Statusfeststellungsverfahren
Inhaltsverzeichnis
- 1 Freiwilliges Statusfeststellungsverfahren (jetzt: Anfrageverfahren)
- 2 Wenn Sie die Statusfeststellung im Wege des Anfrageverfahrens beantragen wollen
- 3 Statusfeststellung / Anfrageverfahren bei der Clearingsstelle der Deutschen RentenversicherungDRV
- 4 Ablauf des Statusfeststellungsverfahren
- 5 Im Statusfeststellungsverfahren vor Antragsstellung Anwalt einschalten!
- 6 Steuerberater statt Anwalt bei Statusfeststellung?
- 7 Checkliste mit Berufsbildern und Kriterien
- 8 Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV für Geschäftsführer und Familienangehörige
- 9 Interviews von Rechtsanwalt Felser zu Scheinselbständigkeit und Statusfeststellungsverfahren
- 10 Weblinks
- 11 Autor
Freiwilliges Statusfeststellungsverfahren (jetzt: Anfrageverfahren)
Seit 1999 gibt es für die Klärung der Frage, ob eine Beschäftigung selbständig und damit nicht sozialversicherungspflichtig oder nichtselbständig als abhängig Beschäftigte und damit sozialversicherungspflichtig ist, ein Verfahren bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Das Statusfeststellungsverfahren (Anfrageverfahren) nach § 7a Abs.1 Satz 2 SGB IV [1] richtet sich an Selbständige oder Arbeitnehmer. Auftraggeber wie Auftragnehmer können dieses Verfahren einleiten, oder beide gemeinsam. Belohnt wird die Einleitung mit der Sozialversicherungsfreiheit während der Dauer der Klärung durch das Statusfeststellungsverfahren.
„Wenn Zweifel hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung einer Erwerbstätigkeit als selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung bestehen, verschafft das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Absatz 1 Satz 1 SGB VI hierüber Rechtssicherheit für die Beteiligten“, so die Deutsche Rentenversicherung.
Das Gegenteil ist leider der Fall. Die DRV stellt nämlich meistens eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fest. Auch der landläufig gebrauchte Begriff "BfA-Befreiung" ist daher irreführend. Selbst ein Bescheid, der eine sozialversicherungsfreie Selbständigkeit attestiert, ist kein "Persilschein" für die ausgeübte Tätigkeit:
Die Statusfeststellung gilt nämlich nur für den festgestellten Sachverhalt. Also das, was der Deutschen Rentenversicherung im Fragebogen mitgeteilt wird. Häufig sind die Tätigkeitsbedingungen bei verschiedenen Auftraggebern unterschiedlich, so daß sich der Bescheid nur auf den Auftrag bzw. Auftraggeber beziehen kann, der im Verfahren "beteiligt" war. Stellt sich zudem später heraus, dass Sie etwas übersehen, falsch, unvollständig oder nicht ganz richtig mitgeteilt haben, ist der Bescheid das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist. Und wenn sich zwischenzeitlich etwas geändert hat, entscheidendes wie vielleicht der Betriebsprüfer meint, hilft das Statusverfahren auch nicht immer weiter.
Belohnt wird ein Antrag aber damit, dass eine eventuelle Sozialversicherungspflichtigkeit erst nach Abschluß des Anfrageverfahrens eintritt, wenn
(1) das Statusfeststellungsverfahren innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung gestellt wurde und (2) der Beschäftigte zustimmt und für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die „Amnestieregelung“ gilt allerdings nur für die Sozialversicherungspflichtigkeit („Scheinselbständigkeit“) im Sinne des § 7 SGB IV [2] Werden andere versicherungsrelevante Sachverhalte durch das Statusverfahren festgestellt, wie z.B. das Vorliegen der arbeitnehmerähnlichen Selbständigkeit im Sinne des § 2 Nr. 9 SBG VI [3], muss nicht nur zukünftig in die Rentenversicherung gezahlt werden, sondern auch rückwirkend – bis zu fünf Jahren. Häufig wird die DRV erst durch das Statusfeststellungsverfahren darauf aufmerksam, dass arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit vorliegt. Die dabei eintretende Rentenversicherungspflicht trifft aber nicht den Auftraggeber, sondern den Auftragnehmer, also den „Ein-Personen-Unternehmer“. Es sollte daher vor dem Antrag durch einen erfahrenen Experten eine Einschätzung zum Status erfolgen, sonst kann am Ende des Anfrageverfahrens eine unangenehme Überraschung geben. Denn eine arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit ist im Unterschied zur Scheinselbständigkeit leicht und sicher festzustellen.
Keine Chance auf eine Amnestie haben Sie auch dann, wenn bereits eine Betriebsprüfung angekündigt ist oder die Einzugsstelle bereits ein Statusverfahren durchgeführt oder eingeleitet hat.
Das Statusfeststellungsverfahren wurde allerdings gerne missbraucht, um für Aufträge von kurzer Dauer, die völlig weisungsabhängig durchgeführt werden, Sozialversicherungsfreiheit zu erlangen. Denn selbst wenn nach Durchführung des Verfahrens die Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit festgestellt wird, blieb die Beschäftigung beitragsfrei, denn während der Dauer des Verfahrens werden keine Beiträge fällig und auch nicht erhoben. Deswegen wurde die Amnestieregelung auch eingeschränkt.
Wenn Sie die Statusfeststellung im Wege des Anfrageverfahrens beantragen wollen
Die Statusfeststellung können Sie durch das Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen. Sie sollten sich vorher gründlich beraten lassen und den Status vorab prüfen lassen.
Der Antrag muss von Gesetzes wegen schriftlich gestellt werden. Die DRV hat hierfür den Antragsvordruck V027 „Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status“ entwickelt und stellt Erläuterungen zum Antrag (Vordruck V028) zur Verfügung. Ausserdem muss das Formular C00031 ausgefüllt werden.
Statusfeststellung / Anfrageverfahren bei der Clearingsstelle der Deutschen RentenversicherungDRV
Zuständig für die Durchführung des Anfrageverfahrens ist die Deutsche Rentenversicherung Bund als hierfür bundesweit eingerichtete Clearingstelle in 10704 Berlin.
Postanschrift: Deutsche Rentenversicherung Bund 10704 Berlin
Hausanschrift: Deutsche Rentenversicherung Bund Ruhrstraße 2 10709 Berlin
Telefon: 030-86 51 Fax: 030-86 52 72 40 E-Mail: drv@drv-bund.de
Nutzen Sie das bundesweit kostenlose Service-Telefon:
Sie erreichen die DRV unter 0800 10 00 480 70 Montag bis Donnerstag: 7.30 bis 19.30 Uhr Freitag: 7.30 bis 15.30 Uhr
Ablauf des Statusfeststellungsverfahren
Die Durchführung der Statusprüfung erfolgt nach den Regeln, die die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung beraten haben und die als Ergebnis in einem Rundschreiben der Sozialversicherungsträger zusammengefasst sind (Rundschreiben zum Statusfeststellungsverfahren von GKV-SPITZENVERBAND, BERLIN, DEUTSCHE RENTENVERSICHERUNG BUND, BERLIN, BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT, NÜRNBERG vom 13. April 2010).
Auftraggeber und Auftragnehmer werden vor der endgültigen Entscheidung darüber informiert, zu welchem Ergebnis die Deutsche Rentenversicherung gelangt ist. Den Beteiligten wird dann noch einmal Gelegenheit gegeben, sich zu äussern. Erst danach ergeht der Bescheid der DRV.
Das Statusfeststellungsverfahren endet mit einer verbindlichen Entscheidung (Verwaltungsakt) in Form eines Bescheides über den Status abgeschlossen und sowohl dem Auftraggeber als auch dem Auftragnehmer zugesandt.
Gegen den Bescheid kann nur binnen eines Monats Widerspruch [[4]] eingelegt werden.
Im Statusfeststellungsverfahren vor Antragsstellung Anwalt einschalten!
Leieder werden Statusfeststellungsverfahren auf Wunsch des Auftraggebers oder Rat des Steuerberaters ohne spezialisierte anwaltliche Beratung eingeleitet. Nicht selten geschieht dies, um sich die angeblich "teure" anwaltliche Beratung zu sparen. Das rächt sich häufig: Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, wird die Hilfe durch den Anwalt deutlich teurer. Aber das ist nicht alles: Nicht selten drohen saftige Nachzahlungen für mehrere Jahre.
