfindung wert gegen die Möglichkeit, noch jahrelang gegen Gehalt weiterbeschäftigt zu werden und Rentenansprüche zu erwerben?
Die Kündigung nach einem Sozialplan ist auch kein Indiz dafür, dass sie gerechtfertigt ist.
Wer entlassen wird, entscheidet nämlich letztlich der Arbeitgeber alleine, der Betriebsrat bestimmt dabei im Interessenausgleich nicht wirklich mit, da es sich um eine eingeschränkte Mitbestimmung handelt. Auch bei der gesetzlich in § 102 BetrVG vorgesehenen Anhörung des Betriebsrats vor der Kündigung handelt es sich um eine eingeschränkte Mitbestimmung, bei der der Betriebsrat der Kündigung zwar widersprechen kann, ohne diese aber verhindern zu können. Vielmehr muss auch bei einem Widerspruch des Betriebsrats der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben, wenn er die unbestreitbaren Vorteile eines Widerspruchs des Betriebsrats in Anspruch nehmen will, sei es um die Weiterbeschäftigung zu erreichen, sei es um eine kräftige Erhöhung der Abfindung zu erreichen.
Selbst wenn der Betriebsrat „schweigt“, also der Kündigung nicht widerspricht (was im übrigen leider nur sehr selten geschieht), bedeutet das nicht, dass die Kündigung rechtmäßig ist. Der Betriebsrat hat gar nicht die Fähigkeit, die Kündigung wie ein im Arbeitsrecht spezialisierter Anwalt zu prüfen. Es ist auch nicht seine Pflicht. Oft verpflichten sich Betriebsräte in Sozialplänen sogar, die Kündigungen „durchzuwinken“ und dafür höhere Abfindungsbeträge im Sozialplan durchsetzen zu können.
Eine Kündigung kann also auch bei einem mit dem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan mangelhaft sein. Arbeitnehmer sollten immer durch entsprechend versierte Arbeitsrechtsanwälte prüfen lassen, ob die Kündigung in Ordnung ist oder nicht. In einem zweiten Schritt ist dann zu entscheiden, ob Kündigungsschutzklage erhoben wird. Hat der Betriebsrat der Kündigung widersprochen, macht das auf jedenfall Sinn, weil die Risiken für den Arbeitgeber enorm steigen, dass er auch nach der Kündigungsfrist weiter Gehalt zahlen muss. Aber selbst wenn der Betriebsrat geschwiegen hat, sollte geprüft werden, aus welchen Gründen das geschehen ist. Unabhängig sollte die Kündigung auch in diesem Fall von einem Fachmann oder einer Fachfrau im Arbeitsrecht einer gründlichen Prüfung unterzogen werden. Abhängig von diesem Ergebnis kann der Arbeitnehmer dann autonom entscheiden, ob der gegen die unwirksame Kündigung klagen will oder sie doch lieber akzeptieren will.
Für die Klage haben Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung allerdings nur drei Wochen Zeit, weil das Kündigungsschutzgesetz eine Frist von drei Wochen für die Kündigungsschutzklage vorsieht. Deshalb sollte frühzeitig, am besten noch vor der Kündigung ein spezialisierter Anwalt aufgesucht werden.
Fazit: Oft kann man trotz Sozialplan eine Weiterbeschäftigung oder Verlängerung der Kündigungsfrist oder erhöhte Abfindung erreichen, wenn man einen im Kündigungsrecht versierten Anwalt einschaltet. Nach unseren Erfahrungen ist oft mehr als ein zusätzliches Bruttogehalt drin. Im Schnitt gibt es ca. drei Gehälter on top, oft kann auch eine wunschgemäße Weiterbeschäftigung erreicht werden.
Beachten Sie auch, dass sie mit unserem SOS Plan vor der Kündigung unter Umständen ihre Chancen für eine Weiterbeschäftigung oder höhere Abfindung verbessern können. Wir haben unter anderem wei Arbeitnehmer durch das Pflegezeitgesetz vor dem Verlust des Arbeitsplatzes gerettet (obwohl sie auf der Namensliste standen) und einige mehr durch die Verbesserung des Schwerbehindertenschutzes.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl /Köln / Berlin
Autor von „Kündigung – was tun?“ (Bund Verlag)
Chefredakteur von Kuendigung.de (zur Zeit in Überarbeitung)
Gründer des Kündigungsschutzzentrums Köln