der Bahnstreik zwingt nicht nur die Bahn zu besonderen Anstrengungen, sondern auch die Berufspendler. Wie im Sommer rechnet die Bahn diesmal wieder damit, dass die Berufspendler durch früheres Aufstehen verhindern wollen, zu spät am Arbeitsplatz zu erscheinen. Aber ist das denn überhaupt nötig? Ist es überhaupt vorwerfbar, wenn man wegen eines Bahnstreiks, dessen Umfang erst in der Nacht durch die Entscheidung eines Arbeitsgerichts klar wurde, zu spät zur Arbeit kommt? Mitarbeiter mit Gleitzeit haben es gut. Jedenfalls solange sie sich in den zulässigen Korridoren bewegen beim späteren Eintreffen im Betrieb. Grundsätzlich aber gilt, dass das Wegerisiko den Arbeitnehmer trifft und das gilt auch für den Bahnstreik. Bei Abmahnung und Kündigung würde natürlich der Umfang des Streiks, die Dauer und die Vorhersehbarkeit beim Verschulden berücksichtigt. Da aber bereits seit längerem über den Freitag als Streiktag berichtet wurde, dürften auch insoweit Verspätungen nicht grundsätzlich zu entschuldigen sein. In jedem Fall sollte man sofort anrufen und die Verspätung ankündigen, wenn sich diese nicht vermeiden lässt. Sonst droht nicht wegen der Verspätung an sich, sondern der fehlenden Anzeige u.U. eine Abmahnung. Auch wenn das Unternehmen bisher nicht so reagiert hat, kann man sich darauf nicht verlassen. Bei Abmahnung und Kündigung gilt nach herrschender Meinung auch der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht. Der Chef kann also bei einem Kollegen das Auge zudrücken, beim anderen eine Abmahnung aussprechen.

Wer früher nach Gleitzeit oder fester Arbeitszeit vorgesehen im Betrieb erscheint, darf deswegen nicht eigenmächtig das Arbeitszeitende entsprechend verkürzen. Das sollte man schon mit dem Arbeitgeber besprechen.

Beim Lohn- und Gehalt kommt man bei streikbedingter Verspätung um einen Gehaltsabzug kaum herum. Dazu ist der Chef berechtigt.

Nach aller Erfahrung gehen die Betriebe aber grosszügig mit den Streikauswirkungen um. Schliesslich sind auch die Chefs betroffen.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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