Steuerberater statt Anwalt bei Statusfeststellung?
Schon die Frage, ob ein Statusfeststellungsverfahren Sinn macht, ist komplex und nur individuell zu beantworten. Häufig müssen auch bestimmte Punkte neu geregelt werden, um die Chancen einer positiven Ergebnisses zu verbessern. Steuerberater sollten daher in jedem Fall einen spezialisierten Anwalt hinzuziehen, ggf. als Zeitmeinung.
Steuerberater sollten Mandanten in Verfahren um die Statusfeststellung auch nicht gegen die DRV vertreten, weil das Risiko einer unzulässigen Vertretung besteht:
Das Sozialgericht Aachen hält sogar eine Vertretung durch den Steuerberater für unzulässig. [5], anders als das Sozialgericht Kassel [6]. Das Landessozialgericht NRW hat ebenfalls die Vertretung durch Steuerberater als unzulässig angesehen [7].
Auch das LSG Niedersachsen geht von einer unzulässigen Vertretung durch Steuerberater aus, wenn nicht die ausdrücklich im Gesetz genannten Ausnahmen vorliegen:
"In Übereinstimmung mit dem SG spricht auch aus Sicht des Senats die gesetzgeberische Intention des § 73 Abs. 1 Nr. 4 SGG, wonach in Angelegenheiten nach den §§ 28h, 28p SGB IV u.a. Steuerberater vor dem Sozial- und Landessozialgericht vertretungsberechtigt sind, gegen eine Befugnis von Steuerberatern zur Vertretung in Verwaltungsverfahren nach dem SGB IX. Schließlich hat der Gesetzgeber für das gerichtliche Verfahren mit dieser Vorschrift ausdrücklich klargestellt, dass eine Vertretung durch Steuerberater nur in engen Grenzen (nämlich in Angelegenheiten nach den §§ 28h und 28p SGB IV), nicht jedoch im Sozialrecht insgesamt zulässig ist. Unterstellt man, dass - wie der Kläger meint - Steuerberater in Verwaltungsverfahren nach dem SGB IX vertretungsberechtigt sein sollen, wäre es sinnwidrig, diesen Personenkreis im Gerichtsverfahren diesbezüglich wieder auszuschließen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil aus der Zulassung von Steuerberatern in Angelegenheiten nach den §§ 28h, 28p SGB IV gefolgert werden muss, dass der Gesetzgeber keine generellen Vorbehalte gegen das Auftreten von Steuerberatern im sozialgerichtlichen Verfahren hat (im Ergebnis ebenso: SG Aachen, Urteil vom 27. November 2009 - S 6 R 217/08, zitiert nach Juris)."
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 11 SB 74/10 - Urteil vom 25.09.2012
Das Bundessozialgericht hat bestätigt, dass Steuerberater im Sozialgerichtsverfahren einen Bescheid der DRV zur Statusfeststellung nicht wirksam angreifen können, mit fatalen Folgen für den Betroffenen, weil der Bescheid alleine durch eine unwirksame Vollmacht rechtskräftig wurde. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung auch noch einmal auf die komplexe Rechstmaterie hingewiesen, die qualifizierter anwaltlicher Beurteilung bedarf:
"Die (auch) "rechtliche" Komplexität des Statusfeststellungsverfahrens zeigt sich im Übrigen bereits an den Fragen des (in den Verwaltungsvorgängen befindlichen) von der Beklagten ausgegebenen Formantragsformulars. Dort werden in nicht unerheblichem Umfang Gegebenheiten abgefragt, die über die bloße Ermittlung tatsächlicher Umstände hinausgehen und rechtlich wertende Überlegungen bei der Beantwortung der Fragen erfordern. So werden von den Beteiligten zB auch Informationen darüber erbeten, ob neben der Tätigkeit, für die die konkrete Feststellung des versicherungsrechtlichen Status begehrt wird, weitere "abhängige" oder "selbstständige" Tätigkeiten ausgeübt werden. Derartiges kann - wie allgemein im Verfahren nach § 7a SGB IV - letztlich nicht ohne rechtliche Kenntnisse über die typischen, in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung wiederholt behandelten Problemfelder beantwortet werden, etwa die Beurteilung von Erwerbstätigkeiten bei juristischen Personen, in Familienunternehmen und Familiengesellschaften sowie solchen im Zusammenhang mit freier Mitarbeit oder in modernen Erwerbsformen."
