Tunesien: Reiseabbruch wegen Terroranschlag?

Der feige Terroranschlag in Port EL-Kantaoui/Sousse (Tunesien), von dem auch deutsche Urlauber betroffen sind, löst bei bei vielen Urlaubern, die sich derzeit in Tunesien aufhalten, Fragen aus, etwa ob sie sich für einen Reiseabbruch entscheiden sollten und welche Rechte sie wegen des Anschlags haben.

Aus Angst vor weiteren Anschlägen oder weil der Urlaub nach dem Anschlag nicht mehr entspannt genossen werden kann, erwägen einige Urlauber einen Reiseabbruch oder wollen ihren Urlaub in einem anderen sicheren Land fortsetzen. Ein Teil der Urlauber im Sousse, der den Urlaub fortsetzen möchte, fragt sich, ob es eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude gibt. Daheimgebliebene, die einen Urlaub in Tunesien gebucht, aber noch nicht angetreten haben, sind unsicher, ob sie den Urlaub kostenlos stornieren dürfen.

Die Rechtslage ist leider nicht so urlauberfreundlich, wie viele Reisende glauben.

Die entscheidende Frage ist nämlich, ob der Reiseveranstalter das Risiko eines Terroranschlages am Urlaubsort oder im Urlaubsland trägt und für die durch den Anschlag eingetretene Situation haftet oder ob sich darin ein allgemeines Lebensrisiko realisiert. Ausserdem ist von Bedeutung, ob der Reiseveranstalter von der Gefahr von Terroranschlägen warnen musste und – falls dies zu bejahen ist – ob er gewarnt hat.

Vorab: Entgangene Urlaubsfreude kann nicht geltend gemacht werden. Auch ein Anspruch auf Fortsetzung des Urlaubs in einem sicheren Urlaubsort kann vom Reiseveranstalter nicht verlangt werden.

Nach § 651j BGB kann ein Reisevertrag allerdings sowohl vom Reisenden als auch vom Reiseveranstalter gekündigt werden, wenn die Reise wegen höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird UND wenn dies bei Vertragsschluss noch nicht voraussehbar war.

Rechte der Reisenden können sich also nur dann ergeben, wenn ein Fall „nicht vorhersehbarer höherer Gewalt“ vorliegt.

Ein Fall höherer Gewalt wird bei Unruhen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, nicht aber unbedingt bei einzelnen Terroranschlägen von der Rechtsprechung angenommen.

„Einzelne Terroranschläge, die nicht direkt die gebuchte Reise betreffen, werden hingegen als Kündigungsgrund nicht anerkannt (umstritten).“ so die Justizverwaltung in NRW auf der Webseite der Justiz NRW.

Grundsätzlich trägt der Reisende das Risiko von Terroranschlägen, die sich in vielen Urlaubsländern und auch in Deutschland ereignen können, als allgemeines Lebensrisiko (so zB AG Stuttgart – Urteil vom: 6. März 1995), nicht zuletzt u.U. sogar durch seine Wahl des Urlaubsortes, wenn das Risiko bekannt ist.

„Höhere Gewalt wurde in der überwiegenden Rechtsprechung verneint, wenn lediglich einzelne Terroranschläge oder Drohungen hierzu vorlagen. Diese Einzelakte sind der Risikosphäre des Reisenden zuzurechnen. Dieser restriktiven Auslegung kann nicht entgegengetreten werden, soweit es sich tatsächlich um Einzelakte, auch von islamistischer Fundamentalisten, handelte. Solche Einzelakte gehören zum sog. allgemeinen Lebensrisiko des Reisenden, das sich ebenso in vielen anderen Ländern, auch in Deutschland, realisieren kann.“

so der Reiserechtsexperte Führich in einem Beitrag speziell zur Rechtslage bei Terroranschlägen

Terroristische Anschläge am Urlaubsort können allenfalls dann als ein Fall höherer Gewalt angesehen werden, wenn sie sich häufen und sich vergleichbar flächendeckenden, bürgerkriegsähnlichen Unruhen auswirken. Ein einzelnen Terroranschlag auf ein Feriengebiet in Antalya/Türkei begründet noch kein Kündigungsrecht gemäß BGB § 651j, denn darin realisiert sich lediglich das von jedem zu tragende allgemeine Lebensrisiko, so das Landgericht Frankfurt, Urteil vom 16. Januar 1995).

Die weit überwiegende Zahl der Gerichte verneint einen Kündigungsgrund bei einzelnen Terroranschlägen, selbst wenn sich diese gegen Touristen richten (eine gute Übersicht finden Sie auf den Seiten von Anwaltonline)

Der Veranstalter kann allerdings auch deswegen auf Schadensersatz haften, wenn er vor drohenden Anschlägen nicht gewarnt hat UND davor warnen musste.

