Eigentlich ist es keine Überraschung, aber trotzdem erfreulich: Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.3.2010 entschieden, dass auch der Zusatzturlaub für behinderte Menschen während einer länger währenden Arbeitsunfähigkeit bestehen bleibt und ggf. am Ende des Arbeitsverhältnisses – wenn der Urlaub nicht mehr genommen werden kann – in Geld abzugelten ist. Diese Frage ist nahezu tägliche Praxis und spielt bei vielen arbeitsrechtlichen Beratungen eine Rolle.  Gerade Schwerbehinderte leiden unter langen Arbeitsunfähigkeitszeiten und scheiden häufig – „betriebsbedingt“ – angeschlagen aus..

Behinderte Menschen erhalten nach § 125 SGB IX einen Zusatzurlaub von einer Woche. Die Urlaubstage kommen also zum normalen Urlaub hinzu, der den schwerbehinderten Beschäftigten laut Tarifvertrag bzw. Arbeitsvertrag, seltener nach gesetzlichen (Mindest-)bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes zusteht. Dieser im Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes bzw. bei Gleichstellung der Arbeitsagentur genannte Zeitpunkt ist für die Berechnung zeitanteiligen Zusatzurlaubs im Rahmen des § 125 Abs. 2 5GB IX entscheidend.

Sowohl der gesetzliche Mindesturlaub (4 Wochen) als auch der gesetzliche Zusatzurlaub für Schwerbehinderte sind am Ende des Arbeitsverhältnisses auch dann abzugelten, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist und es bis zum Ende auch bleibt. Auf diese Urlaubsansprüche sind auch tarifliche Verfallfristen nicht anzuwenden.  Das Bundesarbeitsgericht zog mit dieser Entscheidung nur die sich aus der Entscheidung des EuGH ergebenden Konsequenzen für den besonderen Urlaub der Schwerbehinderten. Darüberhinausgehender tariflicher oder arbeitsvertraglicher Urlaub ist dagegen nicht abzugelten, er verfällt auch bei entsprechenden arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen.

Bei der arbeitsrechtlichen Beratung ist nicht nur auf diese Rechtslage hinzuweisen, sondern bei Behinderungen auch auf die Möglichkeit, einen Gleichstellungsantrag zu stellen.

Spannend wird allerdings noch die Frage, ob die Arbeitsagentur auch in diesen Fällen, in denen die Urlaubsabgeltung vom Willen der Parteien unbeeinflusst erfolgt, zu einer Anrechnung (Ruhen) nach § 143 Abs. 2 SGB

http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_3/__143.html

führen darf. Meines Erachtens stellt dies – jedenfalls beim Zusatzurlaub für Behinderte – eine unzulässige Diskriminierung des Behinderten dar.

Bald wird auch der EuGH entscheiden, dass auch der Urlaub von Beamten und Dienstordnungsangestellten nicht verfällt, wetten?

Quelle:

Bundesarbeitsgericht – BAG, Urteil vom 23.3.2010 – 9 AZR 128/09, Pressemitteilung

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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