(BSG, Urteil vom 05. März 2014 – B 12 R 4/12 R –, juris)
Auch die Erfahrung des Autors zeigt, dass schon die Rechtsfiguren des arbeitnehmerähnlichen Selbständigen und des Scheinselbständigen von Steuerberatern nicht sauber auseinandergehalten werden, was zu gravierenden Fehleinschätzungen führt. Steuerberatern fehlen schlicht die notwendigen Rechtskenntnisse für eine Beratung und Vertretung in der komplexen Materie des Anfrageverfahren/Statusfestellungsverfahren, wie das Bundessozialgericht zu Recht herausgearbeitet hat:
"Dass die für die Haupttätigkeit erforderlichen Rechtskenntnisse hinter den für die Erbringung der (vermeintlichen) Nebenleistung erforderlichen Kenntnissen zurückbleiben, folgt für Steuerberater in Bezug auf das Verhältnis Lohnbuchführung - Anfrageverfahren vor allem daraus, dass das Sozialversicherungsrecht nicht einmal zu denjenigen Prüfungsgebieten gehört, welche im Rahmen einer den Zugang zum Beruf eröffnenden, erfolgreich zu absolvierenden Steuerberaterprüfung bedeutsam sind. Nach § 37 Abs 3 S 1 Nr 1 bis 8 StBerG gehören dazu neben dem steuerlichen Verfahrensrecht sowie Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht (Nr 1) im Einzelnen genannte Materien des Steuerrechts (Nr 2 bis 4). In Bezug auf das außersteuerliche Recht werden dagegen in Nr 5 nur das "Handelsrecht sowie Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, des Gesellschaftsrechts, des Insolvenzrechts und des Rechts der Europäischen Union" sowie in Nr 8 das "Berufsrecht" angesprochen. Demgegenüber fehlt eine Regelung über das Sozialversicherungsrecht. Dieses kann auch weder den in Nr 5 aufgeführten Materien zugeordnet werden noch ist offenkundig eine Subsumtion unter die übrigen in Nr 6 ("Betriebswirtschaft und Rechnungswesen") und Nr 7 ("Volkswirtschaft") angesprochenen wirtschaftswissenschaftlichen Fachdisziplinen möglich.
Schon aus diesen Regelungen ist zu entnehmen, dass die bei Steuerberatern unterstellten und zu erwartenden Rechtskenntnisse hinter denen eines umfassend ausgebildeten und in rechtlichen Angelegenheiten allgemein vertretungsbefugten Rechtsanwalts zurückbleiben. Auch wenn Rechtsanwälte nicht zwingend über spezifisch sozialversicherungsrechtliche Kenntnisse verfügen - insbesondere keine entsprechend ausgewiesenen Fachanwälte sein - müssen, so beruht ihre umfassende Vertretungsbefugnis darauf, dass - aufgrund erworbener und unter Beweis gestellter Kenntnisse und Fähigkeiten in der spezifischen juristischen Methodik und Arbeitsweise - von einer umfassenden Eignung in juristischen Belangen ausgegangen wird. Vergleichbares fehlt bei Steuerberatern."
(BSG, Urteil vom 05. März 2014 – B 12 R 4/12 R –, juris)
So kommt das Bundessozialgericht im Ergebnis zu Recht dazu, dass Steuerberater zur Beratung und Vertretung nicht geeignet sind:
"Unter diesem Blickwinkel muss eine Beratung und Vertretung in Fragen des sozialversicherungsrechtlichen Status in Verfahren gemäß § 7a SGB IV durch Steuerberater ausscheiden. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass Steuerberater für Arbeitgeber oftmals die Lohnbuchführung - dh die Erfassung, Abrechnung und Buchung der Arbeitsentgelte sowie der gesetzlichen Abzüge hiervon - vornehmen und vornehmen dürfen (ebenso Gehre/Koslowski, aaO, § 33 RdNr 13; vgl - zum Vorgängerrecht des RBerG - OLG Düsseldorf Urteil vom 9.7.2002 - 23 U 222/01 - Juris; aA Hässel/Hengsberger, BB 2009, 135, 138 f)."
(BSG, Urteil vom 05. März 2014 – B 12 R 4/12 R –, juris)
Das liegt auch im Interesse des Steuerberaters, der andernfalls ein hohes Haftungsrisiko eingeht:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Steuerberater zur Vermeidung einer Haftung verpflichtet, den Mandanten an einen Rechtsanwalt zu verweisen.
“Es spricht viel dafür, daß der Steuerberater, der bei der Prüfung einer Beitragspflicht oder bei der Berechnung der Höhe der abzuführenden Beiträge auf Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stößt oder dem sich die Rechtslage als unklar darstellt, den sich stellenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht selbst nachgehen darf, sondern seinem Mandanten anheimgeben muß, einen mit den notwendigen Erfahrungen ausgestatteten Rechtsanwalt aufzusuchen.”
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.02.2004 – IX ZR 246/02).
Checkliste mit Berufsbildern und Kriterien
Im Internet kursieren diverse Checklisten mit Kriterien und Berufsbildern. Es ist davor zu warnen, diese unkritisch zu übernehmen, da die Bewertung nach der Rechtsprechung immer eine Gesamtwürdigung zahlreicher Einzelfaktoren in einem Einzelfall ist und damit für Laien kaum berechenbar. Auch "Grundsatzurteile" zu Fotomodellen oder Promotoren und anderen Berufsgruppen gibt es nicht, auch wenn die DRV das selbst in Bescheiden behauptet. Das Bundessozialgericht sagt deutlich, dass es im Ergebnis auf den Einzelfall ankommt:
"Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff)."
(BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R –, juris)
Die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status kann daher auch im Rahmen der Statusfeststellung nur nach sorgfältiger Analyse im Einzelfall vorgenommen werden. Checklisten können allenfalls ein Anhaltspunkt sein, Berufsgruppenkataloge sind schon wesentlich näher am Einzelfall, aber wie die zahlreichen abweichenden Urteile von Sozialgerichten zu Berufsgruppen zeigen, ist am Ende immer der Einzelfall und die Gewichtung verschiedener Kriterien maßgeblich.
Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV für Geschäftsführer und Familienangehörige
Das Statusfeststellungsverfahren bei der Einstellung von Geschäftsführern und Familienangehörigen ist anders als das Anfrageverfahren bei Selbständigen / Arbeitnehmern zwingend durchzuführen.
Nach § 7a Absatz 1 Satz 2 SGB (idF. ab 1.1.2005) ist über das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, in denen der Arbeitgeber Anmeldungen nach § 28a SGB IV für Ehegatten und Lebenspartner oder geschäftsführende Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Beschäftigungsbeginn nach dem 31.12.2004 erstellt, von Amts wegen über den Status zu entscheiden.
Seit dem 01.01.2008 ist jetzt auch bei Beschäftigungen von Abkömmlingen (Kinder, Enkel) von Amts wegen ein Statusfeststellungverfahren durchzuführen.
Der Arbeitgeber muss die Anmeldungen mit dem Statuskennzeichen „1“ für eine Beziehung des gemeldeten Beschäftigten zum Arbeitgeber als Ehegatte / Lebenspartner und Abkömmling oder mit dem Statuskennzeichen „2“ für eine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH versehen. Mit dieser Anmeldung wird automatisch das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Absatz 1 Satz 2 SGB IV eingeleitet. Von der Einzugstelle oder der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund die jeweiligen Feststellungsbögen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung an den Arbeitgeber versandt.
Die versicherungsrechtliche Beurteilung orientiert sich an den Grundsätzen, die die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zu den betroffenen Personenkreisen entwickelt haben. Zu den
• geschäftsführenden Gesellschaftern einer GmbH vgl. Anlage 3 zum Gemeinsamen Rundschreiben zum Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit (aktuell vom 26.03.2003);
• mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartnern vgl. Gemeinsames Rundschreiben zur versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beschäftigung von Angehörigen (aktuell vom 11.11.2004).