Der Reisende hat unter Umständen einen auf das negative Interesse gerichteten Schadenersatzanspruch wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht. Das ist der Fall, wenn der Reiseveranstalter es unterlassen hat, den Reisenden über die bestehenden Risiken aufzuklären (so OLG Köln, Urteil vom 18. März 1992).

Der Reiseveranstalter muss allerdings nicht warnen, wenn sich bereits aus allgemein zugänglichen Quellen das Risiko von Anschlägen ergibt. So entschied das OLG Köln (Urteil vom 21.6.1999), dass der Urlaubsveranstalter nicht über die Gefahren eines Terroranschlags in Ägypten warnen musste, weil in praktisch allen Medien bereits vor der geplanten Urlaubsreise vor dem Risiko von Terroranschlägen gewarnt wurde. Das Oberlandesgericht Köln war zudem der Ansicht, dass der Veranstalter keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen zB durch bewaffnetes Sicherheitspersonal treffen musste. Es sei nicht wahrscheinlich, dass dadurch ein Anschlag verhindert werden könnte.

Reiseveranstalter warnen in den Buchungsunterlagen regelmäßig bei einer problematischen Sicherheitslage im Reiseland und verweisen auf Seiten des Auswärtigen Amtes, auf denen ggf. entsprechend differenzierte Warnungen zu finden sind.

Rechte der Urlauber, die sich zur Zeit des Terroranschlags im Reiseland Tunesien aufhalten

Da sich in dem Terroranschlag das allgemeine Lebensrisiko des Reisenden realisiert, stehen Reisenden im vom Anschlag betroffenen Urlaubsort und erst recht anderswo im entsprechenden Urlaubsland im Regelfall keine besonderen Rechte zu. Mithin also auch kein Recht zum Reiseabbruch auf Kosten des Reiseunternehmens.

Rechte der Urlauber, die eine Reise nach Tunesien gebucht, aber noch nicht angetreten haben

Auch Urlauber, die die Reise nach Tunesien wegen des Terroranschlags in Sousse nicht antreten möchten, müssen den normalen Weg über die Stornierung gehen. Wer keine Reiserücktrittskostenversicherung abgeschlossen hat (und kein Fall vorliegt, in dem diese den Rücktritt deckt), bleibt auf den Stornokosten sitzen.

Fazit:

Ein Terroranschlag wie in Sousse / Tunesien stellt nach der herrschenden Meinung der Gerichte keinen Kündigungsgrund dar, der zum Reiseabbruch auf Kosten des Reiseunternehmens berechtigen würde.

Es ist daher bei Reisen in Länder mit der Gefahr von Terrorakten in jedem Fall dazu zu raten, den Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung und einer Reiseabbruchversicherung (der Versicherungsschutz für muss ausdrücklich den Reiseabbruch umfassen) zu prüfen.

Die Reiserücktrittsversicherung, die das Risiko bis zum Abflug absichert, deckt allerdings nur die Stornogebühren, weil sie die Reise sowieso stornieren können. Die Reiseabbruchsversicherung deckt dagegen das Risiko ab, wenn die Reise nach Reiseantritt abgebrochen werden muss. Auch diese schließt allerdings die Angst vor Terroranschlägen oder psychischer Erkrankungen (z. B. wegen Traumatisierung durch den Terrorakt) als Leistungsfall für den Reiseabbruch aus, so jedenfalls beim ADAC. Versichert ist dagegen, wenn Ursache für den Reiseabbruch eine schwere Unfallverletzung oder der Tod eines Angehörigen zu Hause sind.

In jedem Fall sollten sich Reisende vor der Buchung auf den Seiten des auswärtigen Amtes über die Sicherheitslage und eventuelle Warnungen informieren.

Zum Glück sehen sich die meisten Veranstalter als Dienstleister mit Interesse an Kundenzufriedenheit und reagieren großzügiger als die Rechtslage dies gebieten würde. Aber auch hier gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Reiseveranstaltern. Im Zweifel sollte man bei Reise in unsicherer Urlaubsländer daher einen der anerkannten und kundenfreundlichen Reiseveranstalter wählen.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl und Köln

Lesen Sie auch unseren Blogbeitrag: 10 Rechtsirrtümer über den Urlaub

Rechtsanwalt Felser gibt als Rechtsexperte regelmäßig Interviews im ARD und WDR (TV und Radio) [20] und für Bild und Bild.de [21] sowie die Süddeutsche Zeitung.

Interviews speziell zum Reiserecht

Tagesspiegel vom 2.3.2015:
Airbnb – Vertrag ist Vertrag.

Welt vom 24.2.2015:
Das sind die Gefahren bei der Vermietung auf Airbnb

Radio 21 vom 25. Juli 2007:
Wir beantworten Fragen des Rock-Radiosenders RADIO 21 zum Reiserecht

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