Muss der Arbeitgeber die Zeit die ein Monteur für Umkleiden und Duschen benötigt, bezahlen? Diese Frage stellte sich heute dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf in zweiter Instanz. Das Arbeitsgericht Oberhausen (Arbeitsgericht Oberhausen, Urteil vom 04.03.2015 Aktenzeichen 3 Ca 1700/14) hatte dem Arbeitnehmer recht gegeben und den Arbeitgeber zur Vergütung der Duschzeit und Umkleidezeit verurteilt.
Die Dienstkleidung des KfZ-Mechanikers, der bei einem städtischen Verkehrsbetrieb arbeitet, besteht aus Bund- oder Latzhose, Jacke und/oder Weste sowie T-Shirt oder Poloshirt und war auf Weisung des Arbeitgebers im Betrieb zu tragen. Die mit dem Firmenlogo versehene Arbeitskleidung wird vom Arbeitgeber im Betrieb zur Verfügung gestellt und dort auch gewaschen. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe (TV-N NW) Anwendung. Zu dessen Tarifwerk gehört u.a. eine Regelung zur Kleiderordnung. Diese besagt, dass die Dienstkleidung nur im Dienst getragen werden darf. Eine Betriebsvereinbarung schloß zudem nach ihrem Wortlaut wohl jede private Nutzung aus. Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass das Tragen der Arbeitskleidung auf dem Weg von und zur Arbeit unzumutbar ist, weil die Kleidung nach der Arbeit öl- und fettverschmiert sei.
Heute haben sich vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Vergleich geeinigt.
Das Landesarbeitsgericht hat im Verhandlungstermin darauf hingewiesen, dass zwischen den Umkleidezeiten und den Zeiten zum Duschen wohl zu differenzieren sei. #
Zu den Umkleidezeiten liege gesicherte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor. Die Zeit für Umkleiden zu vergüten, wenn das Umziehen fremdnützig im Interesse des Arbeitgebers erfolge. Dies setze voraus, dass die Dienstkleidung während der Arbeitszeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zu tragen und die private Nutzung ausgeschlossen sei.
Zur Frage von Waschzeiten liege – so die Kammer – keine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Maßgeblich könne sein, ob das Duschen fremdnützig sei. Die Abgrenzung, ab welchem Grad einer Verschmutzung der Arbeitgeber das Duschen als Arbeitszeit zu vergüten habe, sei schwierig, denn dabei spiele immer auch eine individuelle Wertung mit. Möglicherweise zu vergüten seien Waschzeiten, die hygienisch zwingend notwendig seien. Dies sei hier wohl nicht gegeben, denn die Arbeit erfolge ja in der von der Arbeitgeberin gestellten Dienstkleidung, die zudem von dieser gewaschen werde und im Betrieb verbleibe. Fraglich sei außerdem, ob nicht zehn Minuten für das Duschen zu lang seien, so das Landesarbeitsgericht.
Der Vergleichsvorschlag des Gerichts sieht vor, die Umkleidezeiten (je 5 Minuten zu Arbeitsbeginn und Arbeitsende) zu vergüten, nicht hingegen die Zeit für das Duschen (10 Minuten am Arbeitsende).
Der Vergleich kann widerrufen werden, so dass noch nicht feststeht, ob der Rechtsstreit beendet ist oder ob das Landesarbeitsgericht Düsseldorf doch noch ein Urteil sprechen muß. In diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass das Landesarbeitsgericht wegen der beanspruchten Bezahlung der Duschzeit die Revision zum Bundesarbeitsgericht zulässt. Das Bundesarbeitsgericht wird dann die bisher höchstrichtlich nicht geklärte Frage, ob Waschzeiten zu vergüten sind, entscheiden.
Anmerkung Rechtsanwalt Felser:
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Forderung bzgl. der Umkleidezeiten nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts wohl berechtigt ist:
Für Umkleidezeiten hat das BAG nämlich vor kurzem wieder entschieden:
„Nach der Senatsrechtsprechung gehören Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG 10. November 2009 – 1 ABR 54/08 – Rn. 15). An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden auch einem eigenen Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet.“
BAG, Beschluss vom 12. November 2013 – 1 ABR 34/12
Zu Waschzeiten (Duschen) hat sich das Bundesarbeitsgericht allerdings genauso geäußert:
„Im Streitfall ist das Umkleiden und Waschen des Klägers als „Arbeit“ anzusehen. Arbeit ist jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 25. April 1962 – 4 AZR 213/61 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 6; BAG 8. März 1961 – 4 AZR 71/59 – BAGE 11, 25). Umkleiden und Waschen dienen dann einem fremden Bedürfnis, wenn sie nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllen. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung etwa, die zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann, ist nicht lediglich fremdnützig. Die dafür aufgewendete Zeit ist regelmäßig keine Arbeitszeit im Sinne des § 612 Abs. 1 BGB (zutreffend Busch aaO).