Auch hier gilt, dass die Beratung durch versierte und erfahrene Fachleute viel Geld sparen kann.
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben in den Gemeinsamen Grundsätzen zur leistungsrechtlichen Bindung der Bundesagentur für Arbeit vom 11.11 2004 die entscheidenden Gesichtspunkt zu diesem Statusfeststellungsverfahren zusammengefasst.
Die Feststellung führt zur leistungsrechtlichen Bindung der Bundesagentur für Arbeit. Wenn also eine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung besteht, kann umgekehrt auch im Falle einer Arbeitslosigkeit – anders als früher – Arbeitslosengeld beansprucht werden.
• Rundschreiben der Spitzenorganisationen vom 5.7.2005 (aktualisiert am 13.4.2010) inklusive der Anlagen 1-6
• Anlage 5: Vordruck V027 (Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status) , Vordruck V028 (Erläuterungen zum Antrag)
• Gemeinsame Grundsätze der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 11.11.2004
• Anlage 1: Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen (Ehegatten/ Lebenspartner) im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß § 7a Absatz 1 Satz 2 SGB IV
• Anlage 2: Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß § 7a Absatz 1 Satz 2 SGB IV
Interviews von Rechtsanwalt Felser zu Scheinselbständigkeit und Statusfeststellungsverfahren
(1) Computerwoche vom 04.08.2014: Verunsicherung im Markt I Scheinselbständig: IT-Freiberufler im Visier der Rentenversicherung? von Andrea König (Autor) mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser [10]
(2) Verbraucherportal Biallo vom 05.12.2011: Selbstständig im Nebenberuf - Tipps und Fallstricke. Ein Beitrag von Rolf Winkel mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser [11]
(3) Lohn und GehaltsPROFI aktuell 2/2011: Sonderausgabe Scheinselbständigkeit [12]. Beiträge von Chefredakteur Lutz Schumann und Rechtsanwalt Michael W. Felser.
(4) Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AHGZ) 2008/40 (Seite 15): Selbständig oder nur zum Schein. Urteil zur Selbstständigkeit verunsichert das Gastgewerbe. Aber Vorsicht: „Die Feststellung ist keineswegs rechtskräftig“, warnt Michael W. Felser, Rechtsanwalt aus Brühl. Ein Beitrag von Norbert Sass mit Interview von Rechtsanwalt Felser. [13]
(5) „BKK Zollern-Alb Business“ Heft 2 2002 (Seite 6/7): Scheinselbständigkeit - programmierter Ruin. Ein Beitrag von Jürgen Ponath mit Interview Rechtsanwalt Felser.[14]
(6) Financial Times Deutschland vom 27.6.2000: "Rentenkasse versperrt Selbstständigen die Flucht. Für Selbstständige in Deutschland wird es schwerer, sich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu entziehen." Ein Beitrag von Margarethe Heckel mit Zitaten aus einem Interview mit Rechtsanwalt Felser [15]
Weblinks
Das große Portal zum Thema "Scheinselbständigkeit" (seit 1998, zur Zeit in Überarbeitung) [[16]]
Deutsche Rentenversicherung Bund (Berlin) mit Informationen zum Thema Statusfeststellungsverfahren und den Formularen [17]
Autor
Michael W. Felser ist der auf das Thema "Statusfeststellungsverfahren" spezialisierte Rechtsanwalt in der Kanzlei Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte Köln/Brühl [18] und Betreiber des Portals "Scheinselbstaendigkeit.de" [19]. Er hat zahlreiche Selbständige und Unternehmen sachkundig und engagiert durch das Statusfeststellungsverfahren begleitet, bundesweit Verfahren vor Sozialgerichten geführt und einige "Kinder wieder aus dem Brunnen geholt". Unterstützt auch Rechtsanwälte und Steuerberater als Zweitmeinung oder Coach bei Statusfeststellungsverfahren oder Verfahren gegen die DRV oder Finanzverwaltung. Referenzen auf Anfrage.