Die Neue Richtervereinigung beklagt laut dem Nachrichtendienst Beck-Online dienstrechtliche Maßnahmen der Präsidentin des OLG Karlsruhe gegen einen Richter, dessen „Erledigungszahlen“ unter dem Durchschnitt seiner Kollegen liegt.

Dem Richter wird laut Beck-Online vorgeworfen, weniger „Akten“ zu erledigen als der Durchschnitt seiner Kollegen am Gericht. Die OLG-Präsidentin habe mit dienstrechtlichen Maßnahmen gegen den Richter auf höhere Erledigungszahlen hinwirken wollen. Die Neue Richtervereinigung sieht darin einen Verstoß gegen die grundgesetzlich geschützte richterliche Unabhängigkeit. Der Sprecher der Fachgruppe Gewaltenteilung Peter Pfennig erklärt, diese schütze gerade gegen Maßnahmen von Gerichtsvorständen, die unstatthaften Einfluss auf die richterliche Entscheidungsfindung nehmen wollen. Die Maßnahmen sollten hier ganz gezielt bewirken, dass der Richter, dessen persönlicher und zeitlicher Arbeitseinsatz außer Frage stehe, «irgendwie» mehr erledige und damit die bei ihm anhängigen Rechtsachen weniger sorgfältig bearbeite, als er in seiner richterlichen Unabhängigkeit für erforderlich halte.

Die Haltung der Präsidentin liegt zwar auf der Linie des Bundesarbeitsgerichts, das meint, auch im Betrieb könne der Arbeitgeber unter gewissen Umständen Mitarbeiter, die unterdurchschnittliche Ergebnisse liefern, abmahnen und notfalls sogar kündigen. Beiden Ansichten liegt ein logischer Denkfehler zugrunde, wie ich ihn in einem Kommentar auf Beck-Online beschrieben habe:

„Wie bei der Rspr. des BAG bei „Low Performern“ liegt auch hier ein Denkfehler vor. Der Durchschnitt setzt bekanntlich voraus, dass es Überdurchschnittliche und Unterdurchschnittliche gibt. Wird nun den Unterdurchschnittlichen aufgegeben, den Durchschnitt zu erreichen, hebt dies kontinuierlich den Durchschnitt immer weiter an (zwar auf Dauer langsamer, wenn es keine unterdurchschnittlichen Neuzugänge gibt), aber im Grunde genommen unendlich lang. Der Durchschnitt ist daher als Maß aller Dinge nicht geeignet, es sei denn, man strebt systematisch die stetige Leistungsanhebung an. Bei der Tour de France konnte man sehen, wozu dies führt. Damit sei hier nicht gesagt, dass der gemaßregelte Richter qualitativ unterdurchschnittlich arbeitet. Mir geht es nur um den rechnerischen Unsinn, die „Unterschreiter“ auf den Mittelwert anzuheben. Zu Ende gedacht führt dieses System nämlich zwangsläufig dazu, dass die Akten nur noch „weggeschrubbt“ werden, Rechtsstaat hin oder her. Iudex non calculat.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Oder doch?

Michael W. Felser
Rechtsanwalt

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