Anders verhält es sich, wenn die Dienstkleidung notwendig im Betrieb angelegt werden muß, dort nach Beendigung der Tätigkeit zu verbleiben hat und der Arbeitnehmer arbeitsschutzrechtlich ohne sie die Arbeit gar nicht aufnehmen darf. Hier dient das Umkleiden und das Anlegen der vorgeschriebenen Schutzkleidung nicht gleichermaßen einem eigenen Bedürfnis des Arbeitnehmers. Es dient vorwiegend dem fremden Bedürfnis des Arbeitgebers, der den Arbeitnehmer ohne die entsprechende Ausrüstung nicht einsetzen dürfte (ähnlich LAG Baden-Württemberg 12. Februar 1987 – 6 Sa 195/85HD – AiB 1987, 246, 247). Der Umstand, daß Arbeitsschutzbestimmungen gerade im gesundheitlichen Interesse der Arbeitnehmer liegen, ist im Rahmen des § 612 Abs. 1 BGB für die Beurteilung der Eigennützigkeit im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohne Bedeutung. Schon das Umkleiden selbst ist deshalb in solchen Fällen fremdnützig, nicht erst die anschließende Tätigkeit. Eine solche Bewertung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Umkleiden nur eine Vorbereitungshandlung darstellt. Zwar trifft dies zu, doch dient diese ihrerseits allein einem fremden Bedürfnis.
Unter den genannten betrieblichen und arbeitsschutzrechtlichen Voraussetzungen gilt das gleiche für das Waschen und Umkleiden nach Beendigung der geschuldeten Tätigkeit. Es ist nicht überzeugend, diese Handlungen gleichsam als Vorbereitung der Freizeit und damit als lediglich einem eigenen Bedürfnis des Arbeitnehmers dienend zu betrachten (so aber Wiese aaO). Sie sind notwendig für die Wiederherstellung des Zustands vor der Tätigkeitsaufnahme und beenden lediglich dessen insgesamt fremdnützige Veränderung.
Der Kläger ist arbeitsvertraglich und arbeitsschutzrechtlich verpflichtet, während seiner Tätigkeit als Fahrer und Müllwerker genau vorgeschriebene Schutzkleidung zu tragen, diese nur im Umkleideraum des Betriebes anzulegen, sie nach Tätigkeitsende dort zurückzulassen und sich selbst aus hygienischen Gründen einer gründlichen Körperreinigung zu unterziehen. Umkleiden und Waschen vor und nach der vertraglich geschuldeten Haupttätigkeit sind für ihn fremdnützig und stellen damit „Arbeit“ dar.“
BAG, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 5 AZR 122/99 –, BAGE 96, 45-54
Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu Recht zwischen Waschzeiten / Duschzeiten und Umkleidezeiten unterschieden. Der Vergleich dürfte trotzdem kaum halten, weil die Rechtslage bei den Umkleidezeiten klar für den Arbeitnehmer spricht, bei den Waschzeiten / Duschzeiten für beide Seiten zwar eher ein Risiko bestand, allerdings mehr für den Arbeitgeber. Der Vergleichsvorschlag gibt dem Arbeitnehmer aber nur was ihm ohnehin sicher zusteht, nämlich eine Bezahlung der Umkleidezeiten. Sachgerecht wäre es bei dem Risiko für beide Seiten bei den Waschzeiten / Duschzeiten gewesen, hier mindestens 50/50, wegen des oben zitierten Urteils des Bundesarbeitsgerichts aber eher 75/25 zugunsten des Arbeitnehmers vorzuschlagen. Eine andere Frage ist, welche Dauer der Duschzeit (der Arbeitnehmer hat hier 5 Minuten vor und 5 Minuten nach der Arbeit angegeben) angemessen ist. Schneller wird man aber kaum duschen können.
Ich bin gespannt ob der Vergleich hält.
Mehr Infos zum Dresscode im Betrieb finden Sie in unserem Rechtslexikon.
Ein Beispiel für die Behandlung von Waschzeiten und Umkleidezeiten im Manteltarifvertrag MTV Chemie (§ 6 MTV Chemie)
Michael W. Felser
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl / Köln / Berlin
Interviews mit Rechtsanwalt Felser zu Dresscode und Arbeitskleidung:
Radio Erft vom 5.12.2012: Darf der das? Pausen, Urlaub, Dresscode am Arbeitsplatz. Heike Spitzley interviewt Rechtsanwalt Felser. [8]
Bild.de vom 16.12.2010: Strikter Dresscode für Angestellte Schweizer Bank verbietet enge Röcke und Muster-Socken. Beitrag mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser. [9]
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 22.04.2009: Tätowierungen Fürs Leben gezeichnet: Tätowierungen und Piercings sind Privatsache, heißt es. Doch in manchen Branchen können sie über die Vergabe von Arbeitsplätzen entscheiden. Denn oft zählt der erste Eindruck. Von Tonio Postel mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser.[10]
Der Tagesspiegel vom 17.8.2008: Karriere – was darf der Chef. Von Melanie Rübartsch mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser, urspränglich abgedruckt in Junge Karriere, dem Magazin von Handelsblatt [11] und auf Karriere.de [12]
Radio BB vom 19.7.2007: Dresscode am Arbeitsplatz. Interview mit RA Felser. [13]
Bild.de vom 05.07.2007: Experten-Tipps Darf mein Chef Piercings und Tattoos verbieten? Ein Beitrag von Beatrix Altmann mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Felser.[14]
WDR EinsLive vom 25.7.2006: Dresscode bei Sommerhitze. RA Felser im Interview. [15]