Wer durch ein Testament/Erbvertrag enterbt wurde, hat einen Pflichtteilsanspruch, wenn er Abkömmling, Elternteil oder Ehegatte des Erblassers ist. Anderen Personen steht kein Pflichtteilsanspruch zu, beispielsweise haben daher enterbte Geschwister keinen Pflichtteilsanspruch.
Pflichtteilsquote
Die Pflichtteilsquote besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der gesetzliche Erbteil ist abhängig davon, ob der Erblasser verheiratet war und wenn ja, in welchem Güterstand er gelebt hat, und auch von der Anzahl der hinterlassenen Kinder. Je nach Güterstand ist der gesetzliche Erbteil des Ehegatten und der Kinder verschieden hoch, so dass auch die Pflichtteilsquote unterschiedlich ist in Abhängigkeit von dem Güterstand.
Pflichtteilsanspruch
Der Pflichtteilsanspruch ist ein Zahlungsanspruch gegen den/die Erben, wobei die Höhe des Geldanspruchs sich nach der Pflichtteilsquote und der Höhe des sog. Reinnachlasses richtet. Der Reinnachlass ermittelt sich durch die Nachlassaktiva (z.B. Vermögensgegenstände und Forderungen des Erblassers) abzüglich der Nachlasspassiva (Schulden des Erblassers und sog. Erbfallschulden, z.B. Beerdigungskosten, Kosten für das Grab, Trauerfeier u.a.).
Auskunftsanspruch und Wertermittlungsanspruch
Damit der Pflichtteilsberechtigte in die Lage versetzt wird, seinen Zahlungsanspruch berechnen zu können, gewährt ihm das Gesetz einen Auskunftsanspruch und Wertermittlungsanspruch gegen den/die Erben. Auf Verlangen muss der Erbe/die Erben Auskunft erteilen über den Bestand des Nachlasses. Neben einem sog. privatschriftlichen Bestandsverzeichnis über den Nachlass kann der Pflichtteilsberechtigte auch verlangen, dass ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellt wird. Der Pflichtteilsberechtigte kann ebenfalls verlangen, dass er bei der Aufnahme des Verzeichnisses anwesend ist.
Der Auskunftsanspruch umfasst auch lebzeitige Schenkungen und Zuwendungen des Erblassers, die für eine Pflichtteilsergänzung relevant sein können oder für die Ausgleichung und Anrechnung auf den Pflichtteil.
Zusätzlich besteht ein Wertermittlungsanspruch. Auf Verlangen muss der Erbe durch ein Sachverständigengutachten auf Kosten des Nachlasses den Wert von Vermögensgegenständen ermitteln lassen. In der Praxis ist dies insbesondere bei zum Nachlass gehörigen Immobilien bedeutsam.
Nachlassverzeichnis
Besteht Grund zu der Annahme, dass das Nachlassverzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet wurde, kann der Pflichtteilsberechtigte über die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen. Wird ist eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben, ist dies eine Straftat.
Pflichtteilsergänzungsanspruch
Neben dem Pflichtteilsanspruch kann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch bestehen, wenn nämlich der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen an andere Personen vorgenommen hat. Der Pflichtteilsberechtigte erhält aus dem Wert der verschenkten Vermögensgegenstände ebenfalls seine Pflichtteilsquote und einen entsprechenden Geldzahlungsanspruch gegen den Erben.
Grundsätzlich besteht der Pflichtteilsergänzungsanspruch nur in Bezug auf Schenkungen, die während der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall erfolgt sind. Dabei wird bei Erbfällen ab 2010 der Wert der ergänzungspflichtigen Schenkung nur dann in vollem Umfang berücksichtigt, wenn die Schenkung innerhalb eines Jahres vor dem Erbfall erfolgt ist. Für jedes weitere Jahr vor dem Erbfall wird der Wert einer Schenkung um jeweils 10 % gemindert. Sind seit der Schenkung 10 Jahre verstrichen, besteht daher kein Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Eine Ausnahme von dieser 10-jährigen Ausschlussfrist besteht, wenn es sich um eine Schenkung des Erblassers an seinen Ehegatten handelt. Diese führen daher auch dann zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn die Schenkung länger als 10 Jahre vor dem Erbfall erfolgt war.
Es gibt weitere Ausnahmen von der 10-Jahres-Frist. Beispielsweise läuft die Frist nicht an, wenn eine Immobilie zu Lebzeiten übertragen wurde, der Erblasser sich jedoch ein Nießbrauchsrecht vorbehalten hat und daher weiter der wirtschaftlicher Nutznießer der Immobilie bleibt. Hier können daher Pflichtteilsergänzungsansprüche bestehen, auch wenn die Immobilienübertragung bereits länger als 10 Jahre vor dem Erbfall erfolgt ist.
Auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch muss sich der Pflichtteilberechtigte Geschenke, die er selbst zu Lebzeiten von dem Erblasser erhalten hat, anrechnen lassen. Dabei gilt keine besondere Frist, so dass Eigengeschenke immer anzurechnen sind, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Schenkung erfolgt war.
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Eva Gerz
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Fachanwältin für Erbrecht
Zertifizierte Testamentsvollstreckerin (DVEV)
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