Kita-Streik: bundesweite Bedeutung einer einstweiligen Verfügung?

Man liest es in Presseportalen als Frage zum Streikverbot des Arbeitsgerichts Hamburg – und das Arbeitsgericht Kiel glaubt sogar selbst daran*: Haben einstweilige Verfügungen der Arbeitsgerichte bei Streiks wie dem Kita-Streik bundesweite Bedeutung?

Nein, natürlich nicht, denn das Arbeitsgericht Hamburg ist nur für den Arbeitsgerichtsbezirk Hamburg und das Arbeitsgericht Kiel nur für den Arbeitsgerichtsbezirk Kiel zuständig. Das Arbeitsgericht Lübeck wiederum könnte für seinen Gerichtsbezirk zu einem anderen Ergebnis kommen. Aber das Verbot würde sich nicht einmal auf den gesamten Gerichtsbezirk beziehen, denn gerichtliche Entscheidungen gelten nur „inter partes“, also für die Parteien des Rechtsstreits. Und nur für den beantragten Streik. Das Arbeitsgericht Kiel ist daher weit über das Ziel hinausgeschossen, als es Ver.di aufgab, auf der bundesweit maßgeblichen Startseite Verdi.de dazu aufzurufen, den Streikaufruf zurückzunehmen. Das hätte bei der territorialen Reichweite des Gerichts allenfalls auf den Seiten des Landesbezirks Hamburg verlangt werden können.

Bei anderen Parteien und/oder geänderten Streikforderungen könnte eine andere Kammer desgleichen Arbeitsgerichts bei ansonsten gleichem Sachverhaltausserdem eine andere Entscheidung fällen, wenn es bei den rechtlichen Fragen anderer Meinung als die Kammer des Kollegen oder Kollegin vom gleichen Arbeitsgericht ist. Das Arbeitsgericht Hamburg hatte ja zunächst die Streiks erlaubt, erst in einem zweiten Verfahren nach dem Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht und bei geänderten Streikforderungen hatte es die Streiks auf einmal verboten.

Hinzu kommt im konkreten Fall der Kita-Streiks: Soweit Gerichte bisher Bedenken geäussert haben, beziehen sich diese auf die Unvereinbarkeit der Forderung einer betrieblichen Gesundheitskommission mit den Regelungen des jeweiligen Landespersonalvertretungsgesetzes. Da jedes Bundesland ein eigenes Landespersonalvertretungsgesetz hat, kann also die Bedeutung höchstenfalls landesweit sein. Aber landesweite Bedeutung kann nur eine rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts haben, also der zweiten Instanz.

Und last but not least handelt es sich bei einstweiligen Verfügungen immer um „vorläufige Regelungen“, was denknotwendig bedeutet, dass das Gericht die Sache nicht in allen Facetten beleuchtet und entscheidet, sondern dies erst in einem anschliessenden Hauptsacheverfahren geschehen wird. Und da gibt es häufig andere Ergebnisse als bei der einstweiligen Verfügung.

Also: schon der Bahnstreik hat uns gelehrt, dass es unterschiedlichste Entscheidungen geben wird, die nach dem Ende des Streiks eigentlich niemanden mehr interessieren.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

* So erlag das Arbeitsgericht Kiel der Versuchung seine Auffassung zu verallgemeinern und die Einzelfallentscheidung absolutistisch zu überhöhen: „Anschliessend weist die Kammer darauf hin, dass die getroffen Entscheidung sich zwar wegen des auf den Streiktag 19. Mai begrenzten Antrages nur mit einem Streikverbiot für den 19. Mai auseinandersetzt. Inhaltlich hat die Entscheidung aber bundesweite Bedeutung, da der geforderte Tarifvertrag bundesweit gelten soll und im übrigen das Ultima-ratio-Prinzip grundsätzlich gilt.“ Jaja.

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