Der BGH (Urteil vom 21.06.2007, Az.: IX ZR 29/06) hatte sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, ob die fahrlässig herbeigeführten Folgen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind. Dies war in der Vorinstanz noch angenommen worden.
Der Leitsatz lautet:
Die Schadensersatzverbindlichkeiten desjenigen, der vorsätzlich im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet hat, sind von der Restschuldbefreiung nicht ausgenommen.
Sachverhalt: Aufgrund eines Verkehrsunfalls bei dem der Beklagte alkoholbedingt fahruntüchtig einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht hatte und wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verurteilt wurde, nahm ihn die klagende Versicherung in Regress. Daraufhin beantragte der Beklagte das Verbraucherinsolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung. Die Klägerin meldete die Forderung als eine solche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung an. Der Beklagte widersprach der Feststellung des Rechtsgrundes. Die Feststellungsklage der Klägerin wurde vom Landgericht abgewiesen; das Berufungsgericht gab ihr statt.
Entscheidung des Gerichts: Der BGH hat dem Beklagten Recht gegeben und die OLG – Entscheidung aufgehoben. Im Gegensatz zum OLG erkannte das Revisionsgericht in der Forderung der Klägerin keine solche aus § 302 Nr. 1 InsO. Der BGH stellte zunächst fest, dass der Gesetzgeber es für unbillig erachte, wenn ein Schuldner von Verbindlichkeiten gegenüber einem Gläubiger befreit würde, obwohl er diesen vorsätzlich geschädigt habe. Das Gericht betonte, dass es allerdings nicht genüge, dass eine vorsätzliche Handlung adäquat kausal zu einem Schaden geführt habe. Vielmehr müsse auch die konkrete Schadensfolge vom Tatvorsatz umfasst sein. Gerade dies ist nach Auffassung des Gerichts bei der „Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination“ des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 lit a., Abs. 3 Nr. 1 StGB nicht der Fall.
Der BGH hat dies damit begründet, dass es zahlreiche Schutzgesetze gäbe, gegen die vorsätzlich verstoßen würde. In diesen Fällen sei der Vorsatz jedoch auf den Verstoß bezogen, nicht auf den Schaden eines Dritten, den dieser Verstoß möglicherweise zur Folge hat. Vielmehr unterstellt der BGH insoweit Fahrlässigkeit. Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des BGH den Ausschluss der Restschuldbefreiung auf Ausnahmen beschränken wollen. Eine Nachhaftung des Schuldners in derartigen Konstellationen würde in vielen Fällen eintreten; so dass die Ausnahmebeschränkung nicht greifen würde. Anders, so der BGH verhalte es sich in Fällen der Verletzung der Unterhaltspflicht, des Betruges oder der Insolvenzverschleppung. In diesen Fällen habe der Täter Schädigungstendenz und nehme die Verletzung fremder Rechte billigend, also bedingt vorsätzlich, in Kauf. Dies rechtfertige dann den Ausschluss von der Restschuldbefreiung.
Nach Auffassung des BGH ist § 315 c StGB auch von den erfolgsqualifizierten Delikten abzugrenzen. So falle der Geschädigte beim Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB) letztlich einer Vorsatztat zum Opfer, weil sich die schwere Folge aus der vorsätzlich ausgeübten Gewalt ergäbe. Hier sei es anders, weil der Vorsatz, fahruntüchtig ein Fahrzeug zu führen, noch keine vorsätzliche Schädigungstendenz zu Lasten späterer Geschädigten habe.
Bedeutung für die Praxis: Regressforderungen aus Unfällen können den Versicherungsnehmer finanziell ruinieren und ihn veranlassen, die Restschuldbefreiung zu suchen. Schuldner sollten vor dem Hintergrund dieser Entscheidung bei erkennbaren „Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen“ der Anmeldung von Schadenersatzforderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung stets widersprechen. Dabei sollte der Schuldner bei Vorliegen eines Titels auf die Monatsfrist des § 184 Abs. 1 S. 1 InsO achten. Nach Ablauf dieser Frist gilt der Widerspruch als nicht erhoben.
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Axel Willmann Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht