Das Hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt hat einen Arbeitgeber zur Zahlung einer saftigen Entschädigung in Höhe von 7.000 € verurteilt, der eine Mitarbeiterin mindestens seit Juni 2008 an ihrem Arbeitsplatz permanent mit einer Videokamera überwachte. Die 24-jährige kaufmännische Angestellte arbeitete in einer hessischen Niederlassung eines bundesweit vertretenen Unternehmens. Gegenüber der Eingangstür des Büros hatte der Arbeitgeber eine Videokamera angebracht, die nicht nur auf den Eingangsbereich, sondern auch auf den Arbeitsplatz der Klägerin gerichtet war. Mit der im Oktober 2008 eingegangenen Klage machte die Mitarbeiterin Schadensersatzansprüche wegen der in der Überwachung liegenden Persönlichkeitsverletzung geltend. Das Arbeitsgericht in Wetzlar verurteilte das neugierige Unternehmen zunächst zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 15.000,- €.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung vor dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt hatte nur zum Teil Erfolg. Weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht ließen die Argumente des Arbeitgebers gelten, mit der er die Videoüberwachung rechtfertigen wollte. Der Arbeitgeber hatte sich im Prozess damit verteidigt, dass die Kamera nicht ständig in Funktion gewesen und nur zur Sicherheit der Mitarbeiter angebracht worden sei, weil es in der Vergangenheit schon zu Übergriffen auf Mitarbeiter gekommen sei. Egal so argumentierte das Hessische Landesarbeitsgericht, der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin sei gleichwohl unverhältnismäßig. Eine Ausrichtung der Kamera nur auf den Eingangsbereich des Büros wäre möglich gewesen. Es sei auch unerheblich, dass die Kamera nicht ständig in Funktion war. Allein die Unsicherheit darüber, ob die Kamera tatsächlich aufzeichne oder nicht, habe die Mitarbeiterin einem ständigen Anpassungs- und Überwachungsdruck ausgesetzt, den sie nicht hinnehmen musste, nachdem sie sich bereits früh gegen die Installation der Videokamera gewandt hatte. Es handele es um eine schwerwiegende und hartnäckige Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts, die nach Abwägung aller Umstände die Verurteilung zu einer Entschädigung von 7.000 € rechtfertige. Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Falle einer solchen schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruhe auf dem Gedanken, dass ohne einen Entschädigungsanspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei der Entschädigung stehe regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund.
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 25.10.2010 – 7 Sa 1586/09; Vorinstanz: Arbeitsgericht Wetzlar vom 01.09.2009 – 3 Ca 211/08.
Quelle: Pressemitteilung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26.1.2011 (textlich verändert vom Autor)
Anmerkung Rechtsanwalt Michael W. Felser:
Nicht nur die Videoüberwachung von Arbeitnehmern kann teuer werden. Der Arbeitgeber hätte auch gewarnt sein können. So hat bereits (frühzeitig) das Arbeitsgericht Frankfurt (Urteil vom 26.09.2000 Aktenzeichen: 18 Ca 4036/00) einen Arbeitgeber zur Zahlung von 1300 DM Schmerzensgeld verurteilt. Das Arbeitsgericht Iserlohn (Urteil vom 4.06.2008 Aktenzeichen 3 Ca 2636/07) hielt sogar 25.000 Euro bei einer Videoüberwachung für angemessen, das Verfahren wurde zweitinstanzlich durch einen Vergleich beendet.
Es gehört wenig Phantasie zu der Prognose, dass sich die Zahlungen zukünft eher nach oben als nach unten orientieren werden. Der EGMR hat einer englischen Schulsekretärin eine Entschädigung von 3000 Euro zugesprochen, weil ihr Arbeitgeber den Dienst-PC überwacht hat.
Es ist damit zu rechnen, dass sich zukünftig Arbeitnehmer verstärkt gegen die zunehmende Überwachung wehren.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte