Die Regulierungspraxis vieler Versicherer treibt in Kündigungschutzsachen immer seltsamere Blüten. Dass viele Versicherer meinen, für die außergerichtliche Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung nur dann Kosten übernehmen zu müssen, wenn das Vorgehen Erfolg hat, ist ja schon ein alter Hut. Die ROLAND scheint aber der Auffassung zu sein, jede Deckungsverweigerung in diesem Bereich mit dem Totschlagargument „Kostenminimierungspflicht“ begründen zu dürfen.
Der Mandant erscheint eine Woche nach Erhalt der Kündigung. Die Kündigung bietet Anlaß zur Zurückweisung. Das geschieht durch außergerichtliches Anwaltsschreiben.
Diese hat nach § 174 BGB bekanntlich „unverzüglich“ zu erfolgen. Das BAG hat hierzu Entscheidungen gefällt, wonach die Zurückweisung nach einer Woche rechtzeitig, nach drei Wochen verspätet ist.
Natürlich kann man in der Situation darüber nachdenken, die Zurückweisung nach § 174 BGB in die Kündigungschutzklage aufzunehmen. Das LAG Nürnberg (10.08.1992 LAGE § 174 BGB Nr. 15) erachtet die Zurückweisung aber nur als unverzüglich, wenn die Klage acht Tage nach Erhalt der Kündigung zugestellt wird. Das LAG Köln (20.02.1997 LAGE § 174 BGB Nr. 10) hat Verspätung angenommen, wenn die Klage mit der Zurückweisung erst nach drei Wochen zugestellt wird.
Vor diesem Hintergrund besteht kein nachvollziehbarer Zweifel daran, daß dem Mandanten nur mit der außergerichtlichen Zurückweisung gedient war. Diese stellte die dann später erhobene Klage ja auch auf ein weiteres „Standbein“, was sich im übrigen auch im Vergleichsergebnis niedergeschlagen hat, weil man sich dort auf eine Beendigung durch eine später ausgesprochene Kündigung verständigte.
Die ROLAND ist unmittelbar nach der Zurückweisung informiert und um Deckungszusage ersucht worden. Nach acht Tagen – nachdem sie zwischenzeitlich auch um Deckung für ein Klageverfahren ersucht worden war – meldet sie sich mit:
„wir bitten um Übersendung des Arbeitsvertrags. Wie ist der Sachstand?“
Auch diese Form der „Bearbeitung“ ist sofort geantwortet worden. Danach hat die ROLAND erst einmal einen Monat geschwiegen, obwohl sie sich auch zur Klage, zur Klageerweiterung wegen einer Folgekündigung und zur Übernahme einer Korrespondenzgebühr wegen Ortsverschiedenheit äußern sollte.
Im weiteren Antwortschreiben heißt es dann lapidar:
„Außergerichtliche Kosten können wir aufgrund der Kostenminimierungspflicht nicht übernehmen. Es hätte sofort Klageauftrag erteilt werden können“
In einem weiteren Schreiben heißt es:
„Es geht also um vermeidbare Kosten. Wäre sofortige Kündigungschutzklage erhoben worden, wäre es Ihnen dennoch möglich gewesen zusätzlich außergerichtlich zu korrespondieren im Hinblick auf § 174 BGB. Der einzige Unterschied wäre, daß keine zusätzlichen außergerichtlichen Gebühren berechnet werden können.“
In einem Telefonat mit dem Sachbearbeiter, verweist dieser auf seinen im Schreiben enthaltenen „Rechtsstandpunkt“.
Hallo, geht´s noch?
Es wird also nicht in Abrede gestellt, daß das Vorgehen sinnvoll und notwendig war. Auch wird nicht in Abrede gestellt, daß das außergerichtliche Vorgehen wegen der „Unverzüglichkeit“ geboten war. Die damit anfallenden Kosten sollen aber vermeidbar sein?
Der Sachbearbeiter verkennt schon, daß es sich bei der Zurückweisung nach § 174 BGB und der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung um verschiedene Gegegenstände handelt. Ersteres kann erst zu Begründetheit des zum Zweiten erhobenen Anspruchs führen. Einen nachvollziehbaren „Rechtsstandpunkt“ vermag man da beim besten Willen nicht zu erkennen, es dürfte sich viel mehr um eine irrationale Verweigerungshaltung handeln.
Ich werde meinem Mandanten nahe legen, die übliche Vorstandsbeschwerde zu erheben und nötigenfalls auch Deckungsprozeß zu führen. Trotzdem wird er zunächst der Leidtragende sein und sich sicher fragen, ob er Rechtschutz zweiter Klasse genießt.
Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser