Neben der Frage, ob man „Hitzefrei“ im Job beanspruchen kann, stellt sich bei länger andauernden Hitzeperioden hilfsweise die Frage, ob der Krawattenknoten am Bankschalter legerer getragen werden darf oder ob es im Parfümeriebereich des Kaufhauses auch schon mal ein Top mit Spaghettiträger sein darf.
So wollte ein Sicherheitsunternehmen den Fahrer eines Geldtransporters kündigen, der beim Ausfahren Shorts getragen hatte. Das Arbeitsgericht Mannheim ließ die Kündigung allerdings nicht zu, weil der Fahrer nicht als Mitarbeiter des Unternehmens erkennbar sei, so dass ein negativer Eindruck auf Kunden nicht anzunehmen sei (Arbeitsgericht Mannheim vom 16.2.19989 – Aktenzeichen 7 Ca 222/88).
Auch der pauschale Vorwurf einer „urlaubsmäßigen“ Aufmachung reicht nicht für eine Kündigung. Nach einer Abmahnung war dem Mitarbeiter einer Leiharbeitsfirma fristlos gekündigt worden. Auslöser der Abmahnung und späteren Kündigung war, dass sich Vorgesetzte unter anderem über seine Kleidung geärgert hatten. Wer zum Mittel der Kündigung greifen will, muss allerdings nach Ansicht der Richter bereits in der Abmahnung sehr genau aufführen, welche stilistischen Fehlgriffe den Mitarbeiter untragbar erscheinen lassen (Arbeitsgericht Frankfurt am Main vom 25.10.2001 – Aktenzeichen 9 Ca 1687/01).
Also kann man im Job anziehen was man möchte? Bei heissem Wetter mit Hawaihemd zu Adiletten und kurzer Hose ins Büro? Mit Minirock, bauchfrei mit Bikinioberteil (natürlich dunkelblau) in die Bank? Oder kann der Chef bestimmen, dass man auch an heissen Tagen mit Anzug, Krawatte und passendem Schuhwerk zur Arbeit erscheint?
Zunächst mal haben die Juristen das Problem wie immer in typischer Weise systematisiert. Sie unterscheiden Dienstkleidung wie z.B. Uniformen und einen Dresscode, oder wie das Bundesarbeitsgericht dies formuliert, den „Stil des Hauses“.
Verlangt der Arbeitgeber das Tragen von Dienstkleidung (Uniformen), muss er zugleich eine Umkleidemöglichkeit zur Verfügung stellen, denn er kann zwar verlangen, dass „auf der Arbeit“ Uniform getragen werden muss, nicht aber im Privatbereich. Solange der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Umkleidemöglichkeit für das Anlegen der vorgeschriebenen Dienstkleidung zur Verfügung stellt, die es dem Arbeitnehmer ermöglicht, sich vor und nach der Arbeit ohne Dienstkleidung bewegen zu können, kann sich ein Arbeitnehmer zu Recht weigern, die Dienstkleidung am Arbeitsplatz zu tragen, so das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 11.05.2004 – 14 Sa 126/03).
Geht es nur um den Dresscode, also den „Stil des Hauses“, gilt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (im berühmten Kopftuchurteil vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01) folgendes:
“ b) Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber von seiner Arbeitnehmerin mit Kundenkontakt allerdings erwarten, sich dem Charakter des Handelsgeschäfts und dessen Kundenstamm entsprechend branchenüblich zu kleiden. Eine solche Pflicht kann, wenn eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG fehlt – vorbehaltlich von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats (vgl. zuletzt BAG 11. Juni 2002 – 1 ABR 46/01 – AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 38, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) – durch eine Weisung des Arbeitgebers begründet werden oder sich aus einer vertraglichen Rücksichtnahmepflicht ( § 242 BGB ; jetzt ausdrücklich § 241 Abs. 2 BGB nF) ergeben (ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 2 GG Rn. 88; BAG 10. Dezember 1992 – 2 ABR 32/92 – AP ArbGG 1979 § 87 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 103 Nr. 33). Ausnahmsweise können danach der durch das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin garantierten freien Gestaltung ihres Äußeren und ihrer Kleidung Grenzen gesetzt werden, um dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers nach einem einheitlichen Erscheinungsbild und den Erwartungen der Kundschaft Rechnung zu tragen (ErfK/Preis aaO § 611 BGB Rn. 805; ErfK/Dieterich aaO Art. 2 GG Rn. 88; LAG Hamm 22.Oktober 1991 – 13 TaBV 36/91 – LAGE § 611 BGB Direktionsrecht Nr.11). Insbesondere kann der Arbeitgeber den „Stil des Hauses“ vorgeben und grundsätzlich durch Einzelanweisungen die Arbeitsverhältnisse seiner Mitarbeiter ausgestalten.“
Allerdings gilt das nicht unbegrenzt. Ein Arbeitgeber kann z.B. umgekehrt auch nicht verlangen, dass Mitarbeiter bei Sommerhitze in Badebekleidung ihren Job erledigen.
