Hitzefrei: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 29. Mai 2012, 20:50 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Hitzefrei für Arbeitnehmer
Wenn Sie sachliche Informationen zum Thema "Arbeitsplatztemperatur", Arbeitsschutz und Arbeitnehmerrechte" zum Thema "Hitzefrei für Arbeitnehmer" suchen, dann sind Sie hier richtig.
Häufig wird geschrieben, einen Anspruch auf "Hitzfrei" im Job gäbe es anders als an Schulen nicht, was sogar stimmt. Es stimmt aber nur insofern, weil bei "Hitzefrei" an Schulen die Außentemperatur der Maßstab ist und alle frei bekommen. Im Arbeitsschutzrecht ist aber nicht die Außentemperatur maßgeblich, sondern die jeweilige Arbeitsplatztemperatur entscheidet, ob man weiterarbeiten muss oder nicht. Hitzefrei für alle Arbeitnehmer bei bspw. 30 Grad im Sommer gibt es also schon deswegen nicht, weil ja mancher im klimatisierten Büro arbeitet.
Aus der Aussage; ein "Hitzefrei" gäbe es im Arbeitsrecht nicht, wird dann aber irrigerweise gerne der Schluss gezogen, ein Arbeitnehmer müsse bei jeder Temperatur im Büro weiterarbeiten. Das liest man sogar auf Seiten der Arbeitsschützer. Dort steht dann sinngemäß, der Arbeitgeber "könne" Maßnahmen zur Linderung der Hitze ergreifen (z.B. auf den Seiten des Hamburger Arbeitsschutzes). Das ist, um das hier mal ganz deutlich zu sagen, juristischer Blödsinn und eine gefährliche Verharmlosung der gesundheitlichen Gefahren von Hitze am Arbeitsplatz. Es würde nämlich - weiter so konsequent vorbei gedacht - bedeuten, dass man auch bei 80 Grad am Arbeitsplatz weiterarbeiten müsste. Natürlich darf jeder die Arbeit verweigern, wenn ihm schlecht wird vor Hitze. Niemand ist gezwungen, für den Arbeitgeber seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Das sieht auch die Rechtsprechung so.
Falsch ist auch, wenn geschrieben wird, bei der - inzwischen allerdings überholten - Hitzerichtlinie ASR 6,1 handele es sich um eine "unverbindliche" Sollvorschrift. Sollvorschriften sind, wie der Name schon sagt, niemals unverbindlich, die Richtlinie ASR 6.1 erst recht nicht, da sie die Ausnahmen genau definiert. "Du sollst nicht töten" ist schließlich auch kein unverbindliches Gebot.
Unzutreffend ist auch, die Richtlinie betreffe nur die Hitze, die von Geräten erzeugt wird. Der durch die Richtlinie geschützten Gesundheit des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber nach § 618 BGB zu schützen hat, ist es egal, wodurch die Hitze erzeugt wird, ob durch Sommer, Computer, Dönerspieß oder Hochofen. Das bestätigen inzwischen mehrere rechtskräftige Urteile (s. dazu unten).
Die Rechtslage ist inzwischen durch die am 23.6.2010 in Kraft getretene ASR A3.5 etwas verständlicher geregelt. Dort ist ohne wenn und aber festgelegt, dass Arbeitsräume mit Temperaturen ab 35 Grad nicht mehr als Arbeitsraum genutzt werden dürfen. Ab 26 Grad am Arbeitsplatz "soll" der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, ab 30 Grad am Arbeitsplatz muss er. Maßnahmen können sein: Lockerung des Dresscodes, Klimageräte, Trinkwasserspender etc.
Hitzefrei - Arbeitsstättenregel ASR 3.5
Volltext der ASR 3.5 [1]
Hitze am Arbeitsplatz - Aufgabe des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat darüber zu wachen (Pflichtaufgabe nach § 80 BetrVG), daß die arbeitnehmerschützenden Rechtsvorschriften eingehalten werden, wozu auch § 618 BGB, Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitschutzrichtlinien bzw. Arbeitsstättenregeln gehören.
§ 80 Allgemeine Aufgaben
(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden; 2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
9. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.
Nach § 87 BetrVG hat der Betriebsrat beim Gesundheitsschutz mitzubestimmen und sogar ein Initiativrecht, d.h. er kann von sich aus Regelungen einfordern und ggf. durch eine Einigungsstelle durchsetzen.
§ 87 BetrVG Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
(...) 7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
(...)
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Interviews zum Thema Hitzefrei
(1) Süddeutsche Zeitung vom 18.07.2003: Gibt es Hitzefrei für Arbeitnehmer? Wird's im Büro zu warm, kann der Betriebsrat einschreiten. Rechtsanwalt Felser im Interview [[2]]
(2) Bild.de vom 29.06.2011: Die Hitze-Ampel fürs Büro Bei diesen Temperaturen müssen Sie nicht arbeiten. Von Guido Rosemann mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Michael W. Felser [[3]]
(3) SWR 3 vom 21.7.2006: Hitze am Arbeitsplatz. Rechtsanwalt Felser im Interview mit SWR 3 [[4]]
(4) Bild.de: Hitze-Regeln für den Job Kommt die Deo-Pflicht am Arbeitsplatz? Mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Felser [[5]]
sowie zahlreiche weitere Interviews im WDR und vielen Zeitschriften.
Weblinks zum Thema Hitzefrei
(1) Hitzefrei-fuer-Arbeitnehmer.de [6] (bald wieder online)
(2) Blogbeiträge von Rechtsanwalt Felser zum Thema "Hitzefrei am Arbeitsplatz" [7]
(3) Infoblatt von "Gute Arbeit" [[8]]
Autor
Michael W. Felser ist einer der auf das Thema "Arbeitsrecht" spezialisierten Rechtsanwälte in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [9] und Betreiber des Portals "Juracity - Recht für Alle!". Betriebsräte berät er als Sachverständiger bei Betriebsvereinbarungen zum Thema Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung oder Gefährdungsbeurteilung, also auch zu "Hitze am Arbeitsplatz". Referenzen auf Anfrage.