Das Bundesarbeitsgericht drückt das im Kopftuchurteil so aus:
„c) Das Weisungsrecht, das seine Grenzen in den gesetzlichen Regelungen, im Kollektiv- und im Einzelvertragsrecht findet, darf jedoch nach § 315 Abs. 1 BGB nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden ( BAG 27. März 1980 – 2 AZR 506/78 -BAGE 33, 71; 20. Dezember 1984 – 2 AZR 436/83 – BAGE 47, 363; 24. Mai 1989 – 2 AZR 285/88 – aaO). Die in § 315 Abs. 1 BGB geforderte Billigkeit wird inhaltlich durch die Grundrechte, hier vor allem durch die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG und die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung des Art. 4 Abs. 2 GG , mitbestimmt (siehe insbesondere BAG 24. Mai 1989 – 2 AZR 285/88 – aaO). Kollidiert das Recht des Arbeitgebers, im Rahmen seiner gleichfalls grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit ( Art. 12 Abs. 1 GG ), die auch für die Beklagte als juristische Person nach Art. 19 Abs. 3 GG gewährleistet ist (ErfK/Dieterich aaO Art. 12 GG Rn. 13; BVerfG 17. Februar 1998 – 1 BvF 1/91 – BVerfG 97, 228), den Inhalt der Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers näher zu konkretisieren, mit grundrechtlich geschützten Positionen des Arbeitnehmers, so ist das Spannungsverhältnis im Rahmen der Konkretisierung und Anwendung der Generalklausel des § 315 BGB einem grundrechtskonformen Ausgleich der Rechtspositionen zuzuführen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, daß die geschützten Rechtspositionen für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (praktische Konkordanz: BVerfG 18. Oktober 1993 – 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214 ; Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland 20. Aufl. Rn. 317 ff.): Bei dieser Abwägung ist die Intensität der umstrittenen Freiheitsbeschränkung genauso zu berücksichtigen wie die von den Vertragspartnern durch den Abschluß des Vertrags selbst eingeräumte Begrenzung ihrer grundrechtlichen Freiheiten, der Rang und das Gewicht des mit dem Eingriff verfolgten Ziels sowie die spezifische Bedeutung und der spezielle Gehalt des betroffenen Grundrechts bzw. der kollidierenden Grundrechtspositionen in bezug auf den umstrittenen Regelungskonflikt (ErfK/Dieterich 1. Aufl. Vorbem. GG Rn. 84).
Gleiches gilt auch bei der Ausformung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht im Rahmen des § 242 BGB (vgl. beispielsweise BK-Zippelius Stand September 2002 Art. 4 Rn. 82).“
Und was heisst das jetzt für die Hitzewelle? Es bedeutet, dass der Arbeitgeber – ggf. gemeinsam mit dem Betriebsrat – einen Dresscode vorschreiben kann. Er kann das schon im Arbeitsvertrag durch entsprechende Regelungen machen oder durch sein Weisungsrecht. Er muss dabei allerdings Grenzen beachten. Dazu gehört das Persönlichkeitsrecht, die Religionsfreiheit und die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Erlaubt ist nur, was unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen Sinn macht. Hohe Arbeitsplatztemperaturen muss der Arbeitgeber auch berücksichtigen, wenn sein „Stil des Hauses“ dem Zweck des Arbeitsschutzes zuwiderläuft.
Solange es Kunden und andere Mitarbeiter nicht stört (und zwar objektiv, nicht nach dem subjektiven Empfinden des Arbeitgebers), darf daher nach persönlichem Geschmack angezogen werden.
Das gilt aber nicht für alle gleich: Das Bundesarbeitsgericht stellt insbesondere für Mitarbeiter mit Kundenkontakt engere Grenzen auf. Diese müssen sich mehr an Dresscode gefallen lassen als Mitarbeiter im Innendienst. Aber der Arbeitgeber muss auch zu Gunsten der Mitarbeiter berücksichtigen, dass es Sommer ist und dementsprechend heiss. Das Tragen von Pelzmode im Kürschnergeschäft kann daher jedenfalls im Sommer gegenüber dem Verkaufspersonal nicht vorgeschrieben werden. Andererseits darf der Mitarbeiter in Backoffice eher Flip-Flops tragen als der Aussendienstler oder die Verkäuferin im Juweliergeschäft.
Das Bundesarbeitsgericht hat übrigens das Kopftuchtragen im Parfümeriebereich eines Kaufhauses gegen den Willen des Arbeitgebers erlaubt. Der Unternehmerfreiheit stehe die Glaubensfreiheit der Klägerin gegenüber; der Arbeitgeber hatte keine konkreten nachteiligen Folgen durch das Kopftuchtragen vortragen können.
Mehr Informationen in unserem Rechtslexikon unter dem Stichwort „Dresscode“
Michael Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl und Köln